Das Leben eines Gezeichneten – Teil 66
Goldene Blüten auf blauem Grund - Teil 5
14 Rahja
Nachdem sich die Praiosscheibe über den Horizont erhoben hatte, verließen uns die Waldläuferin und die beide Oger. Wir bestiegen unsere Pferde, Undus war auch wieder aufgetaucht, und ritten auf Schamaham zu.
In der Ferne kräuselten sich sanft die Säulen etwa einem Dutzend Feuer gen noch immer verhangenen Himmel. Das Dorf, das noch vor wenigen Tagen ruhig und friedlich in der Landschaft gelegen hatte war inzwischen zu einer leblosen Ruine geworden. Hier und da konnte man selbst vom Waldrand aus noch Reste von verbrannten Wagen und den schwarz verkohlten Mauern einiger Häuser erkennen. Es waren beileibe nicht alle Häuser angezündet worden, aber die wenigen verbreiteten selbst auf die Entfernung einen Geruch nach Verfall und Tod.
Eben noch hatte sich eine Patrouille in schwarz-rot aus den Hügeln herausgeschält, war aber recht schnell wieder dorthin zurück verschwunden.
Ich ließ meinen Blick über das offene Land schweifen.
“Ob sie uns gesehen haben?”
“Bestimmt… aber wir sind keine Bedrohung für Galottas Heer, ” Leowulf musterte sich und uns abgerissenen und von Karmanthi angefressenen Gestalten, die sich diesem Monstrum in den Weg stellen wollen.
“Diese Schlacht können wir nicht gewinnen..,” er blickte grimmig in Richtung der Rauchsäulen und atmete tief ein um möglichst viel der kampfesschwangeren Luft in sich aufzunehmen, “…den Krieg dafür schon!”
Auf Leowulfs Stirn kräuselte sich die Haut und es bildeten sich kleine Schuppen aus…
“Hat jemand von euch ein Problem damit die Amazonen zu opfern damit wir später eine Chance haben?” fragte ich gleichgültig klingend.
“Sie tun es doch selbst”, erwiderte Undúrael mit schwacher Stimme, “wir müssen uns nur um uns selbst kümmern, und diese Entscheidung haben wir getroffen.”Er kniff die Augen zusammen und versucht, durch den Rauch einen klaren Blick zu bekommen. “Wir sollten näher heran, trotz der Gefahr. Wir müssen mehr herausfinden.”
Na, die Antwort hätte ich jetzt nicht erwartet. Ich runzelte leicht die Stirn.
“Hmm, näher ran heißt aber, dass sie uns schnappen könnten. Das… missfällt mir.” Ich warf wieder einen Blick über die Hügel. “Haben wir keine anderen Möglichkeiten um zu sehen was dahinter ist?”
“Haben wir nicht noch diesen Ring der einen unsichtbar macht?” fragte Leowulf.
Mein Blick wanderte rüber zu ihm.
“Meinst du den Gegenstand aus Kunchom? Außerdem reicht Unsichtbarkeit nur bedingt, wenn da Dämonen herumlaufen. Sonst könnte ich dich auch einfach unsichtbar mache und hinschicken.”
“Mist…! Na gut, dann ist dieses Ding auch nutzlos.” Leowulf schaute noch einmal dorthin wo die Patrouille gewesen war. “Wir könnten uns einen von denen schnappen und den befragen. Erscheint mir leichter als direkt am Lager rumzuschnüffeln.”
“Und wie willst du das anstellen? Dazu müssten sie erstens erstmal hierher kommen und zweitens dann auch noch in einer Zahl, die ih… wir in diesem Zustand überwältigen könnt.”
Ich zuckte mit den Schultern. “So funktioniert das alles nicht.”
“Es gibt Hügel, es gibt Deckung”, stellte Undúrael fest. “Schnell hin, schnell schauen, schnell weg.” Er bleckte die Zähne. “Wenn ich bei Kräften wäre, wäre es leicht. So ist es ein Wagnis, aber ein Wagnis, das wir eingehen müssen. Wir müssen mehr herausfinden als nur die Tatsache, daß da ein Heer ist.”
“Du hast ja recht. Wir sollten mehr wissen. Mehr Wissen ist immer gut.” Ich schüttelte den Kopf und stieg dann von Nachtsturm. “Dann lass uns mal…”
Hinter dem Hügel lagerten die unterschiedlichsten Söldnereinheiten, grob würde ich sie auf etwa 500 Mann schätzen, von denen sich nach einem Odemblick meinerseits nur sechs als magisch erwiesen.
Auf dem Rückweg hatten wir sogar das Glück zwei Söldner gefangen nehmen zu können – sie waren so dumm sich außerhalb des Lagers zu begeben, redeten auch noch über eine Untote Nachhut und konnten meinem Somnigravis nichts entgegensetzten. Wir banden sie jeweils auf ein Pferd und reisten weiter gen Ost, um dieser Nachhut entgegen zu reisen. Nach Einbruch der Nacht, schlugen wir ein Lager auf und Adaque entsandt ihr Seelentier um die Amazonen schon mal mit dem notwendigsten zu versorgen. Ich überließ es zuerst Undu einen der Gefangene zu befragen, aber er bekam nichts aus ihm heraus und so verschaffte ich mir einen weiteren Freund
mit Hilfe eines Bannbaladins.
Viel mehr konnte er allerdings nicht sagen, aber wenigstens den Namen des Anführers – in diesem Fall eine Anführerin wussten wir nun und dass meine Schätzung in etwa stimmte. Belagerungswaffen hatte sie keine dabei, würden sie sich aber wohl bauen können.
Gerade als ich damit fertig war, den Soldaten in einen loyalen Diener zu verändern – dieser Zauber ist echt praktisch – erklang wieder jenes Geheul, welches die Karmanthi ausstoßen, wenn sie auf Jagd gehen. Und ausgerechnet jetzt, da wir in der Ferne die Fackeln der Nachhut gesehen hatten!
Dieses Mal lief ich lieber direkt weg, bevor mich Adaque wieder da halten konnte. War aber auch nicht viel besser, denn der Hund verstand es wohl als Aufforderung mir nach zuhetzten bis ich mich nicht mehr auf den Beinen halten konnte und zusammenbrach.
Adaque fand mich später mitten im Wald wieder und erzählte mir etwas von Harpyien und einer Leiche ohne Kopf und Geschlechtsteile, die – nachdem ich endlich wieder im Lager angelangt war – sich auch noch als nackt herausstellte. Adaque wollte die Sachen später noch benutzen, aber so wie die Leiche aussah waren die wohl ziemlich voller Blut. Undu und Greifwin waren schwer verletzt, Undus Pferd fehlte, Leowulfs Pferd fehlte, Greifwins war verletzt – also war weglaufen wohl doch die bessere Alternative – nur Leowulf schien recht zufrieden mit sich – Adaque hatte auf einem Baum ausgeharrt und war natürlich ebenfalls unverletzt, auch keine schlechte Alternative.
15 Rahja – 16 Rahja
Ich hatte die Nacht über nicht geschlafen und als wir gerade beschlossen hatten uns langsam aber sicher dem Frühstück zuzuwenden, drang der Lärm einer Söldnereinheit an unsere Ohren, die dann natürlich auch prompt von Leowulf zum Kampf herausgefordert wurden. Ich wirkte einen rev. Fulminictus auf Greifwin um einen weiteren Kämpfer zu haben – die Gegner waren zu fünft – und zog mich ins innere unseres Feuerkreises – Leowulf war es nachts kalt geworden – zurück.
Der Kampf war schnell vorbei, die Gegner hatten uns nichts entgegen zu setzten und wir beschlossen, nun da Greifwin wieder reiten konnte zurück zur Burg zu ziehen.
Am Mittag des nächsten Tages erreichten wir die Burg und legten uns direkt ins Bett. Ich hatte zwei Tage lang nicht geschlafen und beleibe keine Lust nur eine Sekunde länger wach zu bleiben.
17 Rahja
Wir wurden am Morgen von den Amazonen geweckt, die der Meinung waren, dass sie armen Leute aus den Dörfern evakuiert werden müssten – als hätten sie das in der Zwischenzeit nicht schon selbst erledigen können! Wofür haben wir ihnen denn eine Nachricht geschickt? Aber sie sind wohl außergewöhnlich unselbstständig und unfähig Dinge, die erledigt werden müssen zu machen. Außerdem sollten die Dörfer und Felder zerstört werden, was mir schon deutlich besser gefiel.
Da die Zugbrücke nicht ganz intakt war und der einzige der sie reparieren konnte ein Zwerg am anderen Ende des Tales war, beschlossen wir zuerst den Zwerg abzuholen und dann den Rest zu evakuieren. Greifwin, Leowulf und Undu erhielten ein Pferd der Amazonen für die Zeit und wir ritten los zum ersten Dorf, denn Bescheid sagen konnten wir ja auch auf dem Weg dorthin.
Im Dorf – Weitlingen mit Namen – trafen wir einzig einen alten Mann an, der auf Rufen von Greifwin nach dem Dämonenmeister – er hat mal echt keinerlei Talent für Bekanntmachungen – aus seinem Haus trat und uns etwas über einen Narren erzählte, der hier durchgekommen sei und was von ‘Logramoch’ erzählt hätte. Wunderbar. Ein Irrer Paktierer… das hatte uns ja gerade noch gefehlt. Wenigstens wollte der Alte alle anderen zum Aufbruch bewegen, so dass wir weiter
reisen konnten. Auf dem Weg zum nächsten Dorf brüllte Greifwin den Arbeitern auf den Feldern noch Informationshappen zu, die sie meiner Meinung nach aber nicht recht verstanden.
In Feenbach angekommen – irgendjemand hier war der Meinung, dass jede Menge Gänse ungemein zum Dorfbild beitragen und hatte dementsprechend eine große Anzahl der Tiere in der Mitte platziert, die jetzt laut schnatternd umherliefen – erklang schon zwischen den ersten Häusern das laute Schreien eines Kindes, das Greifwin dazu veranlasste direkt dort hin zu rennen.
Ich versuchte mir zunächst einen Überblick zu schaffen, bis er laut nach mir rief, weil er wohl mit dem Befinden des Kindes nicht weiter kam. War dann letztlich auch kein Wunder, das Kind schien vor Anstrengung beim Weinen fast zu ersticken, was in meinen Augen nun mal so überhaupt nicht normal sein konnte – wenn Kinder generell beim Weinen ersticken können, hätten wir schließlich alle ein Problem, denn das dürfte wohl die Sache sein, die Kinder meisterlich beherrschen.
Ich untersuchte das Kind also mit einem Odem und eine Analys, nachdem ich bemerkt hatte, dass es magisch beeinflusst war. Irgendjemand hatte eine mir unbekannten Zauber in einer unbekannten Art und Weise auf das Kind gelegt, was ich aber sehen konnte, war, dass es sich um eine umgedrehte Form handelte, denn die Fäden des Reversalis waren recht eindeutig, wenn auch auf sehr merkwürdige verspielte Art und Weise aneinander gefügt. In Zusammenhang mit diesem Narren, den der alte Mann gesehen hatte ergab es einen überaus interessanten Sinn. Der Spielkamerad des Kindes bestätigte tatsächlich, dass ein bekappter Mann da gewesen sei.
Ich ritt zurück in die Dorfmitte, während die anderen versuchte das Dorf zu durchkämmen, um das Dorf zu reiten – in Undus Fall – oder das Kind zu pflegen – in Greifwins Fall, wobei ich meine gesehen zu haben, dass er einen interessierten Blick auf die Mutter des Kleinen geworfen hatte.
Einige Augenblicke später trat auch Greifwin wieder auf den Dorfplatz um zu berichten, dass das Kind gestorben sei… als interessiere mich das irgendwie. Adaque hatte angefangen die Dächer zu besteigen um dort nachzusehen und winkte mir von dort zu. Gefunden hatte sie noch nichts und auch die anderen hatten keinen Erfolg bisher. Dann zeigte Greifwin in Richtung Wäldchen und spurtete los, ich hinterher und als wir dort angekommen waren, meinte er etwas außer
Atem, dass er den Mann in den Wald hineinlaufen gesehen hätte. Undu fand einen tiefen Fußabdruck, aber nichts weiter, also kehrten wir wieder zum Dorf zurück.
Adaque hatte inzwischen die Dorfbewohner informiert und hielt eine der Gänse im Arm. Auf meine Frage hin meinte sie nur, die Dorfbewohner wollte unbedingt einen Gans lebend in die Burg bringen und sie würde diese Gans dort hinbringen. Hoffentlich hat sie sich nicht anstecken lassen mit irgendwas hier.
Im nächsten Dorf sollte der Zwerg des Tales wohnen und die Schmiede fand sich auch recht einfach. Der Dorfrand war mit großen schwarzen Steinblöcken und alten Ruinen umgeben in denen einige Kinder spielten und der Weg ins Dorf führte direkt zur Schmiede in der der Zwerg gerade arbeitete. Er stellte sich als recht cleverer Bursche heraus, der ziemlich schnell – im Gegensatz zu den Dorfbewohnern – merkte was Sache war. Auf die Erwähnung der Zugbrücke war er natürlich bereit zu helfen, bräuchte dafür aber auch einen Karren um sein Werkzeug zu transportieren und wollte auch sein Bier nicht einfach zurücklassen – Zwerge eben. Einen Karren sollte es im nächsten Dorf geben und so überließen wir es dem Zwerg den Bewohnern bescheid zu geben.
Der Karren fand sich in Mühlbauen relativ schnell, der Weg ins Dorf war jedoch recht beschwerlich, da es am Hang gebaut worden war und überall Steinbrocken lagen. Es wurde schon Abend als uns ein Bewohner den Platz des Karrens verriet. Nachdem sich der Besitzer jedoch nicht so einfach mit Worten überzeugen ließ nahmen Leowulf und Greifwin sich schlicht den Karren, holten den Ochsen von der Weide und wir zogen wieder zurück nach Schwarzstein.
Der Zwerg war recht überrascht, dass wir so schnell den Karren bekommen hatten, bot uns dann aber einen Platz in seiner Hütte zum übernachten, so wie ein bisschen von seinem Bier an. Adaque schleppte noch immer die Gans mit sich herum, hatte sie zwar zwischendurch auf dem Wagen abgesetzt, aber als sie sie wieder hochnehmen wollte, hatte sich die Gans in ihrer Nase verbissen und wollte nicht mehr loslassen. Ich musste sie mit harter Hand davon überzeugen, dass loslassen die bessere Alternative sei.
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