Lovecrafter #0

Von Fans für Fans

Schon beim ersten Blick auf das Cover fällt auf, wie viel Liebe im „Lovecrafter“ steckt. Das Vereinsmagazin der „Deutschen Lovecraft Gesellschaft“ (dLG) ist aufwändig und hochprofessionell gestaltet. Vom geprägten Titelschriftzug über das vollfarbige Innenlayout bis hin zur Papierwahl macht das Heft schon beim Durchblättern Spaß. Sicherlich, an der ein oder anderen Stelle merkt man, dass sich das Heft noch etwas sucht, das sind aber Details die bei einer „Nullnummer“ eher sympathisch sind als eine Schwäche. Mit anderen Worten: Optisch kann das kleine Heft locker mit den meisten professionellen Rollenspielprodukten mithalten und ist fast durchgängig eine Augenweide.

Aber natürlich sollte man ein Buch nicht nach seinem Umschlag beurteilen – selbst wenn man in diesem Fall Recht behalten wird, denn auch der Inhalt kann das hohe Niveau halten. Alle Artikel sind von engagierten Fans verfasst, denen man anmerkt, dass sie ihre Artikel mit Interesse und Sorgfalt verfasst haben und ihre Leidenschaft für Lovecrafts Werk an andere Fans weitergeben wollen. Also genau das Ziel, was sich die dLG gesetzt hat.

Was erwartet uns also inhaltlich? Natürlich stellt sich die dLG auf einigen Seiten selber vor und gewährt mit einem atmosphärisch aufbereiteten Bericht der vom dLG organisierten „Gatsby Party“ einen Einblick in ein Highlight des Vereinslebens. Das Heft will fraglos (und erfolgreich) Interesse für den Verein wecken, richtet sich aber natürlich nicht nur an (künftige) Mitglieder.
Ganz im Sinne des Altmeisters selber, dessen Lob auf den Amateurjournalismus als Motto vorangestellt wird, behandelt der Lovecrafter die aktuelle deutschsprachige Lovecraftszene in vielen Facetten. Statt Lovecraft wie einen toten Hund zu behandeln, stehen aktuelle Arbeiten zu Lovecraft und der Phantastik im Mittelpunkt.

Ein erstes umfangreiches Interview widmet sich so der „Encyclopaedia Necronomica“, einer aufwändigen Auflage der Abschlussarbeit von Philipp Hermann, die sich grafisch und analytisch fünf Hauptwerken des Mythos widmet. Im Interview erfährt man exklusiv über Hintergrundüberlegungen und die Entstehungsgeschichte zum dLG geförderten Projekt und findet einige kluge Gedanken zur Einordnung Lovecrafts. Solch eine Einordnung von Lovecrafts Werk steht auch im Mittelpunkt des das Heft abschließenden Essays zur Aktualität des Lovecraft’schen Horrors. Umfangreich wird sich hier dem Konzept des kosmischen Grauens gewidmet und dessen Aktualität, gerade im Kontext eines medialen Wandels betrachtet. Leitend ist letztlich die Frage in wie weit sich Lovecrafts Horror auch im Film umsetzen lässt und wieso sich sein letztlich literarischer Ansatz alles andere als überlebt hat. Insbesondere die Einblicke in Lovecrafts Haltung zum Film und der profunde Überblick über die Genese des Horrorfilms machen den Artikel lesenswert. Dass es dem Artikel gelingt ein so theoretisches Thema darzustellen, ohne dass man dem Gefühl erliegt eine Literaturwissenschaftliche Arbeit zu lesen, passt perfekt in das Bild des „Lovecrafters“. Es wird ein kurzweiliger, streitbarer Artikel vorgelegt der zum Weiterlesen anregt anstatt zu ermüden.

Ähnlich kurzweilig ist das Hintergrundinterview mit dem Golkonda-Verlag, der sich der Neuübersetzung von Horrorklassikern – natürlich auch Lovecrafts – widmet und in der Cthulhu-Community wohl insbesondere durch die ambitionierte Übersetzung von S.T. Joshi’s „I am Providence“ – der Lovecraft Standardbiographie – für höherschlagende Herzen sorgt. Vom gleichen Autor hat der Verlag außerdem eine annotierte und mit Einleitung versehene Ausgabe des Falles Charles Dexter Ward und Lovecrafts Essayklassiker zum übernatürlichen Grauen in der Literatur vorgelegt. Das Interview mit den drei sympathischen Verlegern und Übersetzern gibt spannende Einblicke in das Berufsfeld phantastischer Literatur und Übersetzungsarbeit und macht Lust auf das vielseitige Verlagsprogramm.

Da die dLG ursprünglich aus einer Gruppe begeisterter Cthulhu-Rollenspieler hervorgegangen ist – wir Rollenspieler mögen uns noch an das kaum weniger imposante Projekt Cthulhus Ruf erinnern – kommt auch das Rollenspiel nicht zu kurz. Sicher, der Charakter eines Rollenspielmagazins wurde hier bewusst hinter sich gelassen, Rollenspieler werden aber zumindest mit einem One-Shot verwöhnt, der es in sich hat. Im „Hansen-Haus“ verkörpern die Spieler fünf ehemalige Studienfreunde die sich zu einer Sylvesternacht wiedertreffen. Im Hintergrund schwelen vergangene und teils vergessene Konflikte die sich den Spielern nur allmählich erschließen und durch einige merkwürdige Objekte noch potenziert werden. Treffend wird das Abenteuer auch als „Kammerspiel“ bezeichnet, steht doch das Charakterspiel im Mittelpunkt und dient der Mythos eher als eine Hintergrundstimmung. Wer sich für einen intensiven Spielabend ohne Folianten und Kultisten erwärmen lässt, wird hier nicht enttäuscht werden – gerade auch weil wieder einmal die Aufmachung zu überzeugen weiß. Das Abenteuer ist gut strukturiert, wartet mit Beziehungsnetz, Grundriss und Handouts auf und gibt uns fertige Charakterbögen mit Hintergrundinformationen für die Spieler und Werten für das Call of Cthulhu System an die Hand. Lediglich ein Download der Handouts fehlt, ansonsten lässt das gut durchdachte Abenteuer nichts zu wünschen übrig und verspricht einen spannenden Abend.

Fazit

Der Lovecrafter richtet sich an Lovecraft-Fans, die sich für die lebendige deutschsprachige Cthulhu-Szene interessieren. Alle Artikel sind informativ oder zumindest anregend zu lesen und machen einfach Spaß. Egal ob Rollenspieler oder Leseratte, wer sich für den Altmeister interessiert, kommt hier auf seinen Geschmack. Einziges Manko mag der Preis sein. Der aufwändige Druck führt zu einem Preis von fast zehn Euro für knappe 60 Seiten. Dafür wird das Heft zumindest nicht wie so mancher Roman ungelesen in der Ecke liegen bleiben und geht das Geld direkt an die sympathische Truppe der dLG. Wenn man dann noch einen Abend im Hansen-Haus verbringt hat man sein Geld auch allemal raus. Lovecraft Fans sollten sich das Heft nicht entgehen lassen, dürfen aber keine Rollenspielmaterialsammlung erwarten.

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