Kaer Tardim

Earthdawn - Einsteigerabenteuer

Zum nun neu erschienen Grundregelwerk für Earthdawn in seiner nunmehr 4ten Edition gibt es auch das kleine – Earthdawn Spielern vielleicht bekannte – Beispielabenteuer für jene Spieler, die entweder die Regeln oder Rollenspiel im allgemeinen kennen lernen möchten. Das Heftchen hat ganze 36 Seiten mit Regeln, Beispielcharakteren und einem Abenteuer in Vollfarbe und ist nur als pdf erhältlich. Aufgemacht ist es im Grunde für Spieler, die komplett neu in der Sache sind, wenn auch an einer Stelle darauf hin gewiesen wird, dass man als Rollenspielkenner den Abschnitt über “Was ist Rollenspiel” auslassen können.

Regelteil
In diesem ersten Teil des kleinen Heftchens werden die Regeln von Earthdawn in einer vereinfachten Form erklärt und in einigen Fällen mit entsprechenden Beispielen als extra vom Text durch Symbole und kursive Schrift abgetrennte Bereiche dargestellt. Zunächst werden die Spielwerte erklärt. Unter Spielwerten versteht man bei Earthdawn zunächst einmal die 6 Attribute, die für Rollenspielkenner vermutlich nichts neues bedeuten und auch für Anfänger relativ selbsterklärend sind, wenn auch unter Charisma “einen positiven Eindruck machen” aufgeführt wird, was später in dieser Rezension noch wichtig wird. Neben den Attributen zählen auch Talente und Fertigkeiten zu den Spielwerten. An dieser Stelle wird allerdings lediglich auf deren Existenz hingewiesen und das sie wie auch die Attribute einen Rang und eine Stufe haben. Die letzten Spielwerte sind “Eigenschaften”. Hier fallen solche Punkte wie die Initiative, verschiedene Rüstungen bzw Verteidigungen, aber auch Bewegung und Schadensschwellen drunter.
Weiter geht es in den Regeln mit der Würfelprobe. Gewürfelt wird bei Earthdawn mit ganz verschiedenen Würfeln. Und zwar nicht ein Würfel für eine bestimmte Sorte Proben, sondern ein oder mehrere Würfel je nachdem welche Stufe man in der Fähigkeit hat. Erwürfeln muss man einen Mindestwurf, der von der Fähigkeit abhängt, auf die gewürfelt wird und die dann bei diesen mit angegeben ist. Dabei darf jeder Würfel, der seine höchste Zahl zeigt, noch ein weiteres mal gewürfelt werden. Gezählt wird die Summe.
Shadowrunspielern wird das Konzept des Karmas schon bekannt sein, welches ebenfalls (da ja auch settinginterne entfernte Verwandtschaft besteht) bei Earthdawn vorhanden ist: Für einen Karmapunkt kann ein zusätzlicher W6 dazu geworfen werden (vermutlich gibt es in den ausführlichen Regeln noch mehr Anwendungen).
Alle in diesem kleinen Heft verwendbaren Fähigkeiten werden danach aufgelistet. Dabei ist das Ganze in Talente und Fertigkeiten unterteilt. Talente sind magische Fähigkeiten, zumindest steht das in der Erklärung bei den Spielwerten. Das erklärt das Vorhandensein von Fähigkeiten wie “Fadenweben” oder “Magie neutralisieren”. Was allerdings an “Klettern” oder “Nahkampfwaffen” magisch ist, bleibt ungeklärt. Fertigkeiten hingegen werden mit einem kleinen Abschnitt abgewatscht in dem diese in zwei Kategorien eingeteilt werden: Kunsthandwerks- und Wissensfertigkeiten. Aber es werden keine konkreten Beispiele gegeben (Shadowrunspieler können hier vielleicht noch eine entsprechende Parallele sehen, werden sich aber auch fragen warum das überhaupt in diesen Kurzregeln drin steht, wenn es eh nicht wirklich relevant ist).
Nach den Fähigkeiten werden die Zauber aufgeführt. Und auch hier nur diejenigen, die wirklich gebraucht werden, weil sie der eine magische Charakter besitzt. Zu Beginn des Abschnitts wird noch kurz gesagt, dass man für einen Zauber zunächst diesen in einer Matrix platzieren muss, dann Fäden darin ein weben und zuletzt den Zauber auslösen muss.
Nach den Zaubern gibt es noch die Kampfregeln in Kürze. Bei einem Kampf in Earthdawn (in der vereinfachten Form), wird zunächst die Initiative ermittelt (jede Runde neu), dann kann der Charakter drei Dinge tun: Er kann sich bewegen, eine einfache Aktion ausführen und ein Fähigkeit einsetzen. Bei einer erfolgreichen Probe, die Schaden verursachen könnte, wird anschließend dieser Schaden noch ausgewürfelt. Je nach Höhe kann der Gegner dabei bewusstlos werden oder sterben oder niedergeschlagen werden, wobei er bei letzterem eine Niederschlagsprobe würfeln muss. Heilen kann sich ein Earthdawn Charakter natürlich auch. Dies geht über sogenannte Erholungsproben.

An dieser Stelle muss man zwei verschiedene Kritikpunkte anbringen. Zum einen darüber ob das Heft seine Aufgabe erfüllt, zum anderen kann man natürlich das System an sich kritisieren.
Das Heft ist leider in einigen Punkten nicht so, wie sich das vermutlich ein neuer Rollenspieler wünschen würde. Ja, im Grunde wirkt es fast, als hätte man am Ende nicht noch einmal darüber geschaut ob auch alles passt. So fehlt bis auf ein paar Sätze der Hintergrund der Welt völlig, was dann etwa die Frage aufkommen lässt, was denn so ein Kaer überhaupt ist. Aber auch, wenn man dann ohne Hintergründe spielen will gibt es an manchen Punkten einen Erklärungsnotstand. So wird unter den Kampfregeln plötzlich etwas von Wundern erzählt, aber was diese genau sind.. das steht nirgendwo so richtig. Ebenso fehlt etwa die Angabe wie lange denn das spontane platzieren eines Zaubers in der Matrix dauert. Das alles hinterlässt irgendwo einen unfertigen Eindruck auf den die kumpelhafte Ansprache im gesamten Heft noch mal einen drauf setzt.
Das System selbst ist hier zwar gekürzt dargestellt, aber immer noch sehr komplex mit den unterschiedlichen möglichen Würfeln und Mindestwürfen, die dann der Spielleiter im schlimmsten Fall ständig nachsehen muss (und eine möglich so und so schwer ist folgender Mindestwurftabelle findet sich auch komischerweise erst im Abenteuer). Auch stellt sich die Frage warum denn Handwerksfähigkeiten auf Charisma gewürfelt werden. Nicht das da nicht etwas drunter fällt, für das das passt, aber ob ich gut schnitzen kann, hängt kaum von meiner Ausstrahlung ab. Das Wirken von Zaubern in drei, statt eine Probe zu stecken, dürfte wohl auch für manche Spieler etwas zu viel des Guten sein, zumal man so offenbar vor irgendwelchen Kämpfen immer wissen muss was man machen möchte.

Charaktere
Hier finden sich die vier Beispielcharaktere (ein Zwergenschmied, ein Menschenmagier, eine Elfenkriegerin und ein trollischer Luftpirat) mit denen das Abenteuer bestritten werden kann. Dabei stehen die Werte und ein Bild auf der ersten Seite und eine Erklärung der Talente (selbe wie im Kapitel davor), sowie wenn vorhanden, Zauber und ein bisschen Hintergrundgeschichte auf der zweiten Seite. Auf jedem Bogen sind auch nochmal kurz die “Regeln” erklärt – nämlich das man mit einem Würfel über einen Mindestwurf würfeln muss.

Auf den Bögen steht zum Glück hinter jeder Fähigkeit welche Würfel derjenige denn würfeln muss, was das ganze etwas handlicher macht. Leider werden die Wissens- und Handwerksfähigkeiten nicht groß erläutert und die Rassenfähigkeit des Menschen ebenfalls nicht. Und.. wer oben genau hingesehen hat wird merken, dass es nur einen Charakter mit der Möglichkeit Zauber zu wirken gibt, was sich im Abenteuer leider negativ bemerkbar macht.

Abenteuer
Die Charaktere sind in einem kleinen Dörfchen namens Tardim und erfahren vom Dorfältesten, dass ihr Magier getötet wurde und sich deswegen niemand in das Kaer traut, denn vermutlich haust dort ein Dämon. Natürlich wollen die Charaktere den armen Leuten im Dorf helfen und machen sich am nächsten Morgen auf den Weg ins Kaer, nachdem sie noch erfahren haben, dass vor dem Tod des Magiers, Leute aus dem Dorf im Kaer verschwunden sind und dessen Tod durch einen jungen Mann, der die Leiche fand und dann im Dorf vier Leute tötete, bevor er selbst erschlagen werden konnte. Im Kaer angekommen, müssen sich die Charaktere erst einmal orientieren und dann natürlich am ehesten nach der Leiche des Magiers suchen, in der Hoffnung so etwas über die seltsamen Umständen hier heraus zu finden…

Das Abenteuer ist in den meisten Punkten sehr ausführlich beschrieben, manchmal aber leider an den falschen. So steht etwa erst innerhalb des Textes im Abenteuer und nicht in der Beschreibung davor, warum denn die Dorfbewohner vom Tod des Magier wissen. So wie es dort steht, klingt das nämlich danach, als wäre der junge Mann raus gerannt, hätte vier Leute getötet und wäre dann gestorben. Punkt. Weiter hinter steht, dass er auch noch höhnische Bemerkungen über den toten Magier gemacht hat. Für Spielleiteranfänger gibt es zwischen der Zusammenfassung und dem eigentlichen Abenteuer, sowie am Ende des Abenteuers noch ein paar Tipps über das Leiten an sich. Das jedoch ist sehr kurz gehalten und dürfte auf manche Spielleiter sehr konservativ (etwa das man als Spielleiter Bewegungen der Spieler auf Abwege des Plots einfach überbügeln soll – was zwar in diesem Abenteuer noch einfach ist, aber später natürlich zu Problemen führen kann) oder auch fürchterlich (Würfel drehen wird explizit als Möglichkeit angegeben um eine Begegnung so enden zu lassen, wie man das will – allerdings wird darauf hingewiesen, dass man das absprechen sollte) wirken.
Das Abenteuer selbst ist ja im Grunde nur ein Dungeon und enthält somit hauptsächlich Vorlesetexte. Das ist für ein Einsteigerabenteuer auch ganz in Ordnung so – man muss ja nicht gleich mit einer Sandbox um die Ecke kommen. Was aber nicht in Ordnung ist, ist zum einen dass zwar alle vier Charaktere Träume haben, aber nur einer der Gruppe einen Vorteil bringt und das viel schlimmere Probleme, dass das Abenteuer ohne Magier nicht lösbar ist. Wenn man also leider nur drei Leute zusammen bekommen hat und keiner den Magier spielen wollte, dann kann man es leider gleich lassen. Und selbst wenn man vier Spieler hat, werden sich die anderen spätestens da echt blöde vor kommen, weil Spieler natürlich auch merken, dass ein Charakter immer alle Aufmerksamkeit und coole Sachen bekommt. Das wäre ein Punkt gewesen, wo man wirklich den zukünftigen Spielleitern was dazu sagen sollte…

Fazit
Wer Earthdawn von den Regeln her mal kennen lernen möchte – und dabei kein Problem mit einer vereinfachten Form hat, der kann durchaus mal einen Blick in dieses pdf werfen, sollte sich aber darüber im Klaren sein, dass an manchen Stellen auf sehr merkwürdige Art ein gekürzt wurde. Wer allerdings meint, damit etwas über die Hintergrundwelt zu erfahren, der wird enttäuscht werden, da dies nur ein paar Zeilen hier und da sind – man erfährt nicht einmal so richtig was denn so ein Kaer überhaupt ist und muss sich das aus den Textstellen zusammen suchen. Das Beispielabenteuer ist, sofern man vier Spieler zusammen hat, durchaus passend um diese Regeln dann auch einmal aus zu testen – unerfahrene Spielleiter, und vor allem solche mit weniger als vier Spielern – können jedoch auf Probleme stoßen, die das neu gewonnene gute Gefühl des Leitens gleich eintrüben. Wenn möglich also erst einmal im Laden einen Blick rein werfen (bei nur 36 Seiten ist das ja auch schnell gemacht) oder wenn man des englischen mächtig ist, einfach das kostenlos erhältliche englische pdf – allerdings für die EDC, unterscheidet sich aber inhaltlich nicht wirklich von der jetzt hier erschienenen Version – anschauen, bevor man das kauft. Und derjenige darf sich dann auch durchaus fragen, warum es im englischen Sprachraum kostenlos ist, aber nicht für die 4th Edition, im deutschen aber Geld verlangt wird.

Mit freundlicher Unterstützung in Form eines Rezensionsexemplars von der Ulisses-Spiele GmbH und dem F-Shop.

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