Savage Worlds Gentleman’s Edition Revised
Wie rezensiert man eine überarbeitete Auflage? Vor allem, wie rezensiert man eine überarbeitete Auflage eines Rollenspiels von dem es bereits zwei A!-Rezis in der Datenbank gibt? Ich selbst habe damals die Explorers Edition besprochen, wenig später hat Wilson Freeman die frisch erschienene Gentleman’s Edition besprochen, die meiner Meinung nach bisher beste Version des Savage Worlds-Systems. Und jetzt liegt hier die Gentleman’s Edition Revised (GER) vor, und wartet drauf besprochen zu werden. Wundert es da wirklich jemanden, das ich mich da gerne gedrückt hätte? Ich könnte es mir leicht machen, könnte auf die Unterscheide zwischen den Versionen hinweisen und dann einfach sagen „Da, schaut euch die alten Rezensionen an“. Aber damit wäre niemanden geholfen – auf also zur Rezension!
Optisch ist die GER wieder mal ein schönes Buch geworden – Hardcover, erneut in dem handlichen Format in dem (Bis auf Hellfrost) alle deutschen Savage Worlds-Produkte gehalten wurden. Im Inneren hat sich allerdings einiges getan – meiner Meinung nach zum Vorteil. Als allererstes fällt auf das der Hintergrund jetzt eine einheitliche Fläche ist mit gelblich-beiger Farbe, wodurch die Lesbarkeit gegenüber dem Pseudopergament der Vorgängerauflage deutlich erhöht worden ist. Auch sind die Überschriften in dieser furchtbaren Pseudohandschrift ein Ding der Vergangenheit – alle Überschriften sind jetzt in einer fetten, freundlichen und lesbaren Schriftart gehalten. Eine weitere praktische Sache ist das alle Kapitel farblich am Rand markiert sind, man sieht also schon wenn man auf die Buchkante schaut wo welches Kapitel ist, was die Suche enorm erleichtern dürfte. Einzige Schwachstellen des Redesigns: zum einen wäre ein zweites Lesebändchen bei einem Grundregelwerk sinnvoll gewesen, zum anderen ist das Lesebändchen jetzt etwas zu kurz geraten. Wenden wir uns also dem eigentlichen Inhalt zu.
Eine Sache direkt zu Anfang, damit niemand das Gefühl hat ich würde ihn in die Irre führen – ich werde nicht auf die Änderungen in den Regeln eingehen. Zum einen liegt das schlicht und ergreifend daran das diese Rezension nicht so sehr in die Tiefe gehen kann wie es nötig wäre um diese Änderungen konkret zu besprechen, zum anderen bin ich – mangels einer regelmäßigen Spielgruppe – nicht Regelfirm genug um klar sagen zu können welche Bedeutung sie für das Spiel an sich haben. Wer die alte Gentleman’s Edition besitzt kann sich die Änderungen hier bei Prometheus Games herunterladen, und bei Fragen möchte ich auf diesen Thread verweisen – unsere drei Erzsavages sollten eigentlich jede Frage besser beantworten können als ich.
Nachdem wir das aus dem Weg geräumt haben – was steht denn jetzt in diesem Buch? Was erstreckt sich über die acht Kaptiel dieses Buches, zusammen mit den Anhängen und der Einleitung? Nun, um es vorwegzunehmen, eines der besten Universalsysteme die mir bisher untergekommen sind. Die Einleitung eröffnet mit ein paar „Dokumenten“ zu Wilbert, dem „Maskottchen“ der GE. Hier wird quasi ein Teaser erschaffen zu einer Weltenspringerkampagne – ohne das dafür tatsächlich was geboten wird. Hm. So kann man auch stimmungsvoll vier Seiten verschwenden. Die Einleitung selbst erklärt wie immer was denn ein Rollenspiel ist, was man dazu benötigt, stellt eine Beispielrunde vor, und – lobenswerterweise – weist darauf hin wo Besitzer der Vorgängerversion nachschauen sollten weil sich da die Regeln verändert haben.
Aber stürzen wir uns ins eigentliche Regelwerk. Das erste Kapitel trägt den Namen „Charaktere“, und umfasst auch alles, was mit Charaktere zu tun hat. Die Charaktererschaffung ist bei Savage Worlds schon immer recht einfach gewesen: Zunächst hat jeder Charakter fünf Attribute, die bereits einen Wert von w4 haben… was? Wieso w4? Ah ja, richtig – Attribute und Fertigkeiten werden bei Savage Worlds als Würfel ausgedrückt, also w4, w6, w8, w10 bis hin zum w12 für die ganz tollen Jungs. Bei allen Proben würfelt man den Würfel den man als Wert stehen hat, zusammen mit einem weiteren w6, dem sogenannten Wild Die, und nimmt das höchste Ergebnis.Mindestwurf ist in der Regel 4, und wenn ein Würfel auf seine höchstmögliche Augenzahl liegenbleibt „explodiert“ er und man darf weiterwürfeln. So, wo war ich? Ach ja… Also, Anfangswert in allen fünf Attributen ist wie schon gesagt w4. Jeder Spieler erhält dazu noch fünf Punkte, die er auf die Attribute verteilen darf. Danach hat er 15 Punkte, die er auf Fertigkeiten verteilen darf, wobei diese alle einen Anfangswert von 0 haben. Dazu gibt es noch ein paar abgeleitete Werte die man kalkulieren muss, ein Talent, und fertig ist der Charakter. Theoretisch. Na ja, genaugenommen sind die Talente das wichtigste am Charakter – es sind die Talente die ihn ausmachen, jedenfalls mehr als es die Attribute und Fertigkeiten. Menschen erhalten zwei Talente bei der Charaktererschaffung, außerdem kann man sich mit Handicaps auch weitere Talente erkaufen. Wie bereits bei der Gentleman’s Edition enthält die GER auch einige Fantasyrassen die man spielen kann. Neu ist allerdings der vereinfachte Baukasten um selbst neue Rassen zu bauen, sehr löblich. Ebenfalls neu ist eine Auswahl an Archetypen, fast fertige Charaktere denen man nur noch Handicaps und Ausrüstung spendieren muss damit sie spielbar sind. Beim Durchlesen der Talente und Handicaps sind mir keine keine gravierenden Änderungen aufgefallen, auch keine Übernahmen aus dem Fantasykompendium, aber ich bin aus Mangel an Gelegenheit nur ein Gelegenheitssavage. Eine Sache die mit aufgefallen IST, ist die tatsache das Mumm jetzt eine rein optionale Fertigkeit ist – Mumm war die Fertigkeit die einem erlaubt, sich nicht aus Angst in die Hosen zu machen, was aber in den meisten Settings überflüssig war, und in den allermeisten Fällen durch eine einfache Willenskraftprobe abgedeckt werden kann. Nach der Beschreibung aller Talente, Handicaps und Fertigkeiten wird noch erklärt wie man Charaktere mit Erfahrungspunkte verbessert – Für fünf Punkte kann er ein neues Talent erwerben, Fertigkeiten steigern oder neu erwerben, oder ein Attribut erhöhen, und alle 20 Erfahrungspunkte steigt er im „Rang“ auf, was neue Talente „freischaltet“.
Im zweiten Kapitel dreht sich alles um das Thema Ausrüstung – Waffen, Rüstung, Fahrzeuge und anderen Krempel den man braucht. Die Auswahl ist recht groß, da alle möglichen Welten und Zeiten abgedeckt werden müssen, sonderlich interessant ist das Kapitel trotzdem nicht, es ist halt mal wieder so ein Ausrüstungskatalog. Hat man ein paar davon gesehen fangen sie irgendwann an alle gleich auszusehen. Gehen wir also lieber zum dritten Kapitel, den Regeln, über. Die wichtigste, wie man würfelt, habe ich euch ja schon erklärt, aber es gibt noch eine wichtige Regel – Bennies. Bennies sind im Prinzip Wiederholungswürfe, mit denen man vergeigte Proben noch mal machen darf. Außerdem kann man sie nutzen um dem Tod nochmal von der Schippe zu springen, auch ganz praktisch. Zu Beginn einer Spielsitzung hat man drei Bennies, und kann im Laufe des Spiels neue erhalten (bzw. alte zurückbekommen) in dem man coole Aktionen bringt, gutes Rollenspiel betreibt, oder die ganze Gruppe zum Lachen bringt. Oder verzweifelt an einer Probe seine ganzen acht Bennies raus haut, nur um jedes mal zu versagen, DAFÜR einen Bennie bekommt, und dann WIEDER die Probe vergeigt. War… war ein Freund von mir, nicht ich, nein. Ahem. Eine weitere Besonderheit von Savage Worlds sind die Initiativeregeln – die Initiative wird nämlich über Pokerkarten geregelt, wobei derjenige, der den Joker zieht sich aussuchen darf wann er handelt, und außerdem +2 auf alle Proben in der Runde erhält in der er die Karte gezogen hat. Viele neue Savages sind erst mal der Meinung man müsste einen anderen Weg finden die Initiative zu regeln, aber alle kommen irgendwann zum Schluss das es tatsächlich am besten mit den Karten funktioniert. Ansonsten sind die Regeln eigentlich recht schnell und sehr intuitiv wenn man erst mal ein oder zwei Runden gespielt hat. Neben den eigentlichen Regeln gibt es noch ein Kapitel mit Regeln für besondere Situationen und Umständen, zum Beispiel die Verfolgungs- und Fahrzeugregeln, die Regeln für Gefolgsleute oder die für Massengefechte.
Bei Savage Worlds werden Superkräfte, Magie, wahnsinnige Wissenschaft und andere ähnliche Dinge als „Mächte“ bezeichnet, ein Regelkomplex der in Kapitel Fünf zum Thema gemacht wird. Und zwar funktioniert das so: jemand der Mächte nutzen möchte muss zunächst eines der „Arkaner Hintergrund“-Talente wählen (Magie, Glaube, Psionik, Superkräfte oder verrückte Wissenschaft). Jedes dieser Talente ist an eine Fertigkeit gekoppelt die man ansonsten nicht wählen kann (Außer Superkräfte), gibt dem Spieler einen Pool an Machtpunkte (Diese werden ausgegeben um die Mächte zu nutzen), und eine Anzahl an Mächte die man zu Beginn nutzen kann (Jemand mit Magie kann zu Beginn drei Mächte als Zaubersprüche, jemand mit Superkräfte hat eine Superkraft), wobei man über Talente mehr Machtpunkte und Mächte erwerben kann. Nach den Regeln für Mächte folgt eine Liste der üblichen Mächte, wobei diese immer auf die gleiche Weise funktionieren, egal über welches Talent man sie erworben hat, nur das Aussehen wird von jedem Spieler selbst festgelegt.
Das anschließende Kapitel für Spielleiter ist recht kurz – es stehen zwar Tipps drin die sich eher an Anfänger richtet, man wird aber nicht das Gefühl nicht los das sich Savage Worlds eher an erfahrene Spielleiter richtet, und nicht an Neulinge – was ein Fehler ist, da SW sich hervorragend als Einsteigersystem eignet. Für alle Spielleiter interessant dürfte dagegen das Kapitel mit ausgesuchten Monstern und Schurken sein, NSCs, Kanonenfutter und andere Kreaturen. Das letzte Kapitel besteht aus einer Ansammlung von sogenannten Onesheets, Kurzabenteuer aus allen möglichen Genres und Epochen. Diese Abenteuer sind ganz nett, und dienen als gute Einführung in Savage Worlds. Abgerundet wird das Buch durch eine Tabellensammlng, einem Charakterblatt, Kopiervorlagen für einige Schablonen, einem umfangreichen Index, und die „Spielermatte“, die man sich besser runterläd, aber eine gute Spielhilfe darstellt. Und drei Seiten Werbung. Nervt es jemanden außer mir wenn in einem Grundregelwerk Werbung gibt? Bei Quellenbücher ist es ja okay, aber…
Fazit:
Ich bin mal ehrlich – wenn ich das Buch nicht als Rezensionsexemplar bekommen hätte, hätte ich es mir nicht gekauft. Ich hab’ schließlich die GE und die ExEd. ABER das wäre ein Fehler gewesen. Klar, die Regeländerungen sind nicht unumstritten, die Neuübersetzung an ein paar Stellen etwas… sei freundlich, sei freundlich… etwas unglücklich. Gleichzeitig ist die GER die bisher spielerfreundlichste Präsentation der Savage Worlds-Regeln. Wer sich für Savage Worlds interessiert, sich bisher aber nicht getraut hat sollte hier zuschlagen, ich kann das Spiel nicht warm genug empfehlen – trotz der Tatsache das es genug Sachen gibt die ich damit niemals spielen würde. Bei Veteranen wird die Empfehlung schon schwerer, da reicht es vermutlich wenn man sich das PDF mit den Änderungen einfach bei Prometheus Games holt.
Nur über das Lesebändchen, da müssen wir uns nochmal unterhalten Leute, das geht so nicht…
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