Lamentations of the Flame Princess
Eine OSR-Rezension von Infernal Teddy
Eigentlich hatte ich nicht vor mir ein weiteres OSR-Rollenspiel zu kaufen. Ich meine, wie viele braucht man denn wirklich? Beyond the Wall, Labyrinth Lord, Basic Fantasy, Dark Dungeons… irgendwann hat man doch alles, was man aus der Ecke braucht, oder? Was ist denn passiert um meine Meinung zu ändern? Zwei Dinge: zum Einen hatte ich auf der RPC 2018 ein sehr nettes Gespräch mit James Edward Raggi IV, dem Mann hinter der Flammenprinzessin, zum Anderen hat mir jemand im Sommer ein kleines Büchlein mit dem Titel A red and pleasant land zukommen lassen (Und da werde ich auch nochmal darüber reden…), was dazu führte das ich mir das kostenlose PDF anschaute, was wiederum dazu führte das mein zweiter Kauf auf der SPIEL 2018 ein kleines, schmales Hardcoverbuch wurde: Lamentations of the Flame Princess Player core book: rules & magic (Ab jetzt: LotFP).
LotFP ist, wie schon erwähnt, ein schickes, schmales Hardcoverbuch, welches isch optisch nicht hinter Produkten großer Verlage zu verstecken braucht. Die Meisten der 168 Seiten sind in Schwarz Weiß gehalten, aber es gibt auch acht ganzseitige Farbillustrationen, von denen glaube ich einige auch schon Cover für Abenteuer aus der Reihe waren. Das Layout ist angenehm und leicht, was auch die Lektüre erleichtert. Was mir persönlich auch sehr gefällt ist das die Innenseiten des Umschlags mitgenutzt wurde – hier finden sich Ausrüstungslisten und wichtige Tabellen auf einem Blick. Der Artstil des Buches ist wohl für ein amerikanisches Publikum möglicherweise etwas arg blutige und gewalttätig, aber für das hiesige Publikum nichts sonderlich schlimmes. Bis auf die Medusa die gerade… Spaß hatte, vielleicht. Wenden wir uns dem Inhalt des Büchleins zu.
LotFP hält sich gar nicht erst lange auf mit großen Einleitungen, Monologen darüber warum es ein weiteres OSR-Regelwerk braucht, oder was die Zielsetzung des Buches ist, sondern kommt direkt und unumwunden zur Sache, und eröffnet mit der Charaktererschaffung. Im Großen und Ganzen ist LotFP hier sehr klassisch: 3w6, sechs mal in Folge und dem jeweiligen Attribut zugeordnet – nix da mit frei verteilen oder so was neumodisches. Danach wird geschaut für welche Klasse der Charakter sich am sinnvollsten qualifiziert, und die restlichen Werte notiert. Und das ist die Stelle an der LotFP beginnt von den meisten solchen Spielen abzuweichen. Uns werden hier sieben Charakterklassen angeboten, der Cleric (der übliche zaubernde Priester), der Fighter (Der einzige Charakter dessen Kampfesfähigkeiten sich im Laufe des Spiels verbessern), der Magic-User (Der klassische Magier), und – für die OSR typisch – die Völker Elf (Kämpfer-Magier), Dwarf und Halfling als Klassen. die Besonderheit hier ist der Specialist, der den üblichen Dieb ersetzt. LotFP nutzt ein rudimentäres Fertigkeitensystem, bei dem alle Charaktere bei den Handlungen die auf den Charakterbogen angegeben wurden eine Chance von eins in sechs haben, die Aktivität durchzuführen. Nicht so der Spezialist – dieser beginnt mit vier zusätzlichen Punkten die er auf diese Fähigkeiten verteilen kann, und bekommt bei jedem Stufenaufstieg zusätzliche Punkte zum Verteilen. Auf der Charaktererschaffung folgt noch die Ausrüstungsliste, und hier lernen wir aus der Rüstungstabelle das LotFP aufsteigende Rüstungsklasse verwendet, im Gegensatz zur Vorbildedition („B/X D&D“).
Rüstungen sind ein gutes Stichwort, das nächste Kapitel beschäftigt sich mit den Regeln die man auf Abenteuern braucht. Regeln für Bewegungen, Regeln für das sich verlaufen, Regeln für jagen und für die Heilung, und so weiter. Dazu gehört aber auch das Kapitel für Abenteuer auf hoher See, welches von den Regeln für Gefolgsleuten gefolgt werden. Überraschenderweise gibt es sogar ein kurzes Kapitel über Grundbesitz und Investitionsmöglichkeiten. Danach folgen die eigentlichen Kampfregeln, welche schön knapp und präzise geschrieben wurden. Es folgt darauf kurze Regeln dafür, was Clerics und Magic-User so können, gefolgt von den Spell-Listen und den eigentlichen Zauberbeschreibungen, welche den größten Teil des Buches ausmachen und sich zum Teil sehr von ihren klassischen Vorbildern unterscheiden – hier macht sich die beschworene „weirdness“ am ehesten bemerkbar. Abgeschlossen wird der Band durch die Anhänge, welche aus einem Glossar, den Regeln für Schwarzpulverwaffen und einer Erläuterung des Charakterbogens(Den es nicht im Buch selbst gibt) bestehen. Eine Monstersammlung fehlt.
Fazit:
Schält man Lamentations of the Flame Princess aus allen Kontroversen zu Raggi selbst oder seinen Autoren heraus, aus allen Entrüstungen zu Artwork oder Themen der Abenteuer – was bleibt dann übrig? Für mich kristallisiert sich ein sehr schönes und elegantes OSR-Regelwerk heraus, welches einen ungewöhnlichen Fokus auf Wildnis- und Überlandabenteuer zu legen scheint. Die vielbeschworene „Weirdness“ spielt – außer bei den Zaubern – keine all zu große Rolle, sondern wird erst durch die Optik und den erschienen Abenteuern wirklich greifbar. Das Fehlen einer Auswahl an Monster mag von manchen als Schwachpunkt ausgelegt werden, aber zum einen gibt es gerade im OSR-Bereich eine große Auswahl an Monsterbüchern, welche alle mehr oder weniger kompatibel sind, zum anderen sollte man als Spielleitung dieses Fehlen auch als eine Chance ansehen, die Spieler mit eigenen Kreaturen zu überraschen. Die Flammenprinzessin wird nicht mein bevorzugtes Old School Spiel werden – dafür mag ich einfach die BECMI-Version von D&D zu sehr – aber sie teilt sich jetzt mit Beyond the Wall definitiv den zweiten Platz. Für 25 Euro macht man hier nichts falsch.
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