Das Leben eines Gezeichneten – Teil 99
Rohals Versprechen - Teil 21
11 Rondra
Unzufrieden mit der Nacht verzehrten wir ein karges Frühstück und liefen dann weiter in Richtung Wald. Leowulf ging vorraus, weil er der Meinung war, sein Anhänger würde in eine bestimmte Richtung leuchten. Ich konnte jedoch nichts sehen. Nach einiger Zeit erkannte ich zwischen den verzerrten Bäumen eine Lichtung, auf der die Praiosscheibe das Gras und viele Blumen bestrahlte, aber nachdem ich einen Schritt auf die Lichtung tat, erhoben sich die Blumen in die Luft und stellten sich als seltsam geformte Schmetterlinge heraus. Auch das Licht war plötzlich verschwunden, dass sie irgendwie wohl ebenfalls emittiert hatten. Sie schwebten eine Weile über unseren Köpfen – die anderen waren ebenfalls auf die Pseudolichtung getreten – und ließen sich dann wieder auf dem Boden nieder. Einige von ihnen versuchten auch auf mir zu landen und ich stellte mit Erstauenen fest, dass sie winzige Schriftzeichen auf ihren Flügeloberseiten trugen. Leider zu klein um sie ohne Hilfe lesen zu können. Wir verließen also den Platz und liefen weiter. Ich hätte gerne einen der Schmetterlinge mitgenommen, jetzt wo meine Ranke schon nicht mehr unter uns weilte, aber sie wollten sich nicht fangen lassen und ich wollte auch nicht anfangen hinter ihnen her zu rennen.
Wenige Zeit später wollte der Boden selbst uns fressen. Plötzlich verschwand er einfach und Ranken schlugen nach uns und mir wurde schwarz vor Augen. Als ich wieder zu mir kam – irgendwas fühlte sich komisch an – sah ich nur den Dieb über mir. Was er da gemacht hat weiß ich nicht. Ich fragte ihn auch niht. Wozu die Mühe, wenn eh keine Wahrheit heraus kommt. Zur Sicherheit und weil ich mich wirklich schlecht fühlte, wirkte ich noch einen Reversalis Fulminictus auf mich selbst, während wir weiter gingen.
Schon von weitem konnte ich fühlen, dass wir uns unserem Ziel näherten und als sich dann die Bäume lichteten, sah ich einen größeren offenen Platz an dessem Ende ein riesiger schwarzer Baum stand zwischen dessen Wurzeln vermutlich unser gesuchtes Objekt lag und bräunlichen Schlamm ausspuckte. Zudem lag etwas abseits der großen Steinplatte vor dem Baum auf dem Hlutars Name stand ein Foliant. Vor dem Baum – etwa 5 Schritt entfernt – stand der Alte aus dem Archiv umringt von sieben Heshtotim, die er so gleich uns angreifen hieß. Die anderen stürmten vor um sich in den Kampf zu werfen und ich versuchte mir zwei Karunga zu rufen, die mir den Kelch holen sollten. Es tauchten allerdings statt der zwei fünf auf und ich nutzte die Gelegenheit um dreien von ihnen zu befehlen den Archivar zu umschwirren, während der vierte mir den Kelch bringen sollte und der fünfte das Buch. Leider baute der Baum eine undurchdringliche Dornenhecke um den Kelch auf und schlug immer wieder mit Ranken nach dem grün leuchtenden Dämon, aber wenigstens hatte der andere die Möglichkeit mir das Buch zu bringen.
Inzwischen hatten die anderen die gegnerischen Dämonen erledigt und wollten sich dem Archivar zuwenden, als jener einfach im Boden verschwand. Gerade als ich eine Schritt in Richtung Kelch zu mache wollte tauchte aus dem nichts dieser Hlutar auf und griff den Baum an – Leowulf der halb im Weg stand wurde beiseite geschleudert. Der Baum nahm das wohl als Kampfansage und zog seine Dornenhecke zurück um sich dem Alveraniar zuzuwenden und Leowulf konnte, wieder aufgerappelt, den Kelch bergen. Hielt meine Karungs natürlich nicht davon ab ihn unablässig zu umschwirren um den Kelch zu bekommen. Darken wollte ebenfalls gegen den Baum angehen, aber Hlutar riet uns den Platz schnellstmöglich zu verlassen, auf das wir den Kelch zur Tjoste bringen können, während er sich um den Baumdämon kümmerte – und nach den Geräuschen, die wir auf der Rückkehr hörten wohl verlor.
Wiederum liefen wir viele Stunden durch den Wald und erreichten die südliche Reichsstraße nach Gareth etwa gegen Sonnenuntergang. Und dann tauchten doch vor uns tatsächlich Räuber auf, die meinten uns – uns! – zu überfallen. Darken hat ihnen das ganz schnell ausgeretet und sie verschwanden wieder in ihrem Gebüsch. Meiner Meinung nach hätten wir sie einfach umbringen sollen, aber sowas macht man ja nicht…
Wir kehrten in den Rondratempel zurück, aber ich war zu erschöpft um mich zu der blöden Zeremonie für die Rückkehr zu gesellen und verschwand in Richtung Magierakademie um dort zu nächtigen.
12 Rondra – 13 Rondra
Ich schaute immer noch ab und an auf Leowulf, wandt mich jetzt aber dem Eingang des Hauptlager zu. Hoffentlich würden wir ohne größere Hindernisse direkt zu Ayla vorgelassen.
Baduin saß, vom Reiten und von der Expedition in die Brache erschöpft, zusammengesackt auf seinem Pferd, und tastete in regelmäßigen Abständen seine Bisswunden am Hals und am Arm ab.
„Nun, da sind wir“. Darken sah ein wenig erschöpft aus von dem Gewaltritt der letzten Tage, hielt sich aber gerade auf seinem Pferd und bemühte sich, zuversichtlich auszusehen. „Wir sollten uns schnurstracks zu der Erhabenen begeben.“ Und so trieb er sein Pferd voran, auf den großen Platz, direkt zum Zelt des Schwerts der Schwerter.
Ayla bat mich, nachdem wir den Kelch überreicht hatten um ein Gespräch.
Sichtlich nervös stand ich im Zelt nachdem die anderen bis auf Leowulf es verlassen hatten und schaute Ayla mit einer Mischung aus ein bisschen Furcht und Arroganz an. Tja… Entscheidungen und so…
Ebenfalls sichtlich nervös schritt Ayla auf und ab. Wie eine Löwin gefangen hinter Gitterstäben. Dann hob sie wieder ihren Blick.
„Wenn ihr so freundlich wäret Leowulf, und einen Moment draußen zu warten?“
Nachdem Leowulf diesem nachgekommen war, wandt sich Ayla wieder mir zu.
„Ich weiß nicht was ich mit euch machen soll Magister Magnus Zeel. Ich habe lange überlegt und ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass ich nicht länger warten kann und darf, dennoch…. weiß ich immer noch nicht wie ich mit euch verfahren soll.“
Sie blieb plötzlich abrupt stehen, und verschränkte die Arme vor der Brust.
Ich hob beide Augenbrauen in die Höhe. Oh ha. Klingt nicht gut… gar nicht gut. „Ah… bezüglich wessen seit ihr zu einem Entschluß gekommen?“
„Das ist es ja. Ich habe noch keinen Entschluss gefasst. Aber ich muss.“
Sie fing wieder an auf und abzulaufen.
„Ihr habt mir vor langer Zeit einmal das Leben geretter in Weiden, als ich drohte meinem Alptraum zu erliegen, und ich bin euch bis heute dankbar, dennoch… dennoch hat es mich Rondra gelehrt Unheiliges zu vernichten. Ihr mein Freund habt einen großen Frevel begangen, und ich denke ihr wisst selber wovon ich spreche. Ich weiß nicht mit wem ihr euch eingelassen habt, dem lüsternen Mordbrenner, der Vielfarbigen, der heulenden Finsternis…. aber ich fürchte dieser Weg wird euch nichts Gutes bringen, nur Tod.“
Ich blickte mich vorsichtig um ob nicht vielleicht noch mehr Leute da waren, außer Ayla, die vielleicht weitere Probleme bereiten könnten, aber als ich feststellte, dass ich alleine mit ihr war, drehte ich mich wieder zu ihr um.
„Tod, sagt ihr… Tod bringt mir das Leben ja sowieso… Das ist nun mal der Preis für unser Leben nicht war. Und in meinem Fal wohl deutlich vor der Zeit.“
Sie blieb wiederum stehen und richtete den Blick gegen eine Zeltplane, mehr Weg von mir als zu mir hin.
„Ist es ewige Qualen wert? Selbst wenn das Leben vorzeitig endet, ja sogar Opfer gebracht werden müssen, liegt das Ziel doch im ewigem Paradies, an Rondras Tafel, in Praios‘ Hallen, in der ewigen Bibliothek wo auch immer man sich geborgen fühlt. Sagt, ist es das wert?“
Irgendwie machte mich dieses Gespräch langsam wütend.
„Woher wollt ihr das zum einen überhaupt wissen, hmm? Ihr erschafft euch Götter, damit ihr keine Angst mehr im Dunkeln haben müsst, anstatt dafür dankbar zu sein, dass niemand über das eigene Schicksal bestimmen kann, damit andere darunter zu leiden haben in dem ihr ihnen gleichermaßen jenen Glauben aufzwingt, der für euch gerade passend ist!“
Nun begann ich wie ein Zant im Käfig hin und her zu laufen.
„Ich bin in der Lage mir die Götter als das zu denken was sie sind. Prinzipien! Und um die Welt verständlicher, ja geordneter zu gestalten werden ihnen Namen gegeben, ihnen Opfer gebracht, anstatt sie so zu nehmen, wie sie ursprünglich waren. Und dann das beste daraus zu machen. Und sich nicht einfach Ritualen zu unterwerfen, die lediglich auf der Erfindung anderer beruhen!
„Zum zweiten… warum habt ihr so eine Angst vor dem Chaos, hmm? Was ist schlecht daran. Ich hab versucht es aus Leowulf heraus zu bekommen, aber er ist meinen Fragen ausgewichen.“
„Magister Zeel. “
Ihre Stimme hatte etwas kaltes bekommen, vielleicht hatte ich mich etwas zu weit vor gewagt.
„Sollte ich euch noch einmal über Rondra lästern hören, dann Gnade euch der wem auch immer ihr euch verschrieben habt.“
Dann plötzlich drehte sie sich wieder zu mir um, und in ihrem Blick lag etwas warmes, wie eine Mutter die versuchte ihr Kind in den Arm zu nehmen.
„Ich will euch nicht berauben. Ich will euch helfen. Ich will euch aus eurem Alptraum befreien, so wie ihr mich damals aus meinem.“
„Ihr könnt mir nicht helfen. Und ich bin ganz sicher nicht in einen Alptraum.“ Außer man sieh dieses spezielle Situation grade so, natürlich. „Ihr könnt akzeptieren für was ich mich entschieden habe, und damit leben oder ignorieren für was ich mich entschieden habe. Meine Aufgabe werde ich so oder so erfüllen.“
„Seid ihr sicher das das euer Wunsch ist?“
Sie legte den Kopf etwas schief und musterte mich.
Dann fuhr sie sich mit den Händen durch die Haare und schüttelte leicht den Kopf.
„Ihr könnt von Glück sagen, dass ihr nicht versucht habt einen Segen von Da Vanya zu empfangen, denn dann wären wir nicht hier. Er mag ein Menschenkenner sein, und auch etwas liberal für einen Praioten, aber er hätte nicht lange gefackelt.“
„Nun… was wollt ihr also machen? Mich aus dem Lager werfen?“ fragte ich bissig.
„Dann wäret ihr gar nicht hier. Nein, ich habe euch gerufen weil ich mit euch sprechen wollte, vielleicht könnt ihr mir eine Lösung anbieten die mir bisher verwehrt ist.“
Ihr Stimme war immernoch freundlich.
„Ich bezweifele, dass es eine Lösung gibt, die ihr mit eurem Gewissen vereinbaren könnt,“ kam es noch immer schnippisch von mir zurück.
„Wer?“
Jetzt schaute ich etwas konsterniert.
„Äh, wie jetzt wer?“
„Wer ist es dem ihr euch verschrieben habt?“
Sie schien wirklich interessiert zu sein an dieser Frage.
„Ach so…“ Ich seufzte auf.
„Warum interessiert es euch? Ihr seit euch zumindest bei einem sehr sicher, dass er es nicht ist, denn ansonsten hättet ihr mich mit dem Schwert empfangen und nicht mit Worten.“
„Weil ich euch für intelligent halte, daher werdet ihr euch nicht mit dem Mordbrenner einlassen. Dennoch denke ich, dass euch alle Beinamen bekannt sein werden, und sie tragen diese zurecht. Seid euch dessen immer gewahr. Was sind die Interessen eures Herrn?“
Alya hatte sich in einen Stuhl fallen lassen und verschränkte nun die Beine übereinander.\
„Weil ihr es vor einer Woche gemerkt hättet…“ Ich lief weiter auf und ab.
„Aber sei es drum. Die Interessen… die selben wie meine. Und wie meine Aufgabe hier.“
„Und eure Interessen sind? Mir es es schon wichtig es zu hören. Ich kann keinen Verrat in den eigenen Reihen dulden.“
„Glaubt ihr wirklich, wenn ich Verrat ihm Sinne hätte, dass ich nicht lügen würde in solch einer Situation? “ Ich blieb stehen und schaute sie mit gerunzelter Stirn an.
„Meine Interessen liegen darin, dass wir ihn zu Fall bringen. Auf welchem Weg auch immer.“
„Ich glaube nicht das ihr mich belügen könntet. Also gut. Ich habe euch gewarnt, aber ich werde es nicht sein der euch zu Fall bringen wird, das werdet ihr selbst tun, leider … Damit eins aber klar ist, diese Gespräch hat nie stattgefunden. Sollte eure Tarnung auffliegen, kann ich euch nicht helfen. Ihr seid da auf euch alleine gestellt.“
Sie fässte sich mit Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand an die Stirn und schüttelte wieder leicht den Kopf.
„Oh Rondra, deine Wege sind nicht immer einfach zu verstehen …“
Draussen began es zu regnen.
„Ts,“ antwortete ich nur.
„Ich empfehle mich dann.“
Und verschwandt ohne einen weiteren Blick auf Ayla aus dem Zelt.
Nachdem Leowulf vorher etwas unrühmlich aus dem Gespräch zwischen Ayla und mir herauskompromittiert und etwa ein sechstel Stunde vergangen war, trat ich wieder vor das Zelt und schaute Leowulf an.
„Ich glaub jetzt möchte sie dich sprechen.“
Leowulf hatte inzwischen Rüstung und Schuppen feucht abgewischt und sah um einiges frischer aus als noch vor dem Gespräch. Als ich ihn ansprach dankt er gerade dem Novizen der ihm den Eimer gebracht hatte. „Danke Arbald.“
„Noch alle Körperteile an ihrem Platz Magister Magnus?“ fragte Leowulf mich während er sich umdrehte.
Ich schaute erst etwas verwundert über die förmliche Anrede, dann an mir hinunter um zu sehen ob ich die Frage positiv beantworten konnte.
„Ich denke wohl, aber ich glaube jetzt ist sie schlecht gelaunt.“
Nachdem der Novize verschwunden war, trat Leowulf näher an mich heran und legt mir die Hand auf die Schulter bevor er weiterging und das Zelt betrat. Ich zuckte leicht zusammen, als sich Leowulfs Hand auf meine Schulter legt, nickt dann aber kurz und trat weiter zur Seite, als vermutlich notwenig war.
Abends nahm ich mir das Buch aus der Brache vor. Ich hatte in diesem Buch – nicht diesem speziell, aber einem mit dem selben Inhalt – natürlich schon in Brabak geblättert, aber eines zu besitzen war doch etwas anderes. Zudem jede Menge Anmerkungen im Buch standen, die unter Umständen wirklich hilfreich sein könnten. Und ein Spruch, den ich bisher nur in seinen drastischen Auswirkungen gesehen hatte und der mir mit Sicherheit helfen würde.
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