Robinson Crusoe
Ein weiteres Koop Spiel
Kooperative Brettspiele sind in den letzten Jahren gerade auch für Rollenspieler immer populärer geworden. Mit Pandemie oder auch der aktuellen Heitz-Romanumsetzung „Die Zwerge“ sind allein in den letzten Jahren zwei größere Koop-Spiele bei Pegasus verlegt worden. Zur letzten Spiel hat nun auch der ebenfalls Rollenspielaffine polnische Verlag „Portal“ mit „Robinson Crusoe“ nachgelegt.
Robinson Crusoe ist ein „reines“ Koop-Spiel das wie der Name schon verrät an die Robionson Crusoe Geschichte angelehnt ist. „Rein“ meint dabei, dass es keinen Abtrünnigen (Maulwürfe) Spieler gibt und keinerlei Konkurrenz zwischen den Spielern besteht. Entweder gewinnen alle, oder niemand. Angelehnt meint, dass das Spiel zwar das Überleben auf einer einsamen Insel thematisiert aber bis auf wenige Anspielungen kaum Anleihen beim Roman macht. Koop-Spiele sind immer eine eigene Sache, aber auch wer diesen Spielen gegenüber eher abgeneigt ist, sollte meines Erachtens einen prüfenden Blick in Richtung Crusoe werfen. Das Spiel geht nämlich in eine deutlich andere Richtung als andere Vertreter. Während Pandemie und die Zwerge oder auch kleinere Koop-Kartenspiele wie das 40K-Spiel „Todesengel“ Ihren Fokus auf Taktik legen, hat Robinson Crusoe sein Augenmerk auf der inhaltlichen/abenteuerliche Seite. Zwar spielt Taktik in Puncto Ressourcenverwaltung eine nicht zu unterschätzende Rolle, aber der Schwerpunkt liegt beim Erkunden und Entdecken der Insel und dem Reagieren auf Herausforderungen. Überleben Die Spieler schlüpfen in die Rolle von bis zu 4 Charakteren die auf einer einsamen Insel gestrandet sind. Koch, Soldat, Abenteurer und Ingenieur (jeweils mit einer männlichen und einer weiblichen Illustration) stehen erst einmal vor dem Problem zu Überleben. Dazu gilt es zunächst für genügend Nahrung zu sorgen, was durch Sammeln oder das Jagen von Tieren erledigt wird. Um sammeln oder jagen zu können müssen jedoch erst weitere Inselteile erkundet werden (Expedition). Ist so eine Grundversorgung an Ressourcen gewährleistet geht es daran eine (befestigte) Hütte zu errichten, sich für weitere Jagden zu bewaffnen und Werkzeuge und Hilfsmittel zu bauen. Damit sind auch die drei grundlegenden Hauptaktionen umrissen: Sammeln, Erkunden, Bauen.
Spielablauf
Robinson Crusoe ist kein taktisches Kooperationsspiel in dem die oben genannten drei Aktionen geschickt ausgeführt werden müssen, sondern konfrontiert die Spieler mit wesentlich mehr. So beginnt jede Runde mit einem Ereignis. Das Camp wird beispielsweise beschädigt, Ressourcen sind verbraucht, ein Sturm zieht auf oder wilde Tiere nähern sich. Diese Effekte stellen die Spieler nicht nur vor schwere Situationen sondern zwingen sie auch zu handeln. Werden die Ereignisse nicht „abgearbeitet“ indem sich der Gefahr gestellt wurde – also z.B. die Folgen
eines Hurrikans beseitigt wurden – tritt nach einiger Zeit ein weiterer negativer Effekt ein…
Aber auch damit nicht genug, nachdem die Situation sich durch solch ein Ereignis verschärft hat muss die Moral der Truppe geprüft werden, was entweder Motivation für den (jede Runde
wechselnden) Anführer bedeutet, oder ihn demotiviert. Danach heißt es sich den Problemen stellen. In der Hauptphase darf gesammelt, erkundet und gebastelt werden. Auch das Lager
aufräumen (erhöht die Gesamtmoral), das Ausruhen (regeneriert meine Gesundheit), das Beheben obiger Ereignisse oder das Jagen stehen auf dem Plan. Dazu hat jeder Spieler zwei Aktionen die er frei verteilen kann. Das Ganze läuft gleichzeitig und verhältnismäßig schnell ab. Gelungen ist dabei, dass jeder Charakter zwei Handlungen durchführen kann und es oft die Entscheidungsmöglichkeit gibt eine oder zwei Aktionen aufzuwenden, bei denen sich die Spieler auch gegenseitig helfen können. Dies gilt besonders für die drei Hauptaktionen (also Bauen, Sammeln, Erkunden). Wenden die Spieler zwei Aktionen auf, bedeutet das einen automatischen Erfolg, beeilen sie sich und nutzen nur eine Aktion, wird gewürfelt. Je Aktionstypus gibt es dabei je 3 verschiedene Würfel, die entscheiden ob die Aktion ein Erfolg war, der Charakter sich dabei verletzt hat und ob es ein besonderes Ereignis gab. Beim Handwerken ist dabei z.B. die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung recht groß, während das gefahrlosere Erkunden häufig Ereignisse erzeugt. Für letztere hat jedes der drei Ereignisse einen eigenen Kartenstapel der mögliche Komplikationen oder (selten) positive Effekte enthält. So mag ein Werkzeug auf den ersten Blick funktioniert haben aber später zerstört werden, kann man beim Sammeln Raubbau betreiben und sich der Gefahr aussetzen das eine Ressource später zerstört wird etc. Ein netter Effekt ist dabei, das sich Ereignisse auf diese Weise andeuten können. Während beim ersten Aufdecken ein sofortiger Effekt eintritt werden viele Karten in den allgemeinen Ereignisstapel eingemischt wo sie später einen Folgeeffekt auslösen können.
Wurden alle Aktionen zugeteilt und abgewickelt schreitet der Tag voran. Die Spieler müssen sich ggf. Witterungsunruhen stellen (wozu sie eine gute Hütte oder zumindest Feuerholz und extra volle Mägen brauchen) und am Ende des Tages ein Dach über dem Kopf haben sowie eine Mahlzeit zu sich nehmen. Ansonsten verlieren die Charaktere Lebenspunkte, was konsequenter Weise zum Tod und somit Verlieren des Spiels führen kann. Zusammengefasst bedeutet das spielerisch, dass die Charaktere am Anfang der Runde (morgens) eine Aufgabe erhalten, den Tag über Vorbereitungen für die Nacht treffen und am Ende des Tages hoffen, dass sie gut geplant haben. Dies verläuft etwa wie oben beschrieben und enthält viele kleine Abwägungen. Kann ein Ereignis ignoriert werden und der negative Effekt akzeptiert werden? Werden alle Aktionen erfolgreich sein? Wird man beim Entdecken der Insel genug Nahrung finden? Wie wird das Wetter? Haben wir am Ende des Tages das Dach hoch genug oder müssen wir mehr Nahrung sammeln? Dabei sind schließlich Zufall und Chancenabwägung die zentralen Fragen.
Inhaltliches
Dennoch unterscheidet sich Robinson Crusoe deutlich von einem eher taktischen Koop-Spiel wie Pandemie durch die ständig verschiedenen konkreten Bedingungen und Herausforderung. Das Spiel hat einen starken Inhaltsbezug und eine Vielzahl möglicher und nur bedingt voraussehbarer Ereignisse. Dies zeigt sich vor allen Dingen durch die extrem hohe Breite an Ereigniskarten. Obwohl je Spiel nur etwa 12 allgemeine Ereignisse und etwa 5-10 Karten der jeweiligen Aktions-Ereignisstapel genutzt werden, bestehen alle Stapel aus deutlich mehr Karten. Ca. 70 allgemeine Ereigniskarten und je ca. 30 Ereigniskarten führen dazu, dass man auch nach vielen Spielen nicht alle Karten kennt, geschweige denn bestimmte Karten erwartet. Zwar wiederholen sich gewisse Effekte, aber die inhaltliche Begründung und veränderte Details führen doch zu deutlich anderen Spielerlebnissen. Hinzu tritt der wohl größte Wiederspieleffekt: Verschiedene Szenarios.
Während das Grundprinzip des Überlebens gleichbleibt, verändern die 6 mitgelieferten Szenarios die Siegesbedingungen und Voraussetzungen massiv. So fordert das Grundszenario
lediglich das Errichten eines Signalfeuers und hilft den Spielern mit Zusatzressourcen und anderem Werkzeug, straft sie dafür mit harten Wetterbedingungen. Andere Szenarios gehen da (teils makaber und ironisch) deutlich weiter. In „Cursed Island“ haben wir als Exorzisten nichts besseres zu tun als Kreuze zum Zeichen des siegreichen Christentums zu errichten oder
müssen wir in „Cannibal Island“ politisch fragwürdig Kannibalendörfer auslöschen. Lustiger ist da das Indiana-Jones Abenteuer, bei dem wir vor einem ausbrechenden Vulkan fliehen und dabei noch möglichst viele Tempel durchsuchen müssen. Weitaus friedlicher ist zuletzt „Robinson Family“ wo wir uns mit unserer misslichen Lage abfinden und kurzum eine Dynastie auf der Insel gründen wollen…
All die Szenarios variieren dabei sehr stark. Wie erwähnt können wir weitere Werkzeuge bauen aber auch beim Erkunden der Insel andere Dinge finden und es werden zusätzliche Ereignisse ausgelöst. In den meisten Szenarios können zudem „Mystery Cards“ gefunden werden, die sich meist in Tempeln verstecken und Schätze, Fallen und Monster enthalten. Hier gilt mehr noch als vorher, das auf relativ wenige genutzte Karten eine Unmenge an möglichen Karten kommt. So nutzt man je nach Szenario 5-20 „Mystery Cards“, hat davon aber etwa 80 mögliche zur Auswahl…
Macken und Möglichkeiten
Eine erste Problematik dürfte sich schon in der Unstrukturiertheit der Rezension gezeigt haben, Robinson Crusoe überfordert auf den ersten Blick. Die verschiedenen Regelmechanismen könnten angerissen werden, sind aber verzahnt und schwer zusammenzufassen, die Szenarios, zahlreichen Werkzeuge, Charaktereigenschaften, das Moralsystem etc. sind gut entworfene und interessante Mechanismen, die man aber schwer zusammenfassen kann. Und genau das misslingt auch leider dem Regelwerk. Zwar ist das Spiel verständlich, aber es braucht doch einige Zeit (und das FAQ) bis man wirklich jede Regel (und die Spielgrammatik) verstanden hat. Das schmerzt jedoch weniger als bei Wettstreit spielen, da man alle Regeln und Fragen gemeinsam diskutieren kann ohne ins Hintertreffen zu geraten. Etwas zweischneidig ist auch die Intensität mit der das Spiel Zufall und Karten nutzt. Zwar ist die Vielzahl der Karten und Möglichkeiten ansprechend und ermöglicht ein ungemein tiefes und extrem wiederspielbares Spielgefühl, führt aber gleichzeitig zu einigen Schwächen im Spielgleichgewicht und zu nicht immer einfach zu lösenden Verzahnungen. Gerade das „Balancing“ ist dabei eine Macke, die aber wiederum durch den Koop-Charakter gemildert wird. Man spielt ja nicht fair gegeneinander, sondern zusammen gegen die Insel…
Fazit
Robinson Crusoe ist eines meiner Lieblingsspiele, egal ob Kooperativ oder Kompetitiv. Es eermittelt mir das Gefühl von „entdecken“, stellt mich vor taktische Herausforderungen ohne zu trocken zu werden und das Flair ist wunderbar eingefangen. Die noch nicht erwähnte Aufmachung und Ausstattung (das Spielbrett verdient höchstes Lob für die ansehnliche und praktische Gestaltung) ist sehr gelungen. Und besonders der Wiederspielwert ist mit 6 Szenarios (und bereits einem Zusatzszenario im Internet), und außerordentlich vielen Ereignissen und kleineren Anpassungsmöglichkeiten ungewohnt hoch.
Dagegen steht einzig die recht hohe Einstiegskomplexität und das leider etwas suboptimale Regelbuch. Wer aber bereit ist sich in die Regeln einzudenken, etwa zwei Stunden Spielzeit
verkraften kann und bereit ist die ca. 50€ zu investieren bekommt ein Spiel das immer wieder zu fesseln weiß und Kooperationsspiele auf eine ganz andere Ebene hebt. Ein klassisches und „großes“ intensives Spiel für einen ruhigen Abend…
Anmerkung der Redaktion: Das Spiel wird vorrausichtlich im Sommer bei Pegasus Spiele erscheinen.
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