Namenlose Nacht – Orgien in den Thermen
Abenteuer 203
Da ist es. Das erste Ab 18 Abenteuer für DSA, das von so manchem als Hoax und dann als lang vorbereiteter Aprilscherz abgetan wurde und schon im Vorfeld ob der Sex Thematik für einiges an Diskussionsstoff gesorgt hat. Gedacht ist das ganze für ein Spiel der Jahreswende 1036/1037BF, kann aber auch in einem anderen Jahr stattfinden, da der Schauplatz sehr begrenzt und die Handlung relativ unabhängig vom Rest des Metaplots ist. Die Schwierigkeit für den Spielleiter ist mittel, für die Spieler mittel und die Helden sollten erfahren sein und eigentlich alles mitbringen was es so normalerweise gibt, allen voran Interaktion.
[Diese Rezension ist für SpielLEITER gedacht und enthält dementsprechend Informationen über den gesamten Plot, damit dieser sich vollstens bewusst ist, auf was er sich und seine Gruppe einlässt. SPIELER sollten diese Rezension nur lesen, wenn sie kein Problem damit haben, den Plot dann im Voraus zu kennen]
Der Band besteht im Grunde aus vier Teilen was das Abenteuer selbst betrifft, plus einigem an Anhang. Im Vorfeld wird für den zukünftigen Spielleiter das Abenteuer einmal kurz erklärt, also zunächst auf die Hintergründe eingegangen und dann auf das was noch kommen wird, wie es inzwischen üblich ist bei den Abenteuern.
Die Jahreswendorgie
Die Helden werden vom Hotelier Korninger um Hilfe gebeten. Seine Tochter ist nämlich seit einigen Tagen verschwunden und er glaubt nicht daran das diese weggelaufen sein könnte. Doch eine Lösegeldforderung hat er auch nicht erhalten, wohl aber einen kleine Brief in dem ihm mitgeteilt wurde, dass es Hinweise zu ihrem Verbleib gibt. Diese Hinweise sollen auf der schon seid Jahren zum Jahreswechsel stattfindenden Orgie, zu der eine Menge einflussreiche Bürger der Stadt geladen werden, übergeben werden. Doch Korninger ist sehr traviatreu und mag sich gar nicht ausmalen was da alles passieren kann. Deshalb bittet er die Helden ihn doch zu begleiten und auf ihn acht zu geben, sowie natürlich auch Hinweisen nach zu gehen. Gesagt, getan müssen allerdings die Helden noch passend eingekleidet werden. Denn dort hin geht jeder im Kostüm.
Ist alles soweit vorbereitet, geht es zu den Thermen. Dort müssen die Helden ihre Waffen am Eingang hinterlegen und in ihre Kostüme schlüpfen, bevor die frivole Aura der Orgie betreten werden kann.
Auf der Feier selbst gibt es einiges zu erleben. So können die Helden natürlich – so sie von der Seite ihres Auftraggebers weichen möchten – die Feierlichkeiten selbst ausprobieren, aber auch schon den einen oder anderen Hinweis auf die Entführung aufschnappen. Und dann gibt es da noch die anderen Plotstränge, die auf dieser Feier kumulieren werden und von denen ebenfalls schon Andeutungen auf-geschnappt werden können: So sucht eine Hexe nach einem Mörder ihrer Schwestern, der Veranstalter der Feier nach neuen Kultisten für seinen Herrn den Namenlosen und Kaiser Bardo nach der ewigen Jugend.
Dieses Kapitel ist das umfassendste der vier Teile des Abenteuers und bringt nicht nur die Einführung in die ganze Szenerie, sondern auch viele, viele Szenen, die der Spielleiter erzählen kann, aber nicht muss. So wird zunächst relativ linear der Einstieg ins Abenteuer und dann in die Thermen beschreiben – hier gibt es ja auch wenig Möglichkeiten für Abweichungen und dann eben jene gefühlt riesige Sammlung an Szenen geliefert. Eine Beschreibung der Räumlichkeiten ist übrigens nicht hier zu finden, sondern hat ein ganzes Kapitel im Anhang – wie übrigens auch die NSCs. Die Szenen selbst sind eingeteilt in notwendig und optional. Das erklärt sich irgendwo von selbst. In welcher Reihenfolge diese Szenen jedoch auftreten ist völlig der Gruppe überlassen und somit ist dieser Teil natürlich eine Sandbox mit vorgefertigten Ereignissen. Für den Fall, dass diese nicht reichen sollten gibt es auch noch jede Menge Zufallsereignisse. Die Handlung dieses Kapitels hat ihren Abschluss aber auf jeden Fall mit dem Ereignis um Mitternacht. Die Chance, dass die Helden dort sein werden ist groß, denn sie hängt direkt mit dem Auftrag zusammen, aber auch falls sie es irgendwie nicht schaffen dort zu sein, oder diesen Teil des Plots schon gelöst haben, gibt das Abenteuer Hilfen, wie man den Rest dennoch spannend und fast wie geplant umsetzen kann.
Das Grauen nach Mitternacht
Nach dem die Helden in der Grotte Informationen über den fiesen Mädchendieb erhalten haben, können sie dieser Spur nachgehen und tatsächlich die Tochter des Hoteliers finden und hoffentlich auch befreien. Doch das ist leider nicht mehr das einzige Problem der Helden. Irgendetwas sorgt dafür, dass einige Anwesende und unter denen auch die Helden von einer seltsamen Alterung betroffen sind, die sie regelmäßig um etliche Jahre altern lässt und bald den einen oder anderen dahin raffen wird. Und zu allem Überfluss ist auch noch ein Mord geschehen. Und dann ein zweiter und ein dritter und die Helden müssen sich nun auch noch um den Vampir kümmern, der wie rasend über die Gäste der Orgie her zu fallen beginnt.
Hier handelt es sich um den zweiten großen Teil des Abenteuers, der die meisten Ereignisse nach Mitternacht erzählt. Auch hier gibt es wieder Szenen für den Spielleiter, die unterteilt sind in notwendig und optional. Zudem wird das „Altern“ der Charaktere und NSCs hier in Regeln gefasst und auch darauf eingegangen wie man am Spieltisch damit umgehen sollte.
Die Suche und Jagd des Vampirs ist hier der zentrale Bestandtteil und dementsprechend ist diesem viel Platz gegeben worden. Er sorgt hier neben den Alterungen für den Horror bei den Spielern, wenn zusehends Leichen gefunden werden und diese unter Umständen auch noch neue Vampire sind. Wie es sein sollte geht das Abenteuer natürlich darauf ein was mit den restlichen Besuchern ist und wie diese sich verhalten, wenn die Helden an sie heran treten. Somit ist auch dieser Teil eine Sandbox, die eben auf dem aufbaut was vorher war und optimalerweise mit dem Tod des Vampirs endet – aber auch nicht muss, auch hier gibt das Abenteuer Möglichkeiten.
Hexenknoten
Nachdem einige der Gäste von der Feier fliehen wollen und diese festgestellt haben, dass draußen die Welt untergegangen sein muss, werden die Helden zu Hilfe gebeten (oder sehen einfach so nach dem Rechten). Damit der Vampir das Gelände nicht verlässt, hat die Hexe einen Hexenknoten mit gebracht und um das Gelände gelegt, der eine riesige Eismauer und Schneesturm vorgaukelt. Nun ist guter Rat teuer. Die Helden altern und sind mit einer Horde betrunkener und bekiffter Garether Bürger in einer Therme und kommt nicht raus. Doch vielleicht lässt sich ja doch Hilfe von außen holen?
Dieser Teil ist eher kurz gehalten und erklärt den Grund für das closed room Szenario, welches dieses Abenteuer ist. Ein mächtiger Zauber, der eben alles drin hält, damit der Plot wenigstens halbwegs berechen- und vor allem planbar bleibt. Hier sieht man vorausschauende Abenteuerautoren am Werk. Vor allem wenn man dann weiter liest, dass eben doch die Möglichkeiten zur Überwindung da sind und natürlich von den Helden dies auch geschafft werden kann. Dann können sogar von außen Hilfe hinzu kommen, etwa in Form der Praioskirche, welche exemplarisch im kapitel erklärt ist – alle Möglichkeiten kann man auch schlecht aufführen.
Finale – Gib uns unsere Jahre zurück!
Neben der Sache mit dem Vampir bleibt immer noch das mit der unnatürlichen Alterung. Doch dazu müssen die Helden den Hinweisen folgen, die der ehemalige Baumeister damals ausgelegt hat, als ihm bewusst wurde, was genau er da kreiert. Zum Glück für die Helden ist der Geist des Baumeisters nach wie vor vor Ort und kann nötigenfalls Hilfestellung geben.
Was aber die Helden dann wirklich am Ziel ihrer Suche finden ist wahrlich ungeheuerlich. Der eigentlich tot geglaubte Kaiser Bardo höchst selbst hat sich hier einen Jungbrunnen erbauen lassen, der die Jugend von einigen Gästen abzieht, so dass er sich verjüngen kann. Dem muss natürlich von Seiten der Helden Einhalt geboten werden, bevor es zu spät ist.
Ob dieser Teil wirklich das Ende des Abenteuers ist hängt ganz von der Heldengruppe ab, aber irgendwas muss man ja an den Schluss stellen als Autoren. Zwar ist dieser Abschnitt etwas reglementierter als der Rest des Abenteuers, ganz einfach durch den Plot selbst bedingt, denn einer Reihe von Rätseln kann man nun mal meist nur in einer Richtung folgen, aber dennoch recht offen was den Rest betrifft. So wird selbst die Möglichkeit erwähnt, dass der Vampir den Helden helfen kann, wenn er bemerkt, dass sie auch auf der Suche nach der Alterungsursache sind. Und auch der finale Ort ist variable, da je nachdem wann sich die Helden mit der Sache beschäftigen die verantwortlichen NSCs dies oder jenes tun.
Im Anhang werden dann zunächst richtig ausführlich die Räumlichkeiten vorgestellt, mit den Aktivitäten die dort getätigt werden, den Hinweisen des Baumeisters, natürlich der allgemeinen Beschreibung und vielem mehr.
Alle wichtigen (und ein paar weniger wichtige) NSCs werden in einem weiteren Abschnitt beschreiben, damit der Spielleiter auch etwas an der Hand hat, wenn es um die Charaktere geht, wo im Abenteuer nur kurze Zusammenfassungen oder gar nur Namen genannt werden.
Zwei weitere Teile handeln von der Bewaffnung in den Thermen und dem Jungbrunnen selbst und die fast obligatorischen Handouts gibt es natürlich ebenso.
Eine kurze Zeittafel rundet das ganze Abenteuer ab.
Fazit:
Puh.. da haben wir es also vorliegen, das ruchbare Abenteuer. Und dann stellt es sich doch beim Lesen als gar nicht so ruchbar heraus, sondern ganz im Gegenteil. Ein sorgsam geplantes Stückchen Abenteuer finden wir hier, dass sehr erwachsen mit dem Thema umzugehen weiß. So ist etwa den Autoren auch klar, dass diese Szenerie bei vielen Gruppen für Unbehagen sorgen mag (oder für peinlich rote Gesichter, oder über die Strängen schlagende Charaktere) und so werden sogar Vorschläge gemacht, wie man als Spielleiter mit dem Thema umgehen kann – von einem das ganze mehr in die Komik ziehendem bis zu einem etwas anderen Fokus eben eher auf Rausch, denn auf Sex.
Und auch neben dem eigentlich Schauplatz – der zwar unerlässlich ist für das Abenteuer, da vieles durch die Masken, Rauch verhüllten Räume und lästerliches Treiben (in einigen Augen) verdeckt wird, was sonst zu offensichtlich und platt wäre – ist die Handlung mit den vier Plotsträngen sinnvoll ausgearbeitet. So gibt es eigentlich für fast alle Fälle von „Spieler will halt jetzt nach links, statt rechts“ sowohl Alternativen, als auch einfach gar keine solchen Vorgaben. Das macht es natürlich auf der anderen Seite für den Spielleiter sehr viel schwieriger, sieht man einmal davon ab, dass er Dutzende NSCs im Hinterkopf haben muss um es zu einem richtig großen Kino werden zu lassen.. da ist die Einstufung „mittel“ irgendwie unangebracht.
Natürlich ist das Abenteuer nicht für jede Spielgruppe geeignet, nicht wegen der Handlung, sondern eben wegen des Themas und der Umgebung dieses closed room Szenarios. Aber diejenigen Gruppen, die sich darauf einlassen möchten werden eine gut durchdachte, spannende Geschichte mit interessanten Wendungen vorfinden.
Mit freundlicher Unterstützung in Form eines Rezensionsexemplars von der Ulisses-Spiele GmbH und dem F-Shop.
Kommentar hinterlassen