Das Leben eines Gezeichneten – Teil 98

Rohals Versprechen - Teil 20

Ich stützte Leowulf so gut es ging auf dem Weg zurück zum Tempel, ließ ihn aber alleine laufen, als der Tempel in Sichtweite kam.
“Und was hat nun der Golem mit dem Archivar zu tun?” fragte Darken auf dem Weg.
Ich drehte mich zu Darken um. “Tja… entweder hat der Archivar den Golem erschaffen um uns davon abzuhalten ihre Hochwürden zu retten, oder jemand anderes hat den Golem erschaffen und den Archivar bloß benutzt. Es steht ja auch offen wer für die Gotongi gesorgt hat und wie viel jener über das was wir hier zu tun haben weiß. Darüber reden sollten wir jedenfalls jetzt nicht mehr.” Jetzt wo meine Aufpassmöglichkeit wieder weg ist…
“Warten wir bis zum Tempel…denn reden sollten wir darüber sehr wohl, Magister”. Darken nickte bedächtig. “Und die seltsamen Geschehnisse im
Stadtarchiv werden auch noch ein paar andere Leute interessieren.”
“Mit Sicherheit, aber sicher sind wir nie. Auch ein Dämon kann einen Tempel betreten. Glaubt da mal nicht an die Lügen, welche euch die Geweihten, “ich wand mich zu Leowulf und der Hochgeweihten um, ” nicht persönlich nehmen,” und dann wieder zu Darken zurück, “erzählen. Diese hier vielleicht nicht, aber andere schon. Und auch damit müssen wir rechnen.”
“Nun, wir werden kaum umhin kommen, gewisse Dinge zu besprechen”, erwiderte Darken, “selbst wenn die Wände Ohren haben. Aber ich gehe doch davon aus, dass ein Experte wie ihr die Anwesenheit jenseitiger Lauscher erkennen kann”. Er lächelte. “Das habt ihr in der Gasse vorhin ja hinreichend unter Beweis gestellt. Also, haltet die Augen offen, oder was immer ihr benutzt, um dem Gezücht auf die Spur zu kommen.”\\
“Ich habe mich anderweltlicher …Möglichkeiten bedient um sie zu finden… seit euch da also nicht zu sicher,” erwiderte ich.
“Und jetzt lasst uns rein gehen.” Ich deutete auf das nur noch wenige Schritt entfernte Hauptportal.
“Das, werter Magister Zeel”, schmunzelte Darken, “habe ich mir gedacht. Gut, gehen wir.” Darken warf einen besorgten Blick auf Leowulf.
Am Tempel angekommen, stürmte schon eine besorgte Gwiduhanna heraus, und half dabei die Hochgeweihte namens Junivera zu stützen und in den Tempel zu tragen.
Sofort wurden Binden und Bandagen für die Verletzungen der beiden Geweihten besorgt.
Ich ließ mich auf einen der Bänke im Raum fallen und schaut zu den anderen noch stehenden auf. “Und nun? Sind wir irgendwie weiter gekommen? Außer das wir jetzt wissen, dass ein durchaus nicht schlechter Dämonenbeschwörer und ein wirklich guter Golembauer hinter uns her ist?”
Baduin setzte sich vor der Bank ins Gras.
“Da hast du wohl recht. Wir haben nichts außer dieser Erkenntnis. Die uns, sofern der Kelch tatsächlich in der Dämonenbrache ist, auch nicht sonderlich hilfreich ist.”
Nachdenklich ließ er den Rest seines Körpers aufs Gras fallen. Dabei verschränkte er seine Arme unter dem Kopf und schaute in den Sternenhimmel.
“Aber diese Junivera scheint viel zu wissen, wieso sonst sollte man sie gefangen nehmen?”
Ich folgte dem Blick in den Himmel und antwortete: “Es reicht ja auch wenn es uns davon abhält etwas zu erledigen, nicht? So dass andere mehr Zeit für was auch immer haben könnten… aber hoffen wir einfach mal, dass deine Variante stimmt.”
“Nun, ich hoffe, Hochwürden kann uns mit weiteren Informationen versorgen.” Darken wog bedächtig den Kopf. “Die Dämonenbrache ist zu groß und zu gefährlich, um sie auf gut Glück zu durchstreifen, also sollten wir zumindest ein ungefähres Ziel haben.”
“Da habt ihr wohl recht. Und ich hoffe, dass das Gesuchte dort überhaupt irgendwo zu finden ist und nicht einfach bloß ein Gerücht.” Ich wandte den Blick wieder vom Himmel ab und dem dereischeren Geschehen zu, auch wenn das zur Zeit aus sitzenden Personen bestand.
“Ah…” entfuhr es mir leise, als plötzlich ein übergroßer Ikanaria an uns vorbei flog, bevor ich aufstand und ein bisschen in Richtung Schmetterling lief.
Der Schmetterling tanzte um mich herum glitt auf den im Gras liegenden Odeus zu, schwebte einen Reigen um ihn herum und glitt dann Richtung Westen davon.
“Folgt, folgt.”
Na toll… Ich ließ etwas den Kopf hängen und warf dann eine Blick über meine Schulter auf die anderen, ob sie überhaupt etwas davon mitbekommen hatten.
“Folgt seinen Wurzeln.”
“Wie!?” rief ich etwas lauter als beabsichtigt. “Wessen Wurzeln?”
Der Schmetterling tanzte weiter in Richtung Reichsresidenz und verschwand dann am Horizont.
Ich schaute mich nochmals nach den anderen um. Haben die überhaupt was davon gesehen? Ist hier überhaupt wer geistig da außer mir? Generell… irgendwie… zweifle ich da manchmal dran… “Hmm… Hallo?… Also .. ihr kommt hier sicher alleine klar, oder? Sicherlich… ich… äh… ach egal.” Dann drehte ich mich um und ging langsam in Richtung Ausgang.
Darken stand verwundert da und blickte nach Westen, auf die nächste Wand, als er mich sprechen hörte. “Magister Zeel? Was habt ihr? Wohin geht ihr?”
Ahha! Doch nicht nur so… Ich drehte mich wieder um. “Er war da…ja? Und ihr habt das auch gehört, oder?”
“Ganz klar gesehen und gehört, aber wieso geht ihr nun?” Darken runzelte die Stirn. “Wisst ihr, was die Worte bedeuten?”
Ich schüttelte den Kopf. “Leider nicht. Wollt ihr mich begleiten?”
Darken ging einige Schritt auf mich zu. “Wenn ihr mir verraten wollt, wohin? Wollt ihr dem Schmetterling folgen?”
Ich nickte mehr leicht. “Vielleicht…? Mal sehen…”
Darken schaute mich noch etwas verwirrter an, nickt aber. “Gebt mir einen Moment Zeit.” Er ging rasch zu Odius hinüber und sagte leise zu ihm: “Ich gehe mit dem Magister…es ist besser, wenn er nicht alleine geht.” Dann wand er sich zum Ausgang und nickt mir zu. “Gehen wir.”
Hast du es vielleicht doch nicht gehört, hmm? Ich warf einen sehr misstrauischen Blick auf die beiden anderen, blieb aber abwartetend stehen.
Darken erreichte den Ausgang. “Nun, Magister, geht voran.”

Westen. Da war jedoch zunächst außer einem Stück Stadtmauer nichts zu sehen und auch nachdem wir den Umweg durch das südliche Tor zur anderen Seite der Mauer genommen hatten, war dort nichts zu finden, so dass wir schon wieder umdrehen wollten, als plötzlich Blätterrauschen hörbar war. An sich nichts ungewöhnliches… ohne Bäume allerdings schon. Es war aber für uns nicht zu orten, so dass wir dann doch, in meinem Fall leicht genervt, zurück zum Tempel gingen.
Dort hatte man Leo in eine Art Krankensaal gebracht in dem er am großen Südfenster saß und das Madamal anstarrte. Kurz nach uns betrat die inzwischen ebenfalls verbundene Hochgeweihte den Raum und hielt uns ein Schriftstück vor die Nase. Das hätte sie eigentlich im Archiv vorbei bringen sollen, aber sich dann doch nicht ganz getraut es dem Kerl zu überlassen. Allerdings standen keine neuen Informationen darauf, so dass es eigentlich wertlos war. Aber sie meinte, dass wir dem Weg der Herrin zum Grab folgen können. Was das sei, wollte sie dann morgen erläutern. Ts. Weg der Herrin. Also wirklich. Ich verabschiedete mich um mir einen angenehmeren Schlafplatz zu suchen.
Man nahm mich tatsächlich recht freundlich an der Akademie auf. Hätte ich gar nicht erwartet, aber nachdem der Eleve herausgefunden hatte wer ich war, wurde sogar ihre Spektabilität persönlich geweckt und wies mich darauf hin sie morgens in der Bibliothek zu treffen. Das Zimmer das sie mir gaben war angemessen und so lauschte ich den Rest der Nacht den fernen Geräuschen der Akademie.

10 Rondra
Pünktlich zur fünften Stunde wurde ich durch einen weiteren Eleven in die große Bibliothek gebracht in der schon ihre Spektabilität auf mich wartete und mir doch zu meiner noch größeren Überraschung auch Zugang zu den verboteten Bänden – leider unter Aufsicht – gewährte. Aber sie enthielten keine weiteren Informationen über den genauen Ort von Hlutars Grab, und da ich auch nicht zu genau fragen wollte, denn man konnte ja nie wissen, musste ich wohl damit vorlieb nehmen. Auch die normalen Bücher und die rein derischen Geschichtsbücher enthielten nichts nützliches und nachdem ich mich schon entschlossen hatte zu gehen, zeigte sie mir zwei andere Schriftstücke, die zwar nicht viel weiter halfen, aber trotzdem merkwürdigerweise so von ihr selbst erwähnt wurden. Und dann wollte sie mir noch ein Buch geben, über Dämonen und so… Aber leider hatte es wohl jemand gestern Nacht aus dem Sicherheitsraum entwendet ohne Spuren zu hinterlassen, die sie hatte auf die schnelle finden können. Sehr merkwürdig. Hoffentlich hatte nich ich es unbewusst entwendet.\\
Zurück im Rondratempel erzählte Darken, dass sie im Hesindetempel den Hochgeweihten gesprochen hatten, der uns mit dem Archivar in einer Vision gesehen hätte. Und irgendetwas von einem Baum in der neuen Residenz was mir aber nicht sonderlich viel sagte. Zurück am Rondratempel bat uns Hochgeweihte Junivera das wir uns in das  ‘ich bin so mutig und geh in die Brache’ Buch einzutragen und überreichte Leowulf ein Löwenamulett. Das sollte uns führen. Großartig.
Wir verließen also den Tempel und begaben uns in Richtung neuer Residenz wegen dieser Visionsgeschichte. Dort tauchte auch wieder dieser Schmetterling – Darken hatten uns glücklicherweise ohne Probleme auf das Gelände bekommen – auf und führte uns zu einer recht großen Blutulme, welche mitten auf einer Freifläche im Garten stand und flog dann mehrmals um den Stamm um schließlich in der Krone zu verschwinden. Da mir das irgendwie alles hier zu lange dauerte, fragte ich einfach auf gut Glück mal in Richtung Baum, aber es kam zu keiner Reaktion. Dann, als ich schon wieder umdrehen wollte, fielen jede Menge andere Schmetterlinge aus den Blättern herab und umschwirrten uns, nur um dann ebenso plötzlich wieder bis auf den einen zu verschwinden.
Und dann begann auch der Baum – ich hattes ja gewusst! – zu sprechen. Er oder besser sie würde auf der Mitte Aventuriens stehen, aber immer mehr von der Brache bedrängt, die sogar ab und an jemanden schickte um ihr Äste abzuschneiden. Auf die Frage ob sie denn wüsste wo das Grab wäre, antwortete sie mit einer kryptischen Baumlänge mit der wir natürlich rein gar nichts anfangen konnten. Aber immerhin überließ sie uns dann drei Tropfen ihres Harzes.
Darken holte noch etwas Proviant aus der neuen Residenz und wir liefen los in Richtung Brache. Ziemlich genau nach Süden. Und ich war mir auch ziemlich sicher, dass wir diese Richtung sehr schnell verlieren würden, da schon nach wenigen Augenblicken im Wald, dieser einem jegliches Gefühl für Richtung nahm. Ständig ertönten Schritte von irgendwo und dann sah ich plötzlich vor uns jede Menge Augen auftauchen, die sich dann aber eines nach dem anderen wieder schloßen und von den anderen überhaupt nicht wahrgenommen worden waren.
Etwa zwei Stunden später – wir hatten schon vor einiger Zeit immer mal wieder ein merkwürdig irres Kichern gehört – erreichten wir eine Art Baum, den Ranken umwunden hatten, die einen Rondrageweihten in ihrer Mitte umschlungen hielten, der wirr lachte und vor sich hin brabbelte. Ich trat näher heran und musste feststellen, dass die Ranken mit Dornen in ihm hingen. Neugierig berührte ich einen der Dornen mit meiner Hand und als keine Reaktion kam, versuchte ich es mit mehr Druck. Der folgenden Reaktion konnte ich glücklicherweise ausweichen – die Rank versuchte nähmlich mich ebenfalls zu greifen – und ich empfahl Darken und Leowulf, welche den Geweihten wohl retten wollten, jenem einfach den Kopf abzutrennen.
Dann erst wurde ich auf das Kind aufmerksam, dass schon eine gewisse Weile mit dem Dieb gesprochen haben muss. Ich ging ein paar Schritte in Richtung der beiden, aber inzwischen vorsichtig, wirkte ich einen Odem und einen Analys hinterher um dann festzustellen, dass es sich um einen Dämonoiden handeln musste und keinesfalls um ein Kind, dass sich hier verirrt hatte. Vielleicht hatte es sich tatsächlich irgendwann mal hier verirrt, war aber inzwischen vom Wald aufgenommen worden. Ich teilte meine Erkenntnis mit und darauf hin sprang das Kind dem Dieb an die Kehle um sich dort zu verbeißen. Ich zog mein Bannschwert und begann darauf einzuschlagen, ebenso wie der Dieb versuchte es loszuwerden. Irgendwann fiel es dann wie tot zu Boden, versuchte aber wieder mich anzugreifen nachdem ich einige Schritte in seine Richtung getan hatte. Zum Glück erwischte es mich nicht und wir konnten es letzlich erschlagen.
Inzwischen hatten Leowulf und Darken versucht den Rondrageweihten zu befreien und einer der Schlingpflanzenfortsätze hatte sich um Darkens Arm gewickelt, so dass er sich redlich bemühte ihn durch herausreißen wieder los zu werden. Ich nahm eines der kleineren zu Boden gefallenen Stück auf und legte es auf meinen Arm, in dem es direkt Wurzeln schlug und meinen Arm umschlang. Dann wirkte ich einen Paralysis auf ihn um ihn zu konservieren für spätere Untersuchungen. Wer weiß was man mit lebenskraftenziehenden, aber wohl auch -spendenden Pflanzen alles machen kann. Hoffentlich gelang es mir sie heile aus dem Wald zu holen.\\
Nachdem Leowulf dann endlich den Geweihten doch erschlagen hatte, liefen wir also weiter bis es zu dämmern begann und wählten uns dann einen Lagerplatz an dem wir es uns ein bisschen gemütlich machten – sofern man in der Dämonenbrache von gemütlich sprechen kann. Das Dämonoidenkind welches wir getötet hatten musste giftig gewesen sein, denn unser Dieb konnte sich die komplette Haut vom Arm abziehen und eine entsprechende Untersuchung meinerseits zeigte eindeutig dämonisch an. Aber wie man das wieder herausbekommen könnte wusste ich auch nicht. Dann begann zu allem Überfluss Darken auch noch an Halluzinationen zu leiden, und meinte mich angreifen zu müssen. Leo hielt ihn von Sachen ab, die er hinterher bereuen würde und er wendete sich dem Odius zu, der noch immer an seinem Arm herumkrazte. Leo überlegte ob er es mit einem Exorzisimus bei ihm versuchen wollte – wer er war, also ob Darken oder Odius, ließ er offen, aber meinte dann, dass das zu anstrengend wäre. In dem ganzen Chaos war dann auch obskurerweise noch ein Spiegelbild meiner selbst erschienen, dass zwar von allen als jenes erkannt wurde, aber dennoch äußerst irritierend war. Immerhin hatte es einen Vorschlag um Odius zu helfen – mit einem Gardianum den Dämon herausschieben. Funktionierte wunderbar – was mich irgendwie dazu brachte darüber nachzudenken, dass das alles nicht real war, denn so funktioniert das nicht. Kann überhaupt nicht so klappen! Aber anscheinend ging es ihm nachher – Leo und Darken hatten ihn am Boden gehalten, weil das wohl sehr weh tat – wirklich besser.
Dann allerdings wendeten sie sich meinem Doppelgänger zu und inzwischen hatte er sich so an mein Verhalten angeglichen, dass sie offensichtlich nicht mehr unterscheiden konnten, wer echt war. Leowulf hatte sich inzwischen daran gemacht und Schutzkreise um das Lager gezogen, und die Pflanze war aus ihrer Starre erwacht und reagierte entsprechend ärgerlich auf die Maßnahmen – sie entzog mir schlicht jenes was sie an Leben durch den Kreis verlor. Glücklicherweise bemerkte es Leowulf und riß mir die Pflanze aus dem Arm und mit ihr löste sich auch der Doppelgänger in kleine Krümel auf. Wie halb betäubt legten wir uns zum schlafen hin, aber ich konnte wie immer keine Ruhe finden und als dann auch noch Geister aus der Dämonenschlacht um unser Lager wallten, betrachtete ich sie mir mit einer nur verständlichen Leere in meinem Kopf.

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