Das Leben eines Gezeichneten – Teil 83

Rohals Versprechen - Teil 5

Immer noch mit dem Rücken gegen den Baum gelehnt atmete ich tief ein und hoffte inständig, dass die Zantim meinen Zauber nicht durchschauten, bis ich jener Macht gewahr wurde, die von außerhalb meine Matrix zerfraß und langsam, erst in einzelne Fäden, dann in Punkte und dann ins Nichts aufzulösen schien.
He, du Sohn eines Gottes! Wie hat es sich angefühlt als sie dich rausgeworfen
haben!
„Impertinenter Wurm,“ erklang seine angenehm klingende Stimme. „Siehst du wie deine Magie dich verlässt? Spürst du dass sie zu mir strömt?“
Die Zantim in meiner Nähe schienen mich zu fixieren doch hielten sie inne, als würde etwas sie festhalten.
Du willst wissen wie es ist befreit zu werden? Wie kalter Stahl bohrten sich seine Gedanken in meinen Verstand. Dummer Sterblicher…
Mit einem Donnerschlag der Gedanken breitete sich etwas in meinem Geist aus. Ich sah Bilder die nicht aus meinen Augen stammten. Menschen wie Vieh auf einem riesigen Platz zusammengepfercht. Überall auf ihren Körpern feine weiße Linien, die in noch feinere Linien mündeten. Manche von ihnen hell leuchtend, andere stumpf und silbern. Da waren Stimmen die streiten, Stimmen die schreien… nach Blut, nach Rache und nach Tod. Die Lautstärke war beinah unerträglich, genau wie das brennen auf meiner Stirn. Dort wo Metall die Haut berührte.
Plötzlich war es still und ich spürte eine Last von mir abfallen. Lächelnd trat ich einen Schritt vor „Endlich frei…“.
Die Stimmen… sie waren es. Sie schwiegen für den Bruchteil eines Augenblickes, doch dann bohrten sich ihre Mächte in mich. Mein Körper zuckte und brodelte unter ihrem Ansturm. Flammen schlugen mir aus den Mund, Nase und Augen. Metall bohrte sich in meinen Schädel… sieben Splitter für sieben Stimmen, für siebenfache Macht. Schmerzen sind alles was ich noch wahrnehmen konnte. Wahnsinn umklammerte mich. Und Macht. Und Liebe. Und Mordlust. Und Eiseskälte…
Ein roter Schleier umfing meine Sicht und mit einem Mal waren die Stimmen fort. Mein Rubinauge leuchtete heiß und verbrannte mein Lid und das umgebende Fleisch. Vor mir zuckte ein silbriger Tentakel mit siebengezahntem Maul immer wieder gegen mein Gesicht. Schmerzhaft schlug es meinen Kopf immer wieder gegen den Baum… als würde es nicht an dem Rubin vorbeikommen.
Erst ein Röcheln, dann ein langsames heben der linken Hand in Richtung der Wiese, in seine Richtung. Wieder ein Röcheln.
He…und du hältst dich für frei? Gekettet an sieben Herren? Ich habe wenigstens einen Grund und weiß was mich erwartet und DU stehst dem im Weg!
Herren? Du hast doch keine Ahnung über welche Kräfte ich gebiete. Hier in der dritten Sphäre werden sie nie mehr Macht haben als ICH.
Die Schläge gegen meinen Kopf verebbten und ich konnte meinen Blick auf ihn fixieren. Majestätisch und blendend vor astraler Macht.
Ometheon HAT recht. In allem Leben liegt die göttliche Macht und wie du siehst steht mir nichts mehr im Weg, er streckte seinen Arm dorthin aus wo er vor Augenblicken Rohal vernichtet hatte, dass mich aufhalten könnte. Soll ich dir etwas verraten kleines Menschlein? Etwas das deine erste Frage beantworten wird?
Du hast ja absolut keine Ahnung was hier vor sich geht. Selbst blind würde ich erkennen, dass du dich kaum noch auf den Beinen halten kannst! Noch ist es nicht Zeit deinen Platz, wieder ein Röcheln, zu verändern. Warum standest du überhaupt auf der Seite der Götter?
Du weißt es doch… Ich bin ein Prinzip. Sein markantes und attraktives Lächeln konnte ich sogar aus der Entfernung noch erkennen. Und mit jedem Geheimnis und jedem Tabu wächst meine Macht. Als diese Narren mich aus ihren Reihen verbannten begingen sie ihren größten Fehler. Wie sollten sie mir Macht nehmen von der sie nicht einmal wissen, dass ich sie habe? Und deine Frage… frage dich selbst, was sind denn die größten Geheimnisse? Was ist das wahre verbotene Wissen? Du wirst erkennen warum wir göttlichen Ursprungs sind… und noch viel mehr.
Aber du besetzt einen Platz der meinem Herren gebührt! Das werden die Menschen eh nie begreifen. Dieses ewigen Einteilen in Gut und Böse. Naiv. Aber du hast deinen Platz in ihrer Kategorie eingebüß, was auch immer das nun für dich heißen mag, für sie bedeutet es etwas, dass uns mehr Macht verleihen wird!
Ein Blick zu Seite zeigte mir einen gerade im Sprung begriffenen Zant.
Es dauert keinen Augenblick und doch eine Ewigkeit bis sie auf mir landete, ihre Pranke in meine Hüfte bohrte und mich dann quer über den Schotter zerrte, die anderen beiden Kreaturen im Schlepptau.
Sie gaben mir die Macht meinen Bruder zu vernichten. Und nun stirb mit dieser Erkenntnis, Wurm.
Er …„röchel“... war schwach. Sein Anhänger… „röchel“… war zu eilfertig… und selbst wenn… „röchel“... ich jetzt sterben sollte, handelst du nicht nach… „röchel“… freiem Willen, sondern weil andere es planen.
„Glaubst du das wirklich? Du siehst ziemlich geschwächt aus. Geradezu erbärmlich mein armer armer Tharsonius.“ eine glockenhelle Stimme schien wie von nirgendwo und doch von überall zu ertönen.
Ein triumphierendes Lächeln stahl sich durch die Schmerzen auf meinem Gesicht, wurde aber schnell durch weitere wieder gelöscht. Ich weiß… wenigstens wem ich gehöre…
„Zerreißt sie!“ Seine Stimme war weit über den Platz zu vernehmen.
Und DU, halt dich da raus oder möchtest du dass dein Unkraut meinem Schwarm zum
Opfer fällt? Kalt schnitten seine Worte durch meinen Geist und reichten dahinter.
Gezeichneter, lerne solange du noch kannst. Ein freier Wille ist nicht Selbstbestimmung sondern die Wahl der Divergenz.
Mit der süßen Erkenntnis vor einigen Augenblicken seine Zukunft geschaffen zu haben verschwand seine Gestalt aus meinem Geist und vom Plateau.
Der Schmerz und die Kiefer die säuretriefend in meiner Hüfte versenkt waren drängen sich unaufhaltsam in mein Bewusstsein.
Inzwischen vor Schmerzen halb betäubt, wand ich mich um in der Hoffnung den Ursprung der anderen Stimme und darin gesuchte Hilfe zu finden.
„Ja. Lauf du nur du Narr. Wenn du wüsstest was dir noch bevorsteht..,“ der Satz blieb unvollendet.
„Mein lieber Connar, wenn du Hilfe benötigst, sag es, und ich werde dir helfen. Für einen kleinen Preis versteht sich.“
„Wenn ihr möchtet, dass ich euch weiterhin diene… wäre es vielleicht angebracht“.\\
„So sei es.“ Matrixfäden breiteten sich von mir aus welche sowohl in die Zantim als auch in das Gras fuhren. Eine Druckwelle beendete dann auch noch den Rest der Zantim
„Soo…. dann wollen wir mal sehen, ob noch was brauchbares von Rohal übriggeblieben ist, das sich lohnt aufzuheben…“
„Wünscht ihr noch etwas von mir?“
„Eh was?“ Es schien als sei die Stimme aus den Gedanken gerissen worden.
„Jetzt wo du es sagst, ja. Finde den Träger der Kappe, wir wollen doch mal sehen wer von uns hier die obere Hand behält. Leider ist sie nicht für dich bestimmt, sondern für ein ca 14 Jahre altes Balg.“
„Wie ihr wünscht.“
„Deine Wunden werden verheilen, es wird jedoch etwas Zeit benötigt. Oh und ich habe mir erlaubt den Reizimpuls für das Magiegespür neu zu justieren. So solltest du nicht erblinden bei Überreizung, da ist weder dir noch mir geholfen.“
„Danke…“

Noch immer lag ich etwa mittig auf der offenen Fläche inmitten der Überrestes Unduraels, welcher zusammen mit den Zantim gestorben sein musste. Der goldene Drache, gerade aus dem kleinen Wäldchen hervorgetreten, schimmerte leicht in der Sonne und die ersten Winde fegten wieder über die Hochebene.
„Hilfe. Connar braucht Hilfe“, hörte ich jemanden rufen.
„Bei Rondra… das muss eine Nachwirkung seiner Magie sein.“ Unerschrocken berührte jemand mein Gesicht, macht sich dann daran meine Wunden zu begutachten.
Erst leise murmelnd und dann immer lauter werdend stimmt die Stimme ein Gebet an Peraines Macht und Rondras Taten an und ich versank wieder in Dunkelheit.
Dann erwachte ich mit einem Schrei und öffnete nun auch das andere Auge um mich mit einem wirren Ausdruck darin umzusehen. Kein Erkennen der Personen vor mir lag in meinem Blick und ich versuchte mich von Leowulf rückwärts zu entfernen.
„Connar? Connar, ich bin’s Leowulf,“ sagte Leowulf mit beruhigender Stimme während sich seine Finger hinter den kleinen Brustschild an mir hakten und festhielten. „Du siehst… schrecklich aus!“
Langsame Erkenntnis reifte in mir heran.
„Was war? Was ist passiert?“ Meine Stimme klang rau und brüchig, als hätte ich ausgiebig und lange geschrien. „Wo ist er hin?“
Erfreut antwortete er misstrauisch auf mein Gesicht starrend: „Ich glaube er hat es mit der Angst bekommen und ist feige davongelaufen.
„Und du hast anscheinend einiges abbekommen. Peraine sei Dank, konnte ich deine gröbsten Wunden schließen.“
Auch Leowulfs Blick haftete nun an meinem Gesicht: „Du hast da was.“
„Wo?“ Unbewusst hob ich meine linke Hand, dem Blick Leowulfs folgend, und fuhr über meine Wange. „Und was?“ Hier war doch irgendwo ein Bach? Oder vielleicht sagen sie es auch einfach nur? Und warum sollte er einfach gehen?
„Irgendwelche komischen Zeichen, die sich ständig verändern.“ Odius schaut kurz zu Leowulf „Weisst du was sie für eine Bedeutung haben?“ und wendete seinen Blick dann wieder auf mein Gesicht.
„Sich…verändernde…Zeichen?“ Mist. „Groß?“ Erst jetzt bemerkte ich wo genau ich mich gerade befandt. „Ist das… Undurael?“
„Keine Ahnung Odeus. Sieht ein bisschen nach dem Geschnörkel aus was die Magier auf dem Konvent auf ihren Roben hatten..“
„Ja ist… war er.“ Leowulf blickte einmal über den Platz und zum Turm. Aber warum ist er nicht zum Turm gelaufen?
„Hmm…“ Was wohl hier passiert ist? „Wie…“ Meine Hand umfasste Leowulfs und entfernte sie von meiner Brust um danach auf die Symbole dort zu deuten,“ dieses?“
„Drei von diesen Dämonen… Zant.“ Kalte Verachtung schwang in seinem letzten Wort mit. „Und dann ist irgendetwas magisches explodiert und hat sie vernichtet.“
„Ja… ich erinnere mich dunkel, dass mich einer von dreien angegriffen hat, nachdem…“ Ich endete mitten im Satz. Tja und dann?
…was ist mit dieser Kappe? Da war etwas mit, oder?“ Ich schaute Leowulf fragend an.
„Blutig aber noch halbwegs ganz glaube ich.“ Leowulf machte sich daran aufzustehen und reichte mir auf halber Höhe die Hand. „Komm, lass uns an einen besseren Ort gehen.“
Besserer Ort? „Wohin sollen wir denn gehen? Ich such mir jetzt erstmal etwas um mich anzusehen!“ Ich ergriff Leowulfs Hand und zog mich hoch.
Ich bemerkte einen Fleck gelblichen Grases unter mir und runzelte verwundert die Stirn. „Was ist das?“
Odius erhob sich und antwortete nach kurzen überlegen „Vielleicht hat es was mit den Symbolen zu tun“.
„Ich glaub eher nicht… außerdem weiß ich noch immer nicht genau was überhaupt passiert ist.“
Leowulf schaute sich den gelblich verfärbten Boden genauer an. „Vielleicht ist etwas mit Unduraels Blut passiert dass das hier verursacht hat?“ Nachdenklich grub er ein kleines Loch, etwa 15 Halbfinger tief in den Boden.
„Möglich, aber darum können wir uns jetzt glaube ich nicht kümmern. Ich fühl mich überhaupt nicht gut…“
Leowulf stand auf und versuchte sich bei mir unterzuhaken um mich zu stützen. „Kommt, wir gehen erst einmal zum Turm zurück.“ Was wohl die anderen Magier sagen werden wenn sie erfahren dass Rohal nicht mehr ist?“
„Turm?“
Halbherzig versucht ich selbst in die genannte Richtung zu gehen, scheiterte aber bereits am ersten Schritt und muss mich nun ernsthaft an Leowulf festhalten.

Sie luden mich auf dem weißen Teppich vor dem Kamin ab und der Dieb machte sich auf nach oben. Leowulf untersuchte meinen Wunden und verband diese und der Dieb kehrte mit einem Heiltrank zurück, den er mir ebenfalls verabreichte. Die Schmerzen sanken auf ein erträgliches Maß und ich bat Leo darum mit einen Spiegel zu reichen. Er fand ein kleines Silbertablett und ich besah mein Gesicht in dessen spiegelnder Oberfläche. Tatsächlich zeigten sich über meiner gesamten rechten Gesichtshälfte Zahjadzeichen und viel schlimmer als das leicht wirbelnde
Chaos das ihr Erscheinen und Verschwinden mit sich brachte war, dass sie meine Gedanken widerspiegelten. Sollte ich jemandem begegnen der das lesen könnte hätte ich wirklich Probleme – mal ganz ab davon, dass so meine Beziehungen wohl offensichtlich war.
Von draußen erklang ein lautes Rummsen und die beiden anderen verließen den Raum um nach sehen zu gehen. Als sie wiederkehrten war mein Blut vom Teppich verschwunden… wahrscheinlich eine Selbstreinigung der Gegenstände, aber die anderen blickten mich mit einem besorgten Blick an. Rohezal trat von oben herunter und besah mich ebenfalls. Ich fühlte mich äußerst unwohl, denn er würde sicherlich bemerken was es mit den Symbolen auf sich hatte. Aber seltsamerweise macht er keine weiter Bemerkung dazu und ich versuchte ihn damit abzulenken, dass ich ihm von meiner Theorie erzählte die plötzlich in meinem Inneren
aufgetaucht war und behauptete, dass Rohal nicht wirklich da war, sondern alles seine Finte sei um den Magiern die Hoffnung zu nehmen. Als er nicht wirklich darauf einging verließ ich den Raum um mich draußen umzusehen und den Gefühlen in mir auf den Grund zu gehen.
Es war schon nachdem das letzte Rot am westlichen Horizont verschwunden war, als ich mich sitzend auf der Wiese wieder fand und aus dem Tür hörte ich Rufe, dass das Essen fertig sei. Unten am Turm fand ich den Dieb vor mit dem ich gemeinsam den Turm hinaufstieg, dieses Mal darauf bedacht der Melodie der Stufen zu lauschen, die mich noch vor wenigen Stunden sehr irritiert hatten.
Dass Essen schmeckte nach nichts, aber ich wollte nicht unhöflich sein, immerhin könnten sie mich auch draußen in der Kälte schlafen lassen. Leowulf zeigte sich nicht beim Essen und auf eine entsprechende Frage antwortete mir Rohezal, das er oben in der Sternwarte meditieren sei.
Ich stieg den Rest des Turms hinauf und trat in den Raum ein. In der Mitte hockte Leo auf einem Tisch und hatte die Augen geschlossen, öffnete sie aber als ich wenige Schritte herangetreten war. Mich überkam ein leicht ungutes Gefühl, aber ich ignorierte es und fragte was er inzwischen getan hätte. Er hatte wohl eine Visionssuche durchgeführt um seinen weiteren Weg zu suchen. Dieses führte ihn in eine Stadt im Lieblichen Feld. Dort sollte er oder vermutlich wir auf die
Person treffen, der wir die Kappe überreichen könnten, die Rohezal bisher an sich genommen hatte.
Ich zog den Ikanaria aus Stein aus meiner Tasche und hob den Zauber auf um ihn fliegen zu lassen. Wirklich beeindruckendes Schauspiel, aber ich fiel nicht auf seine Farben herein und so schwebte er durch das offene Fenster in die Dunkelheit hinaus, während Leo und ich nach unten schlafen gingen.

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