Boron Vademecum
Zwei Kulte des Schweigens
Passend zum Thema ist das Boron Vademecum, das elfte und somit vorletzte der zwölfgöttlichen Vademeci, in grau und schwarz gehalten, geziert von einem Raben über einem Boronsrad und ähnelt damit inhaltlich dem Symbol der Golgariten (nur eben auf anderem Hintergrund). Auf der Rückseite ist wie bei den restlichen Vademeci auch „Das schwarze Auge“ und „Ulisses Spiele“ aufgedruckt.
Im Gegensatz zum letzten Vademecum der Perainekirche ist dieses Büchlein wieder exklusiver für die jeweiligen Geweihten gedacht und daher im Spiel auch eher nur für entsprechende Spieler nutzbar. Da von den zwölfgöttlichen Kirchen die Boronkirche aber jene ist, von der es zwei Auslegungen gibt, ist das Buch so aufgezogen, dass auch beide Seiten bedient werden. Der Autor des Büchleins Ingame ist zwar ein Puniner Geweihter, der jedoch eine moderate Ansicht zu beiden Kirchen besitzt, so dass der Leser nicht zwischen Vorurteilen lesen muss.
Eben jener Zusammenhang wird dem Leser nach dem Vorwort in einem IT Vorwort erklärt, bevor dann das erste richtig Kapitel über das Wesen der Gottheit beginnt. Dieses ist vor allem von vielen IT Zitaten geprägt und stimmt den Leser auf das Thema ein, erklärt vielleicht sogar weniger kundlichen Spielern, dass der „Totengott“ eben nicht nur etwas mit dem Tod zu tun hat, sondern auch mit Vergessen und Träumen.
Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit den Alveraniaren und Heiligen der Kirche. Dabei wird auf die meisten nur kurz eingegangen und bei den Erklärungen auch auf Ingame Texte gesetzt. Mit dabei sind natürlich bekannte Gestalten wie Marbo, Golgari oder auch Uthar, aber eben auch Heilige, die nicht gleich in jedem zweiten Abenteuer erwähnt werden, wie etwa Sankta Liaiella oder der rein al’anfanische Sankt Tarquinio (Tar Honak). Alles in allem bietet das Kapitel einen guten Überblick, geht aber nicht sehr in die Tiefe und bezieht sich bei den al’anfanisch geprägten Heiligen rein auf die Ingame Texte aus der „Sammlung von Heiligengeschichten“.
Die nächsten beiden Kapitel sind den beiden Kirchen gewidmet und besitzen im Grunde den selben Aufbau. So wird die Struktur und Verwaltung der Kirche erklärt (die sich natürlich in einigen Punkten stark unterscheidet), die Tracht der Kirchen (die sich schon weniger unterscheidet), die Tempelgaben, Frömmigkeit und die Betreuung der Gläubigen. Gerade letzteres ist etwas, dass auch im Spiel von einem entsprechendem Geweihten direkt genutzt werden kann, denn er hat auf den Abenteuern immer wieder Kontakt zu solchen Menschen. Und auch der Spielleiter kann sich hier Anregungen holen, wie die einfachen Menschen auf die Borongeweihten zugehen und was sie von ihnen erwarten.
Auf diese Beschreibungen folgt der wohl in vielen Augen wichtigste (da direkt spielrelevant) Teil des Vademecum, nämlich die Beschreibung der Liturgien. Dabei werden zunächst fünf der 12 Segnungen beschrieben und dann die boronspezifischen Liturgien. Jeweils dabei steht die Handlung und so es passend ist, auch ein Text, den der Borongeweihte sagen kann – falls er kein Schweigegelübte abgelegt hat (auch für diesen Fall steht etwas in der Beschreibung). Bei den Liturgien, die in den Kirchen unterschiedlich benannt sind, sind jeweils beide Namen angegeben, wobei die Sortierung aber nach der Puniner Benennung erfolgte. Bei einigen Liturgien stehen Anmerkungen dabei, was andere Geweihte mit diesen zu erreichen vermochten. Geweihtenspieler haben hier definitiv etwas in der Hand mit dem sie ihren Geweihten tiefer ausgestalten können.
Und da es mit einfachen Liturgien meist nicht so getan ist, folgt im nächsten Kapitel dann etwas über die übrigen Bräuche und Rituale der Kirchen. Dabei werden sowohl Gottesdienste der beiden Kirchen, als auch die beiden verschiedenen Auffassungen vom borongefälligen Gebet erklärt und natürlich auch der al’anfanische Brauch über die Klippe zu springen nicht ausgelassen. Im Spiel gut gebrauchen kann man die Beschreibung der Aufnahme eines neuen Anwärters in beiden Kirchen, so wie die Visionssuche und Traumdeutung.
Und damit man als schweigsamer Borongeweihter immer die richtigen Worte zur Hand hat, gibt es nochmal ein extra Kapitel mit Gebeten und Chorälen, die man dann ebenfalls im Spiel nutzen kann.
Mehr für Spielleiter gedacht ist dann das folgende Kapitel, in dem die Talismane und Artefakte von beiden Kirchen beschrieben werden. Hier finden sich so bekannte Gegenstände wie das schwarze Buch (älteste Schrift der Boronkirche mit vielen Geheimnissen, aus dem man sicherlich ein wunderbares Abenteuer stricken könnte) oder die Überreste des Stabs des Vergessens (Spieler der Kampagne um das Jahr des Feuers werden hier vermutlich ein ‚jaa… das Ding, dass wir kaputt gemacht haben‘ Erlebnis bekommen), aber auch exotische Gegenstände, wie etwa das Rollsiegel der Umm’ay Chayar (Ein Siegel zu einem Schloss, dass noch keiner geöffnet hat), oder Bishdariels Auge (Ein Talisman mit dem man in Träume sehen kann).
Das vorletzte Ingame Kapitel befasst sich mit den Orden und Einheiten der beiden Boronkirchen und auch hier findet der Leser Bekanntes (wie etwa die Golgariten, die Hand Borons oder die Noioniten) und weniger Bekanntes (etwa die Zorkabiner oder den Kult des V’Sar).
Eher ungewöhlich ist das letzte ingame Kapitel des Vademecums in dem ein bisschen der Blick von Aventurien weg auf den Rest von Dere gelegt wird. Denn Boron wirkt ja nicht nur für seine Gläubigen auf Aventurien. Auch in Uthuria und im Güldenland gibt es nach Ansicht des Ingameautors Borons Wirken. Immerhin soll Bal Honak aus Myranor gekommen sein.
Als (eigentlichen) Abschluss des Bandes findet sich wieder einmal eine Erklärung dazu wie man denn nun einen Borongeweihten spielt. Dabei wird nicht nur auf die Sache mit dem wenig Reden eingegangen, sondern natürlich auf alle Gebote der Kirche und – für unentschlossene Spieler besonders brauchbar – zwei Hände voll von Konzepten vorgestellt, mit denen man so einen Geweihten ausstatten kann. Natürlich wird auch ein bisschen etwas zu den Beziehungen zu anderen Kirchen gesagt, aber der Fokus liegt eindeutig auf den Konzepten, was sicher nicht verkehrt ist.
Es folgen allerdings noch eine kleine Endnote (eine Beispielmusik für einen der Choräle) und eine Beispielhafte Weihe eines Boronangers, die man so sicherlich auch gut im LARP umsetzen könnte.
Fazit
Und wieder eines der Vademeci, die man auch im Spiel mit sich herumtragen kann um bei Zeiten nachschlagen zu können, wie denn was – gerade in der jeweils anderen Kirche – gehandhabt wird. Neben der eigentlich bisher immer praktischen Erklärung wie man denn nun einen solchen Geweihten spielen kann, bietet das Büchlein nicht nur einiges an Erklärungen für weniger erfahrene Spieler, sondern vor allem viele Texte, die direkt Ingame eine Anwendung finden (wie etwa Gebete, Liturgien oder Choräle). Als zusätzlicher Bonus für den Spielleiter bieten die Beschreibungen der Artefakte und auch der Orden und Einheiten Anregungen für eigene Abenteuer im Zusammenhang mit der Boronkirche und durch die Beschreibung der beiden Kirchen, bzw deren Umgang mit den Gläubigen auch wunderbare Einsichten in die Darstellung solcher NSCs. Für Spieler von Borongeweihten oder solche die es werden wollen und ihre Spielleiter definitiv einen Blick wert.
Mit freundlicher Unterstützung in Form eines Rezensionsexemplars von der Ulisses-Spiele GmbH und dem F-Shop.
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