Das Leben eines Gezeichneten – Teil 107
Shafirs Schwur - Teil 2
15 Travia
Nachdem die Praiosscheibe mich durch ihre Lichtstrahlen im seitlichen Fenster geweckt hatte, musste ich nach einem Blick ins Zimmer der Comtessa feststellen, dass sie nicht mehr dort war und die Bediensteten wussten nur, dass sie ausreiten wäre. Ich suchten ein bisschen im Zimmer herum um heraus zu finden, wie sie denn aus dem Zimmer entwischen konnte ohne an mir oder Adaque, die die Nacht auf dem Balkon verbracht hatte, vorbei zu kommen, und fand eine Falltür im Kamin, welche zu einem Gästezimmer führte. Half uns beim Finden auch nicht weiter, aber meine Neugierde war zunächst einmal beruhigt, und so zog Adaque alleine los um sie zu suchen. Immerhin hatten wir ja auch nicht wirklich zugestimmt.
Ich verbrachte den Tag damit im Hof zu sitzen und auf den Brunnen zu starren, bis mich das Auftauchen des Familienheilers etwas aus dem Konzept brachte. Er war auf Anraten der Comtessa hier um meine Brandverletzungen zu beheben – vermutlich wollte sie nicht mit so jemandem auf dem Fest, welches für heute Abend geplant war, gesehen werden und ich ließ ihn nach einige Überlegungen gewähren, nicht ohne sorgsam darauf acht zu geben was genau er tat um nicht doch Opfer eines hinterhältigen Anschlags zu werden.
Entweder merkte er das ich vorsichtig war oder er… eigentlich gibts kein oder.. also jedenfalls tat er nichts unüberlegtes und zog wieder von dannen. Ich hatte eigentlich auch keine große Lust zum Fest zu gehen, aber mir kam der Einfall, dass es ganz amüsant sein könnte, wenn ich nicht als Connar ginge, sondern als Iribaan Van und so veränderte ich mein Aussehen und ging dann gesondert zum Fest.
Das Fest verlief trotz allem recht langweilig und erst als sich die Comtessa eine kleine Scherz mit ihrer Schwester erlaubte, die wohl ein Auge auf Odius geworfen hatte, und dann nach draußen rannte, wurde es leidlich interessant. Der Gardekommandant hatte nämlich heute angekündigt – das hatte ich von Leowulf erfahren, der einem kleinem Auflauf von Menschen zur Garnison gefolgt war an der ein respektabler Bürger von einem Unbekannten auf geknüpft worden war – dass es ab nun nachts verboten wäre herumzulaufen in der Stadt und Armbrustschützen auf den Dächern stehen würden. Eigentlich ging ich ja nicht davon aus, dass sie auch hier wären, immerhin wollte wir ja alle nach Hause irgendwie – und eine dumme Idee war es sowieso, weil man so mit Sicherheit nicht jene erwischen würde, die man haben wollte, sondern nur andere – und so ging ich zunächst langsam hinter der aufgeregt kreischende Menge hinterher.
Sie war tatsächlich erschossen worden. Absolut dämlich. Aber selbst schuld. Wer sich von seinen Gefühle.. ich begab mich jedenfalls zurück zum Haus, sobald der Kommandant alle Armbrustschützen von den Dächern geholt hatte und ins Zimmer der Comtessa um dort zu nächtigen. Sie sah nicht aus, als würde sie die nächste Zeit von der Seite ihrer toten Schwester weichen wollen und ihr Bett wirkte interessanter als meines.
Leider kehrte sie doch noch in der Nacht zurück und war etwas erschreckt über mich – ich trug noch immer mein zweites Gesicht – in ihrem Bett und rief die Wachen um Hilfe, während ich einen Widerwille wirkte und unter dem Bett verschwand. Sie wollte dann trotzdem nicht dort bleiben, aber zur Vorsicht beließ ich es bei meiner Position unter dem Bett.
16 Travia
Ich verließ das Zimmer, als die lichten Strahlen von draußen das Bett erreichten unter dem ich lag und musste unten feststellen, dass Adaque die Nacht in einer ähnlich ungewöhnlichen Position verbracht hatte – vor der Tür des Gästezimmers. Allerdings war die werte Comtessa wieder nicht zugegen, als ich einen kurzen Blick ins Zimmer warf und Adaque außer sich vor Wut. Die feine Dame hatte sich mit ihrem Bettlaken aus dem Fenster abgeseilt und konnte so das Haus verlassen. Adaque meinte, dass sie das getan hätte um ihre Schwester zu besuchen und wollte da mal nachsehen gehen, aber ich fand das langsam merkwürdig. Adaque kehrte mit der Frau zurück, die sie tatsächlich im Hesindetempel gefunden hatte und ich legte mich ins Bett, weil die Nacht nicht so gut gewesen war und ich heute Nacht mit Sicherheit nicht zur Ruhe kommen würde, weil die Totenfeier für das Mädchen angesetzt war.
Nachdem es draußen dunkelte, begaben wir uns alle zum nahen Hafen und beobachteten die Zeremonie mit der die Toten hier verabschiedet wurden – brennend auf einem kleine Strohschiffchen. Da mich das Ritual nicht sonderlich interessierte, begann ich mir die Leute näher anzusehen, die um mich herum standen und entdeckte einen recht hässlich aussehenden Bettler, der hier in der feinen Gesellschaft eigentlich wohl nichts zu suchen hatte. Auf meine Frage was er hier den wollte, antwortete er nur, dass er entfernt verwandt sei – was ich schlecht nachprüfen konnte – und auf meine Frage nach seinem Aussehen, dass er Aussatz hätte und jetzt gehen würde, bevor er von dannen hinkte.
Pünktlich um Mitternacht – zumindest vermutete ich das – schlug die Stimmung in ausgelassenes Feiern um, da im Horasreich offensichtlich der Tag nicht mit Anblick der Praiosscheibe am Horizont beginnt, sondern mitten in der Nacht und jetzt wohl Thalionmel Tag war. Es wurde ein großer Kelch an die Repräsentantin des Kommandanten – Frau Gebein – für das morgige Rennen überreicht aus dem sie einen Schluck nahm und es dann dem Kommandanten reichte, der nach einem Schluck es an Odius reichte. Nachdem dieser ihn auch gerade weiter reichen wollte, fiel Gebein plötzlich zu Boden und kurze Augenblicke später auch beide anderen, die aus dem Becher getrunken hatten. Jemand hatte ganz klar den Inhalt des Kelchs vergiftet. Ich versuchte einen Klarum Purum auf Odius, aber das Gift war zu stark, so dass ich dann erst mal nach sah ob es irgendwie magisch in den Kelch gelangt sei. Und war es tatsächlich. Vermutlich mittels eines Motoricus und etwas in dem Moment, als ich das sah, sah ich auch den Magier, der mich am Vortag behandelt hatte und der wie der Bettler hinkte. Ich sagte Leowulf er solle ihn aufhalten, weil er möglicherweise dafür verantwortlich wäre, aber dann kam mir eine bessere Idee. Ich warf meinen Widerwille wieder an und teilte Leowulf über den Armreif mit, dass er ihn gehen lassen sollte um ihm dann zu folgen.
Es dauerte ein bisschen und er lief fast durch die gesamte Stadt bevor er durch eine kleine Tür in die Kanalisation verschwand in die ich ebenfalls folgte. Ich erinnerte mich im weiterlaufen grob an bestimmte Sachen – ich hatte meine Stab angezündet um besser sehen zu können – die der Gotongi gestern in seinem Blick hatte – Vielleicht hing das hier zusammen – und blieb dann vor einer Wand stehen, die sich relativ schnell hinter dem Magier geschlossen hatte. Aber sein Weg schien drinnen auch zu Ende zu sein, denn von dort drangen Stimmen durch die Wand, die davon berichteten das morgige Rennen zu sabotieren und die anderen Teilnehmer vorher auszuschalten – sprach ja dafür, dass es tatsächlich der Magier gewesen war. Ich teilte über das Armband mit, welchen Weg Leowulf zu nehmen hatte und wartete lauschend.
Zuerst trat Adaque hinzu und als man Leowulfs Schritte von hinten hören konnte, betätigte Adaque – ob unabsichtlich oder nicht – den Mechanismus, so dass sich die Wand drehte und den Blick auf den Eingang freigab. Augenscheinlich hatte Leowulf genug von der Ruhe, denn er stürmte an uns vorbei in dem Raum und brüllte laut einige echsische Sachen heraus. Ich schlich mich hinter ihm her und Adaque blieb in der Tür stehen. Im Raum waren außer dem Magier sieben weiter Personen und eine davon doch tatsächlich die Comtessa höchstpersönlich – hab ich es doch gewusst. Leowulf stürzte auf dem Magier zu und ich wirkte zum entsetzten aller vermutlich, einen Tlalucs Odem auf den Raum, der die meisten in die Flucht trieb, da es leider außer dem Gang durch den wir gekommen waren noch zwei weitere gab. Ich folgte dem Magier, der über Stufen im Kamin nach hinten verschwand – langsam, weil ihn sein Bein behinderte – und dann doch tatsächlich den Weg mit einer Wand versperrte. Zum Glück hatte ich ihn im selben Augenblick mit einem Imperavi zum Stehen gezwungen und konnte nun in aller Ruhe untersuchen wie lange sein Zauber noch dauern würde. Er stellte sich als ausgesprochen kurzweilig heraus und so hob ich den Widerwille wieder auf und begann ihn an zu starren. Adaque unterbrach mich im rückwärts zählen und so konnte ich ihn nicht vollständig demütigen. Aber wenigstens war es kein Problem ihn zurück in den Hauptraum zu schleppen und dort neben die anderen zu legen, die Leowulf schon angeordnet hatte. Die Comtessa trug er über die Schulter gelegt.
Darken war auch da – er musste meine Wegbeschreibung gehört haben – und wollte wissen was wir da gemacht hatten und Adaque erklärte ihm, dass diese Leute wohl Giftmörder waren und noch mehr am morgigen Tag töten wollten. Leowulf untersuchte die noch anwesenden Verräter, fand aber nur einen Dolche bei der Comtessa und Adaque und Darken machen sich auf die Wache zu holen, während ich mich in den Gängen umsah. Wie es schien waren wir unter dem Haus der Comtessa gelandet, aber weitere Beweise fanden sich leider nicht unterhalb des Bodenniveaus. Wir trafen etwas gleichzeitig wieder unten im Versammlungsraum ein und die Wachen nahmen die Bewusstlosen mit um sie vermutlich einzusperren oder so. Der Kommandant würde mit Sicherheit nicht erfreut sein. Leo und ich gingen hinauf ins Zimmer um uns schlafen zu legen.
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