Vampire: die Maskerade – Jubiläumsausgabe, Teil II

Eine Rezension aus der klassischen Welt der Dunkelheit von Infernal Teddy

Wir hatten im ersten Teil unserer Besprechung der Jubiläumsausgabe von Vampire: die Maskerade über den Hintergrund des Spiels gesprochen, dem Setting und der verschiedenen Gruppen denen die Charaktere angehören können. Heute beschäftigen wir uns mit den Regeln, welche diese Charaktere und ihre Interaktion mit der Welt der Dunkelheit beschreiben, dem zweiten “Buch” des Grundregelwerks.

Die Charaktererschaffung wird im dritten Kapitel beschrieben, und wer zu den alten Hasen gehört, dem reicht es wohl wenn ich sagen das sich hier nichts wirklich verändert hat. Der Spieler bekommt bestimmte Mengen an Punkten, die er auf verschidene Wertekategorien verteilen darf, um so den Charakter darzustellen. Wer sich die Charaktererschaffung im Detail mal ansehen mag, der findet alles was er wissen muss in unserem Building Character-Artikel. Was hier interessanterweise dazu gekommen ist, ist ein Textkasten mit Hinweisen und Punktewerte um einen Charakter zu erschaffen, welcher bereits älter und mächtiger ist als der übliche Neugeborene, den man sonst bei Vampire spielt. Ebenfalls Teil dieses Kapitels sind auch die Erklärungen, was denn diese Werte bedeuten, und was es bedeutet eine bestimmte Anzahl an Punkten in diesen Werten zu haben. Ein Paar Fertigkeiten haben sich von den Beschreibungen her verändert, ein paar sind neu dazu gekommen oder weggefallen (Ehrlich? Awareness habt ihr mit “Magiegespür üersetzt? Ehrlich jetzt?), aber alle in allem ist hier alles so, wie wir Welt der Dunkelheit-Spieler es kennen. Auch bei den Hintergründen gibt es viel Bekanntes, aber hier dürften am meisten Änderungen passiert sein, bzw. wurden hier auch Hintergründe mit eingepflegt, welche bisher nur in Zusatzbüchern Verwendung fanden, wie die Zugehörigkeit zur Schwarzen Hand, auch wird kurz darauf eingegangen, das manche Hintergründe sich von der Spielgruppe zusammenlegen lassen, um dann zum Beispiel gemeinschaftlich den Einfluss zu nutzen den sie sich erarbeitet haben. Die Erfahrungspunktvergabe wurde hier ebenfalls mit eingepflegt, zusammen mit den Kosten, einen Wert des Charakters zu steigern. Hier gibt es also eigentlich nichts unerwartetes.

Eines der Dinge, über die sich ein Vampir bei diesem Spiel definieren kann, neben Clan und Sekte, sind natürlich die Diszipline, jene okkulten Kräfte über die der Untote dank der Macht seines Blute gebietet. Eben jene Kräfte sind es auch, welche uns im vierten Kapitel beschäftigen. Auch an dieser Stelle ist ein wenig überarbeitet worden, aber im Großen und Ganzen sind die Kräfte die Selben, welche man noch aus den Vorgängereditionen kennt, nämlich:

  • Auspex: Übersinnliche Wahrnehmung, geschärfte Sinne, und auf höheren Stufen auch außerkörperliche Wahrnehmung und Kommunikation.
  • Beherrschung: Die Gabe, den Willen anderer vollkommen unter seine Kontrolle zu zwingen.
  • Fleischformen: Die Gestalt sowohl des eigenen Körpers als auch den anderer vollkommen nach eigenen Wünschen und Vorstellungen ändern zu können. Möglicherweise ein außerirdischer Parasit.
  • Geschwindigkeit: Nackte, rohe Geschwindigkeit, welche sich in zusätzliche Handlungen niederschlägt.
  • Gestaltwandel: Mit dieser Disziplin kann ein Vampir andere Formen annehmen, wie die eines Wolfes, der Erde oder gar des Nebels.
  • Irrsinn: Diese Disziplin macht den Wahnsinn zu etwas ansteckendem.
  • Präsenz: Wo Beherrschung den einzelnen unterwirft, verführt diese Gabe die Massen.
  • Quietus: Eine Gabe, welche den lautlosen Mord an andere ermöglicht
  • Schattenspiele: Der eigene Schatten wird dem Nutzer dieser Disziplin zum willfahrigen Diener, während alle anderen Schatten Waffe und Werkzeug sein können.
  • Schimären: Wer diese Disziplin nutzt, der kann seine Umgebung mit Trug, Täuschung und Illusionen zum Narren halten.
  • Seelenstärke: Diese Kraft des Blutes verleiht dem, der sie anwendet, unglaubliche und übernatürliche Widerstandskraft gegen Schaden jeglicher Art.
  • Serpentis: Eine Kraft des Verderbens und der Korruption.
  • Stärke: Übernatürliche Kraft.
  • Tierhaftigkeit: Kommunikation mit und Kontrolle über die Tierwelt
  • Verdunklung: Der diese Gabe des Blutes beherrscht kann sich für andere unsichtbar machen, oder sogar wie ein ganz anderer aussehen, wenn er mag.

Zwar ist an ein paar Stellen, wie schon erwähnt, an den einzelnen Stufen und Fähigkeiten der Diszipline gefeilt worden (Und ich meine, wir haben es hier mit der dritten oder vierten neuen Version von Geschwindigkeit zu tun, aber das tut ja jetzt nix zur Sache…), aber es bleibt alles in allen bei den ikonischen Kräften, welche in den verschiedenen Medien dem Vampir zugesprochen worden sind. Alle Diszipline werden auf einer Skala von Eins bis Neun beschrieben, wobei die obersten Stufen den wenigsten Spielercharakteren zur Verfügung stehen werden, sondern irgendwelchen NSCs vorbehalten bleiben.
Daneben gibt es noch zwei Diszipline, welche etwas anders funktionieren als die oben genannten: Nekromantie und Thaumaturgie. Beides sind okkulte Kräfte, welche eine ganze Bandbreite von Effekten ermöglichen, aber dafür nicht so mächtig sein können wie andere Diszipline. Beide verteilen sich auf verschiedene Pfade und Rituale (Von denen es in diesem Buch eine ganze Reihe gibt) welche maximal bis Fünf gesteigert werden können. Damit entsprechen beide Kräfte der zugegebenermaßen überlegenen Versionen aus der Revised-Ära.

Kapitel Fünf wendet sich dann endlich den Regeln des Spiels zu, und diese sind auch weiterhin erfreulich kurz. Es wird natürlich wieder auf die sogenannte Goldene Regel eingegangen, welche umformuliert worden ist: Die Regeln sind das, was Sie daraus machen. Die eigentlichen Regeln sind denkbar einfach: der Spieler nimmt so viele Würfel in die Hand, wie die kombinierten Werte aus vom Spielleiter geforderten Attribut und Fertigkeit, und möchte möglichst viele Würfel haben, welche die vom Spielleiter angegebene Schwierigkeit zeigen (Oder besser), je mehr davon er hat desto besser.Die alte Patzerregel ist allerdings entschärft worden – während es früher so war das man in dem Moment patzte, in dem man mehr Einser gewürfelt hatte als Erfolge, ist es jetzt so das man erst dann wirklich patzt, wenn es keine Erfolge aber dafür Einser gibt. Damit wird das alte Phänomen gebannt, das man um so wahrscheinlicher Patzte, je besser man in etwas war. Es werden einige Beispiele und Komplikationen präsentiert, aber das wäre das Kernsystem. Ebenfalls mit dem Regelsystem setzt sich auch Kapitel Sechs auseinander, genauer, mit dessen Auswirkungen auf bestimmte Themen, wie dem Kampf (Und Heilung), der Jagd, oder anderen Dinge. Hier finden sich weitere Beispiele und Aufgaben, welche sich einem Untoten stellen können. Außerdem erfahren wir hier auch, wie Blutvorrat und Willenskraft im Spiel zum Einsatz kommen bzw. sich auch regenerieren lassen. Auch Geisteskrankheiten, Diablerie (Das Verschlingen der Seele eines anderen Vampirs), Raserei und mehr wird hier besprochen.

Das letzte Kapitel zum Thema Regeln, das Siebte, dreht sich um Fragen der Moral. Kainiten befinden sich ständig im Kampf zwischen ihren niedrigen Instinkten, dem Tier, und dem Menschen den sie einst waren. Um diesen inneren Konflikt darzustellen hat jeder Charakter einen Moralitätswert, entweder Menschlichkeit (Was bei den meisten Charakteren der Fall sein wird) oder einem der verschiedenen Pfaden der Tugend. Menschlichkeit ist dabei eine Skala dafür, wie sehr das Tier bzw. der innere Konflikt das Menschliche im Charakter aufgerieben hat – es ist schwer, täglich vom Blut der Lebenden trinken zu müssen, töten zu müssen, und nicht den Verstand zu verlieren und den Kontakt zu seiner Menschlichkeit zu verlieren. Einen Weg aus diesem Konflikt, aus dieser Spirale des Zerfalls, stellen die Pfade der Erleuchtung da, Philosophien, welche sich ältere Vampire ausgedacht haben um auch dann noch ein Bollwerk gegen das Tier im Inneren zu besitzen wenn sie völlig entmenschlicht sind – und man sollte sich keinen Illusionen hingeben, ein Charakter der einem solchen Pfad folgt ist auf psychologischer Ebene nicht mehr als menschlich zu bezeichnen. Dieses Kapitel stellt die verschiedenen Philosophien vor, und auch die Regelmechaniken um deren Auf und Ab zu kontrollieren.

Mit dem achten Kapitel wechseln wir dann ins dritte und letzte “Buch”, dem der Abwandlungen. Dieses Kapitel ist das obligatorische Spielleiterkapitel – also welche Art von Kampagnen und Abenteuer man mit Vampire: die Maskerade spielen kann und soll, wie man Stimmung aufbauen kann, welche Techniken nützlich sein können, und so weiter. Zugegeben, für diejenigen von uns, welche schon länger dabei sind, steht hier nichts wirklich neues im Text, aber es ist definitiv ein sehr brauchbarer Spielleiterratgeber, vor allem wenn man sich zum ersten Mal an ein Spiel wie Eines aus der Welt der Dunkelheit herantraut. Es spricht auch Dinge an, bei denen man sonst unter Umständen schnell vergessen könnte das man es mit Vampiren zu tun hat – den Blutdurst zum Beispiel, welcher ja einen Kainiten immer verfolgt. Eine gute Geschichte benötigt auch immer gute Antagonisten. Diese kann ein Spielleiter natürlich schnell mit den selben Regeln konstruieren, die auch den Spielern offen stehen, aber vielleicht möchte man ja auch mal jemanden auf die Spieler loslassen, der nicht unbedingt selbst ein Vampir ist. Hexenjäger zum Beispiel, Werwölfe, Steuerfahnder, oder schlimmeres. Dafür ist das neunte Kapitel zur Hand. Gerade wenn man selbst die entsprechenden Regel- und Quellenbücher nicht zur Hand hat, oder weder Zeit noch Muse hat um sich die entsprechende Arbeit zu machen ist dieses Kapitel eine große Hilfe, und wird sogar noch um ein Bestiarium abgerundet.

Das letzte reguläre Kapitel beschäftigt sich dann mit Blutlinien, Mutationen und Varianten der dreizehn Clans, welche die große Masse an Vampiren in der Welt der Dunkelheit ausmachen. Im Laufe der zwanzig Jahre seines Bestehens hat Vampire: die Maskerade eine sehr große Zahl von Blutlinien hervorgebracht, und da sich die Jubiläumsausgabe als Zusammenfassung möglichst vieler Elemente des Spiels versteht dürfen diese “kleinen Clans” natürlich nicht fehlen, wobei auch direkt gesagt wird das es dem Spielleiter offen steht zu entscheiden das er in seiner Runde keine Blutlinien erlauben möchte. Es wäre müssig, an dieser Stelle auch noch alle Blutlinien aufzuzählen, welche in dieses Werk eingegangen sind, zusammen mit ihren Disziplinen, aber es sind aus allen Phasen der Veröffentlichung welche dabei, inklusive den Dark Ages.

Den Abschluss des Bandes bildet der Anhang, an dem sich das Vor- und Nachteilsystem von Vampire: die Maskerade verbirgt. Dieses arbeitet mit den freien Zusatzpunkten die man während der Charaktererschaffung einsetzen kann, so das man sich mit Nachteilen weitere Punkte ererben kann, während Vorteile entsprechende Punkte kosten. Hierbei darf man maximal sieben Punkte an Nachteile erwerben, für Vorteile gibt es keine entsprechende Einschränkung. Wie bei den Disziplinen und Fertigkeiten auch ist hier an einigen Stellen an den Kosten und an den mechanischen Auswirkungen mancher Vor- und Nachteile geschraubt worden, ohne das System als solches zu verändern. Im Anhang finden sich auch die Regeln für Ghule wieder, Menschen, welche abhängig geworden sind von Vampirblut, und daraus auch gewisse Kräfte entwickeln. Es gibt sogar die Ghulfamilien, Clans in denen sich bestimmte Diszipline und Schwächen abhängig von deren Meistern vererbt haben. Den Abschluss bildet dann ein umfangreicher Index da.

Fazit:
Mit diesem Buch sollte einem der einflussreichsten Rollenspiele in der Geschichte des Hobbies ein Denkmal gesetzt werden. Das ist gelungen. Die Jubiläumsausgabe von Vampire: die Maskerade ist ein geradezu erschlagendes Werk sowohl von der Seitenzahl her als auch von der Bandbreite dessen, was innerhalb dieser Seiten erfasst worden ist. Mechanisch orientiert sich das Buch dabei ganz eindeutig an dem Regelstand, den wir alten Hasen noch von der Revised-Version bzw. von Dark Ages: Vampire her kennen, während von der Stimmung her sich eher an der Zeit der frühen 2nd Edition orientiert, als der Metaplot noch nicht sein schreckliches Haupt erhoben hatte. Zu meckern gibt es eigentlich nur wenig – das es mit dieser V20 keine großen Regeländerungen sondern bestenfalls Schönheitskorrekturen hätte jedem im Vorfeld wohl klar sein müssen. Das auch an den alten, zum Teil wirklich Haarsträubenden Begriffen aus den alten Übersetzungen festgehalten werden würde wohl leider auch – hier wäre es schön gewesen wenn Ulisses den Mut gehabt hätte um da eine korrektere und vielleicht auch zeitgenössischere Übersetzung dem ganzen angedeihen zu lassen.

Final muss man jedenfalls ganz klar sagen, wer schon im letzten Jahrhundert ein Fan dieser Spielreihe war, vielleicht sogar nach einem Ersatz für seine Bücher sucht weil diese vor lauter Gebrauch schon auseinander fallen, der kommt eigentlich nicht um dieses Buch drum herum, ebenso nicht ein Interesssent, der vielleicht damals noch nicht Teil des Hobbies war, und jetzt wissen möchte was denn so Großartig an diesem Rollenspiel war. Wer allerdings auf große Neuerung oder gar auf die Fortsetzung des Metaplots gehofft hat, dem sei empfohlen auf die an der GenCon angekündigten 4. Edition zu warten. Warum man das allerdings tun sollte ist zumindest diesem Rezensenten unklar.

Mit freundlicher Unterstützung in Form eines Rezensionsexemplars von der Ulisses-Spiele GmbH und dem F-Shop.

2 Trackbacks & Pingbacks

  1. Was für ein Ziegelstein! V20: Vampire die Maskerade Jubiläumsausgabe | Der Riesländer
  2. All I want for Christmas… | Neue Abenteuer

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen