Geisterspuk in der Zwergenmine

Die Welt der 1000 Abenteuer

Zwergenkönig Margolix ist verzweifelt. In Scharen verlassenen seine Arbeiter die Silberminen von Gnarling auf der Flucht vor gruseligen Nebelgestalten. Die ganze Silberförderung des Zwergenreiches ist in Gefahr. Wie gut, dass im beschaulichen Dörflein Roog der große Held Bolko lebt. Nunja, was heißt hier schon Held. Genaugenommen handelt es sich um unseren genussfreudigen Vetter Bolko der sich in einem anderen Abenteuer durch unsere Hilfe zum Helden mausern konnte. Da wir schon damals die heimliche Kraft im Hintergrund waren, begleiten wir ihn auch diesmal um der eigentliche Retter des Zwergenreichs zu werden…

Die Welt

Die Welt der 1000 Abenteuer (Band1, Band 2) ist ein verhältnismäßig freundlicher Ort. Sicher, auch hier haben wir es mit Fallen, Monstern und zahllosen Toden zu tun. Der Ton der Abenteuer ist aber ungleich lockerer und positiver als der vieler anderer Abenteuerspielbücher. Statt mit markerschütternden Monsterwesen, haben wir es beispielsweise mit Stollentrollen zu tun und mystisches Phosphorade beleuchtet die Zwergenstollen. Die Welt ist nicht unplausibel, aber insgesamt doch etwas lockerer konzipiert als andere Spielbuchklassiker. Dazu trägt nicht zuletzt unser liebenswerter Vetter Bolko bei. Der gilt seit dem „Schatz der Oger“ als großer Held, ist aber eigentlich nur ein habgieriger Faulenzer, der nichts mehr im Sinn hat, als Gold und gutes Essen. Er begleitet uns den ganzen Weg durch die Zwergenmine und lockert so die Geschichte deutlich auf. Seine deplatzierten Essenswünsche und Tollpatschigkeiten nutzen sich etwas ab, halten die Welt aber durch kleine Zwischenszenen lebendig.

Allerdings sind das auch die Stellen an denen die Glaubwürdigkeit manchmal etwas leidet. Das Bolko so gar nicht versteht, in welche tödlichen Situationen er gerät, ist auf Dauer etwas unverständlich. Ebenso wie der Grundaufhänger des Buches. Zwar mag Bolko als Held gelten und wir gestehen gerne zu, dass wir als Abenteurer begehrt sind, aber das Schicksal des gesamten Zwergenreiches in die Hand zweier Dorftölpel zu legen, ist dann doch etwas hoch gegriffen. Hier wäre eine etwas persönlichere Motivation plausibler gewesen. Würde uns eine verzweifelte Zwergenfrau mit der Suche nach verschollenen Bergarbeitern betrauen und erklären, wieso der Zwergenkönig mit anderem beschäftigt ist, wäre unser Auftreten weitaus nachzuvollziehbarer. Das gleich die komplette zwergische Wirtschaft an dieser Mine hängt und der Zwergenkönig uns per Boten persönlich mit dem Retten seines Reiches betraut, ist dann doch etwas zu viel des Guten.

Das Spiel

Der Geisterspuk in der Zwergenmine ist ein klassisches Spielbuch. Wir entscheiden, wie wir vorgehen, sammeln Objekte und Informationen ein und müssen mitdenken, um das Ende des Buches erfolgreich zu erreichen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Spielbüchern hat sich Jens Schuhmacher in seiner Welt der 1000 Abenteuer für äußerst simple Regeln entschieden. Weder Lebenspunkte noch Rucksackplatz oder Kampfkraft müssen wir nachhalten. Wir wählen lediglich eines von 5 Talenten aus und schon dürfen wir in die Zwergenminen hinabsteigen. Kommt es zu einer „Probe“, wird auf kein kompliziertes Regelsystem zurückgegriffen, sondern eine simple Runentafel. Hier bestimmen wir eine zufällige Rune und schauen in den Abschnitt um zu erfahren, wie es weiter geht. Das ist sofort verständlich und vermeidet jegliche Zahlenspielerei, für Spielbuchfanatiker kann das aber etwas wenig sein. Charakterindividualisierung oder gar Stufenanstiege finden wir gar nicht und auch Kämpfe bestehen üblicherweise aus der Frage ob wir einen bestimmten Gegenstand besitzen oder Runenglück haben. Ohne Ausdauerpunkte bedeutet das üblicherweise Sieg oder Niederlage.

So locker die Welt und so einfach Regeln sind, so überraschend gnadenlos ist das vorliegende Abenteuer. Das verwinkelte Höhlensystem lauert mit zahlreichen Sackgassen und verlangt nach einem sorgsam gewählten Weg. „Doch Vorsicht, hinter jeder ecke kann das Verderben lauern!“, wie uns der Klappentext androht, ist also eine ernst zu nehmende Warnung. Wir wissen also was uns erwartet. Etwas ärgerlich ist nur, dass uns dabei auch völlig unangekündigte Sackgassen begegnen und der Zusammenhang der unterschiedlichen Objekte und Räume nicht immer ersichtlich ist. Ein falsch gewählter Raum kann uns unzählige Abschnitte später tödlich einholen. Fehlt uns ein entscheidendes Objekt, endet das Buch ebenso, wie wenn wir die Zwergenmine voreilig verlassen. Zahlenabfragen hindern uns dabei erfolgreich am Schummeln. So sind manche gefundene Objekte oder Geheimnisse über Zahlen kodiert, die an entscheidenden Stellen den zu lesenden Abschnitt angeben. Die Zwergenmine wird uns also einige Durchgänge begleiten und hält dabei in gerade einmal 250 Abschnitten erstaunlich abwechslungsreiche Begegnungen und Rätsel bereit. gelungene, satte Innenillustrationen werten das Spielerlebnis auf und erleichtern die Orientierung im Buch.

Während die Grundstruktur des Abenteuers ein recht klassischer und durchaus fordernder Dungeon mit Rätseln und Sackgassen ist, ist die Grundidee angenehm abwechslungsreich. Statt uns bloß mit Monstern und Falle um Falle zu konfrontieren um am Ende ein mächtiges Artefakt zu kriegen oder den Oberbösewicht zu besiegen, haben wir es hier mit einem zu lösenden Geheimnis zu tun. Wie schon erwähnt, können wir durchaus gefahrlos an die Oberfläche zurückkehren, Ruhm und Gold gibt es jedoch nur, wenn wir das Geheimnis des Spuks gelüftet und ein „Gegenmittel“ gefunden haben. Eine angenehm andere Aufgabe.

Ein Fazit

Jens Schuhmacher ist auch mit dem „Geisterspuk in der Zwergenmine“ ein guter Spagat zwischen anspruchsvollem Spielbuch und jugendfreundlicher Geschichte gelungen. Auch Spielbuchkenner dürften etwas am Buch zu knacken haben, während das jüngere Publikum mit viel Ausprobieren zum Ziel kommen kann. Die äußerst simplen Regeln sind gut gewählt und der insgesamt freundlichere Ton der Spielwelt ist eine angenehme Abwechslung zu den oft düsteren Vorbildern der Spielbuchlandschaft. Der etwas ausgetretene Pfad durch den Zwergendungeon wird durch ein interessantes Mysterium und auflockernde Interaktionen spannend gehalten. Solide Spielbuchkost für Kenner und fordernder, weitgehend hürdenloser, Spielspaß für Neueinsteiger.

Den „Geisterspuk in der Zwergenmine“ gibt es im Mantikore-Webshop

 

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