Porto Velvenya – Grüne Hölle I
Abenteuer U1
Uthuria. Unendliche Wei… naja, zumindest unendlicher sind sie ja geworden durch Bestrebungen der Fans. Und hier haben wir jetzt das erste Exemplar seiner Art vorliegen: Eine sogenannte Regionalkampagne, bzw. derer erster Teil. Gedacht für die Helden aus An fremden Gestaden und dementsprechend natürlich erfahrene Helden und auf Uthuria angesiedelt. Die Komplexität für den Spielleiter ist hoch, für Spieler mittel und es werden Talente, Interaktion und Kampffertigkeiten benötigt.
Der Band ist wie gesagt eine Regionalkampagne und damit also Kampagne und Regionalband in einem, wobei die Abenteuer doch den Löwenanteil ausmachen.
Wie ja inzwischen üblich gibt es vor dem eigentlichen Abenteuer nochmal eine Übersicht und neue Regelmechanismen, die kommen werden und eventuell wichtige andere Sachen. Dabei fällt einem erfahrenere Spielleiter direkt der neue SL Wald von Uthuria ins Auge. In Form einer Art Sonnenfinsternis für den gar all zu schlimmen Fall der Heldenübermacht, wenn der SL seine bösen NSCs noch behalten will. Dann kann er die nämlich einfach ganz plötzlich auftauchen lassen und schwupps sind die plötzlich besser. Na, wer da nicht böse von den Spielern angeschaut werden wird?
Der nächste Punkt ist der in den letzten Jahren irgendwie immer beliebter werdende Einbau von Minispielchen für den SL. In der Drachenchronik gab es schon ein System für Reisemittel, in den fremden Gestaden dann etwas um die Beziehungen zu anderen Völkern zu messen und hier jetzt die Krisenpunkte. Natürlich wird ganz dick geschrieben, dass die rein optional sind.. und werden dann so konsequent in den Kapiteln verwendet, dass man um diese kaum herum kommt. Was machen Krisenpunkte? Die Schwere der Krise feststellen natürlich. Verändern sich je nach Heldenaktionen nach oben und unten und haben dann im zweiten Kapitel Auswirkungen auf die Stadt. Für manche SL ist dies mit Sicherheit einfacher, praktischer und „weniger willkürlich“ als einfach zu sagen, dass ist jetzt so. Trotzdem gaukelt es irgendwie eine Art Sandbox vor, die so gar nicht vorhanden ist.
Das Abenteuer
Kapitel 1
Die Helden kommen in Porto Velvenya an und können direkt miterleben, wie ein Anschlag auf einen Kontaktmann verübt wird und diesen theoretisch verhindern. Danach werden sie allerdings darüber informiert, dass seit einiger Zeit eine Seuche in der Stadt umzugehen scheint, welche Wunden nicht mehr richtig heilen lässt, so dass die Menschen langsam verbluten. Zudem macht sie die Opfer auch aggressiv was zu weiteren Wunden führt. Und noch ist nicht herausgefunden worden worin die Ursache liegt. Außerdem scheint jemand oder eine Gruppe von Leuten schon mindestens einen weiteren Anschlag durchgeführt zu haben und im Verlauf ihres Stadtaufenthalts kommen weitere hinzu. Die Helden müssen also nun erst mal herausfinden was es mit der Seuche auf sich hat und versuchen die Stadt in Ordnung zu halten, da sich mehr und mehr Unruhen bilden und verschiedene Krisenherde bedacht werden müssen. Gegen Ende des Kapitels werden sie von einem alten Schamanen aufgesucht, der ihnen verrät, dass sie bei einer alten Kultstätte Hinweise bekommen könnten. Dort treffen sie auf einen alten Geisterschamanen, der den Helden tatsächlich verraten kann, dass die Stadt auf einer alten Kultstätte gebaut wurde und wohl einer der damaligen Bewohner dafür verantwortlich sein muss.
Dem Spielleiter werden neben dem offensichtlichen ‚wir begleiten Stoerrebrandt‘ noch weitere Möglichkeiten für die Anwesenheit der Helden in der Stadt gegeben, so dass es variable auf die Gruppe angepasst werden kann. Danach jedoch dominiert eine halbe Sandbox das Kapitel. Zwar sind jede Menge Szenen vorgeschlagen (unterteilt in „must“ und „optional“) jedoch nur sehr grob angegeben in welcher Reihenfolge sie bespielt werden können, wie eben etwa der Hinweis, dass der Schamane erst später mit den Helden sprechen mag, damit sie nicht zu früh die Stadt verlassen und noch ein wenig an der Besserung der Stimmung arbeiten und vielleicht den einen oder anderen Verschwörer dingfest machen können und sich vielleicht sogar mehr mit der Bevölkerung assoziieren.
Die beschriebenen Szenen sind kurz, aber informativ für den Kenner (und nur solche sollten das ja leiten) und bieten teils sehr verschiedene Möglichkeiten für die Helden sich einzubringen.
Kapitel 2
Die Helden kommen mit dem Wissen in die Stadt zurück und müssen zunächst einmal ein weiteres Attentat verhindern. Diesmal ist die oberste Borongeweihte das auserkorene Opfer, die gerade eine Predigt hält. Haben die Helden dies verhindert, können sie sich auf die Suche nach dem Zugang zur Kultstätte machen und werden dort nach einiger Zeit fündig. Es ist eine ziemlich große Spinne welche besiegt werden will, doch nachdem den Helden dies gelungen ist, müssen sie – nun wieder auf der Erdoberfläche – feststellen, dass ein Stamm Ureinwohner die Stadt auslöschen will. Nach zähen Verhandlungen sind sie jedoch bereit die Helden auf die Suche nach einem Heilmittel für die noch immer vorhandene Seuche zu schicken, so sie ihr Reinigungsritual überleben.
In diesem Kapitel gibt es erst eine potentielle Massenschlacht, oder zumindest einen größeren Kampf und dann einen kleinen Dungeoncrawl. Wobei letzterer nett gemacht ist und mit Sicherheit einen gute Abwechselung zum ersten Kapitel darstellen wird. Eine kleine Karte und eine Beschreibung der Räumlichkeiten der Kultstätte gibt es dann auch noch, was man ja nach dem vierten Band der Drachenchronik nicht mehr als ganz selbstverständlich ansehen darf und daher lobenswert erwähnt wird.
Größere Probleme – wenn die Helden nicht im Kampf drauf gehen natürlich – könnte aber das Postfinale machen. Denn je nach Spielern könnten diese auf die Idee kommen, dass Porto Velvenya eh dem Untergang geweiht ist (gerade falls sie sich nicht besonders toll bei der Krisenbewältigung eingesetzt haben) und eigentlich das ganze doch auch recht praktisch ist. Dann sind nämlich die blöden Al’Anfaner weg und Stoerrebrandt kann selbst viel mehr machen. Natürlich würden echte Helden niemals einfach das Leben der Bevölkerung aufs Spiel setzten. Die würden aber auch nicht mit einer Gruppe Maru die Nachbarstämme unterjochen gehen, was aber vor dem ersten Kapitel im Übergang von den fremden Gestaden durchaus möglich ist… Es ist jetzt auch nicht so, dass es keinen Kasten gibt mit dem Hinweis, dass die Spieler vielleicht was anderes wollen. Leider steht da nur drin, dass sie vielleicht fliehen und dann einfach auf eigene Faust nachforschen. Von einer – gedanklich durchaus möglichen – Entscheidung aktiv zum Untergang der Stadt voller potentieller und aktiver Namenlosanhänger beizutragen steht da aber nichts. Also lieber SL: Aufpassen was man da für Leute hat. Wobei die meisten Gruppen natürlich die netten strahlenden Helden sein werden.
Kapitel 3
Die Helden reisen den Nimujak entlang und entdecken nach einiger Zeit ein Dorf. In diesem Dorf scheint ebenso eine schlimme Krankheit umzugehen und die Helden sollten sich aufmachen dieser auf den Grund zu gehen. Die Ureinwohner hier am Fluss trinken das für sie heilige Wasser was wohl die Ursache zu seien scheint und sie können nach einer lange Reise und immer mehr Dörfern, die zunehmend schlimmer aussehen auch den Grund dafür finden und müssen sich dann kämpferisch oder diplomatisch damit beschäftigen.
Dieser Abenteuerabschnitt dürfte zunächst eine gute Abwechselung zum doch eher städtischen ersten beiden Teilen sein. Immerhin geht es hinaus in die unerforschte Wildnis auf dem Amazo.. äh.. einen riesigen Fluss. Und auf diesem Fluss dann auch noch mit Krokodilsbooten. Zwischen all dem Neuen was es nun zu entdecken gibt, sollte der Spielleiter allerdings drauf achten die eigentliche Geschichte nicht aus den Augen zu verlieren. Die Vergiftung des Flusses durch Raubbau an einer Mindoriummine durch eine Gruppe Al’Anfaner. Um nicht 20 relativ ähnliche Ureinwohnerdörfer zu beschreiben gibt es vom Abenteuer ein kleines System um selbst welche zu bauen und die Empfehlung wie oft diese am Wegesrand liegen. Ebenso gibt es Werte für die Vergiftung, welche sich tatsächlich nur in den armen Ureinwohnern niederschlägt. Es ist für den weiteren Verlauf tatsächlich völlig egal ob die Helden die Vergiftung wieder Rückgängig machen oder sogar selbst noch davon profitieren und dabei einen rechten Genozid auslösen. Wichtig ist, dass die Helden bemerken, dass die weißen Affen (den gibts später im Kapitel) gegen Mindorium reagieren.
Kapitel 4
Durch einen verwirrten Mann erfahren die Helden das es ein heiliges Artefakt eines Stammes ganz in der Nähe gibt, welches vielleicht ein Artefakt des Boron ist. Der Stamm selbst nimmt sie auch freundlich auf und erklärt ihnen dann, dass sie in den Genuss des Segens kommen, wenn sie die Prüfung bestehen. Willigen sie ein, müssen sie erst eine Vorprüfung bestehen und dann einen riesigen Baum erklimmen auf dessen Spitze sie ein Getränk bekommen, welches die Helden in ein Traumreich führt. Dort sind sie in Gestalt eines Tieres und müssen auf die Suche nach der alles entscheidenden Antwort gehen.
Eine Traumreise… mal wieder. Irgendwie scheint das in letzter Zeit Thema in den DSA Abenteuern zu sein, dass mindestens ein Abschnitt was völlig wirres enthalten muss. Seien es nun komische wandelnde Träume wie in Drachenschatten, eine erträumte Elfeninsel wie in Bahamuts Ruf oder jetzt hier ein Traumreich in dem die Helden zu Wassertieren werden. Ist natürlich schön mal was ganz anderes zu sehen, aber ob das wirklich jeder Gruppe gefällt ist doch zu bezweifeln. Immerhin, es ist völlig optional, gibt den Helden nur die Möglichkeit an coole Artefakte zu kommen und selbst innerhalb des Traumreiches ist vieles sehr, sehr offen gehalten. Mit der entsprechenden Runde durchaus eine Bereicherung für die Kampagne, alle anderen können es ja wie bereits gesagt, einfach völlig streichen. So sollten solche eher exotischen Teile sein.
Kapitel 5
Nachdem sich die Helden mehr oder weniger erfolgreich um den Schädel gekümmert haben erreichen sie das Gebirge, einige Leichen und einen großen See mit Abfluss durch ein Affenmaul, welcher jedoch durch ein Gitter verstopft ist. Lösen sie dieses Rätsel gelangen sie über den Fluss unter das Gebirge und nach kurzer Zeit dann in den Gryphonentempel. In diesem Tempel ist auch der Ausgang zur anderen Seite versteckt, den die Helden erst mal finden müssen. Dazu benötigen sie bestimmte Gegenstände und müssen diese zum richtigen Ort bringen. Leider wohnt im Tempel auch ein riesiger weißer Gorilla, welcher alles andere als freundlich ist, sondern die Helden eher als Beute ansieht.
Sind diese beiden Schwierigkeiten überwunden kommen die Helden auf der anderen Seite ins Freie und beschließen den ersten Teil mit einem Blick auf einige Stufenpyramiden im Dschungel.
Das große Finale. Und hier wird dann auch ganz deutlich was schon die restlichen Kapitel unterschwellig mit schwang. Wir sind auf den Spuren von Indiana Jones und dem verlorenen Tempel… irgendwie.. sogar ne große rollbare Steinkugel gibt es. Zwar nicht als Falle, aber mögliche Waffe gegen den Riesenaffen, welcher übrigens tatsächlich die Gruppe auslöschen könnte. Der Abschluss ist also ein hübscher, gut ausgearbeiteter Dungeoncrawl durch alte Gemäuer mit ein paar netten Rätseln und Monstern. Wer so etwas mag, wird diesen Abschnitt definitiv sehr gut finden. Viel Interaktion ist jedoch nicht drin… also eigentlich nur eine, der Affe kann ja nicht reden.. und von daher ist man als Spieler und Spielleiter wohl froh, wenn man am Anfang irgendwie Wert drauf gelegt hat, dass die Helden Körperliche Talente vernünftig können.
Fazit: Abenteuer
Ist es denn nun ein guter Einstieg in eine Kampagne? Das kann man eigentlich nur mit einem „Ja, mit der richtigen Gruppe“, beantworten. Hat die Gruppe Spaß am Erforschen von unbekannten Dingen, an Kämpfen und ein wenig sozialer Interaktion, dann wird sie sicherlich auch Spaß an diesem Abenteuer haben, so denn der Spielleiter entsprechend erfahren ist. Wenn die Gruppe so etwas nicht mag, dann sollte man das natürlich besser lassen. Auch muss man vorher sorgfältig ein Auge darauf haben welche Charaktere da ins Rennen geschickt werden. Wo es für bestimmte Geweihte mit Sicherheit spannend werden kann (gerade der Gryphonentempel am Ende für einen Praiosgeweihten), so sind Stubenhocker und in der Wildnis unfähige Helden hier ein ziemlicher Klotz am Bein und für den jeweiligen Spieler im späteren Verlauf auch ziemlich langweilig, wenn der Spielleiter nicht groß extra für ihn was einbaut, weil gerade nach Verlassen von Porto Velvenya fast nur noch Natur- und körperliche Talente gefordert sind.
Der Regionalteil
Der Regionalteil ist natürlich nicht so ausführlich wie man das etwa bei den aventurischen Regionalbänden sieht. Aber das macht auch gar nichts, denn man möchte Uthuria ja mit vielen weißen Flecken lassen, so dass eher die Umgebung, Pflanzen und Tiere beschrieben sind und nicht jedes einzelne Ureinwohnerdorf. Hier finden sich dann auch jene Viechers, die den Helden im Abenteuer schon begegnen können nochmal ausführlicher als direkt dort, damit der SL auch noch etwas mehr Fluff zur Verfügung hat.
Außer den Tieren und Pflanzen finden sich auch noch Einblicke in die ansässigen Ureinwohner und deren Waffen und Rüstungen mit kleinen Bildchen und natürlich Porto Velvenya selbst mit Karte und Erklärung der einzelnen Stadtviertel.
Die wichtigen Persönlichkeiten der Stadt und auch des restlichen Abenteuers fehlen natürlich ebenfalls nicht, wobei man sich beim Bild zur Spinnenpristerin und ihrer Schergen fragen muss ob der Grafiker da zu viel Resident Evil gespielt hat, als er das Bild entworfen hat.
Fazit:
Wer schon immer mal Indiana Jones like in DSA spielen wollte und dem nicht mal myranische Wälder gefährlich genug waren hat mit Sicherheit Spaß beim Erkunden des Nordens von Uthuria auf der Suche nach einem Heilmittel für die Seuche in Porto Velvenya. Jedoch braucht es wirklich einen sehr erfahrenen Spielleiter um aus diesem ersten Teil ein unvergleichliches Abenteuer zu machen.
Außerdem fragt eine kleine, leise Stimme warum solche Abenteuer nicht nochmal von entsprechenden Leuten gegen gelesen werden, die dann bemerken könnten, dass es an einigen Punkten vielleicht noch einen zusätzlichen kleinen Abschnitt benötigt, denn viele der oben genannten Kritikpunkte könnten so aus dem Weg geräumt werden, was dieses handwerklich solide Abenteuer noch besser gemacht hätte.
Mit freundlicher Unterstützung in Form eines Rezensionsexemplars von der Ulisses-Spiele GmbH und dem F-Shop.
Ich möchte ja nicht unhöflich erscheinen, aber a propos „Außerdem fragt eine kleine, leise Stimme warum solche Abenteuer nicht nochmal von entsprechenden Leuten gegen gelesen werden“:
Ein Korrekturleser hätte diesem Text auch nicht geschadet. Rechtschreibfehler (Spinnenpristerin) und einige merkwürdige Satzkonstruktionen (Der Regionalteil ist natürlich nicht so ausführlich wie man das etwa bei den aventurischen Regionalbänden sieht) hätten so vermieden werden können.
MfG Shanna