Zombies: A Hunter’s Guide

Zombieinvestigationen im handlichen Format

Schlurfende Untote gehören seit eh und je zur Nerd- und Fantasykultur. Die prominenten willenlosen Schreckgestalten aus B-Movies und Pulp-Heften sind daher auch kaum mehr aus der Rollenspiellandschaft wegzudenken. daher verwundert es nicht, dass es immer wieder Versuche gibt das Genre für Rollenspielzwecke aufzubereiten, wie das wohl prominenteste Rollenspiel des Genres: All Flesh Must Be Eaten . Der Hunter’s Guide ist ein etwas eigener dieser Versuche der auf seine Weise überzeugen kann…

Zombies!

Zombies: A Hunter’s Guide ist 2010 im britischen Kleinverlag  Osprey Publishing erschienen, die das Quellenbuch aktuell – vielleicht im Zuge der neueren Zombiebegeisterung – reduziert als E-Version feilbieten.
Der Guide ist ein Quellenbuch in Reinform. Es gibt keinerlei Werte, kein Referenzsystem und keine Reihe in die das Buch einzuordnen wäre. Das Buch enthält stattdessen ausschließlich Informationen über Zombies. Das ganze geschieht in einer ungewöhnlichen aber gut lesbaren Form. Bereits das Vorwort ist Teil des Hintergrundes und erhebt den Anspruch von einem Geheimagenten geschrieben zu sein, der Zugriff auf geheime Quellen bekommen hat. Er verspricht uns nun – als zukünftige Zombiejäger? – alles über Zombies mitzuteilen was er weiß. Folgerichtig geschieht das in einem Essayistischen, in Ichform gehaltenen Stil der mit einigen Fußnoten etwas Seriösität vermitteln will.
Damit ist das Buch bereits ungewöhnlich. Auch wenn es einen wirklich guten und allgemeinen  umfassenden Überblick über Zombietypen gibt, steckt gleichzeitig ein Urban-Fantasy Hintergrund in dem Buch (etwas erinnert es mich an den Ghullastigen Hintergrund von Mark Everett Stone). Mehr in Nebensätzen wird von Geheimdienstoperationen erzählt und speziellen Sektionen und Abteilungen die das Übernatürliche – Zombies – bekämpfen. Die Faszination gewinnt das Setting dabei Urban-Fantasy-typisch durch die Vermengung von Wahrheit und Fiktion. Historische Ereignisse werden uminterpretiert, knüpfen dabei aber – mal mehr mal weniger – an wirkliche Vorstellungen an. So wird beispielsweise eine stark pointierte Geschichte Haitis gegeben, deren Protagonisten so skurril wirken, das Sie gut der Fiktion der Autoren entsprungen sein könnten, aber echte, umstrittene, historische Persönlichkeiten sind (Ja, Haiti wurde wirklich jahrelang von einem Voodoodoktordiktator beherrscht!). Auch die Frage was Zombiefilme über die „echten“ Zombies aussagen können wird angedeutet damit auch Zombiefilme in einem Zombiesetting einen adäquaten Platz zugewiesen bekommen… Unterstützt wird dieses Pseudoreale Gefühl durch vereinzelte Quellenverweise und Pseudo-wissenschaftliche Debatten, die mal auf echte Werke verweisen, mal auf Pseudoquellen aus dem Miskatonicverlag in Arkham.
Mit dieser Gratwanderung schafft das Buch eine sehr angenehme Mischung aus fiktiver Erzählung und Quellenbuch. Überzeugend ist es besonders dadurch, dass die angenehme Lesbarkeit mit Nützlichkeit für den Spieltisch verbunden wird. Hilfreich sind dabei keine konkreten Abenteuer, sondern eine Fokussierung auf Elemente die für Rollenspieler besonders wichtig sind. Neben Abschnitten über historische Situationen die Lust auf eine Kampagne machen ist das Besondere, dass Detailwissen über Zombies so dargestellt wird, dass man kaum Mühe haben wird es für Abenteuer anzuwenden. So werden einerseits Identifikationsmerkmale von Zombies gegeben (die für die Beschreibung nützlich sind), die Gefährlichkeit verschiedener Zombies beschrieben und die Möglichkeiten sie unschädlich zu  machen erläutert. Gewürzt wird das mit Infoblocks die beispielsweise sehr spezielle Zombiearten darstellen oder Bibliotheken mit wichtigen Werken der (Anti-)Nekromantie zusammenstellen (Der Vatikan, die Arkham Universitätsbibliothek…).

Zombies! Aber welche?

Zombies sind nicht gleich Zombies. Dabei gibt es nicht nur verschiedenste Typen, wie schlaue, schnelle oder magisch begabte Zombies, sondern insbesondere verschiedene Ursachen für Zombifizierungen die den jeweiligen Typus weiter spezifizieren. Das Buch kategorisiert Zombies dabei in 6 Typen ((Necromantic, Voodoo, Nazizombies, Revenants, Atomic und Viral Zombies) die chronologisch grob aufeinander folgen. Zwar können alle Typen gleichzeitig existieren – was dem Setting sehr gelegen ommt – die Bedeutung der jeweiligen Typen ändert sich aber durch die Jahrhunderte. Während große nekromantisch befohlene Zombiehorden in die dunkle, vormonotheistische Zeit verbannt werden, tauchen die Voodoozombies etwa im Kontext des Imperialismus auf und setzen die vergifteten und verstrahlten Untoten im kurzen 20. jahrhundert an. Die Idee die allen Zombietypen des Buches zu Grunde liegt ist dabei einfach die, dass Tote irgendwie in das Leben zurückgeholt werden. Das kann nicht nur auf verschiedenste Weisen passieren, wie eben durch Tränken, Gifte, Viren oder Verstrahlung, sondern das Buch fasst den Begriff „Zombie“ so weit, dass auch Geister (Revenants) als Zombies gelten. Dadurch ist es möglich eine abwechslungsreiche Spezialagenten Kampagne zu leiten, gleichzeitig kriegt man aber als Spielleiter einen großartigen Überblick über verschiedenste Zombienarrative und Ansätze Zombies zu erklären, zu beschreiben und zu vernichten. Man kann das Buch also genauso gut für eine Kampagne mit einer internationalen Zombiemagierverschwörung nutzen, wie für einen außergewöhnlichen Hintergrund für eine Zombiesurvivalkampagne.
Das Buch konzentriert sich dabei primär auf einen Spezialagentenansatz. Dementsprechend folgt nach der Beschreibung von sechs, relativ chronologischen Zombietypen ein Überblick über potentielle Schurken die Zombies befehligen können, sowie über Ausrüstungen und Taktiken um der Plage Herr zu werden und Geheimorganisationen die sich dem Problem bereits widmen. Auch dies funktioniert dabei ohne jegliche Werte und kann wie ein ‚Sachbuch‘ über Zombies gelesen werden, bzw. wie ein wirkliches Handbuch für Zombiejäger. Dementsprechend kann man das Buch auch als In-Game-Quelle oder als Lektüretipp für  Zombiejägerspieler nutzen. Wer selten spielt kann es auch zur seichten Abendunterhaltung nutzen, nach der man einen schönen Hintergrund, ein paar mystische Fakten und einen Überblick über Zombienarrative gewonnen hat…

Technisches und Aufbau

Nicht nur das Format eines In-Game-Quellenbuchs ist ungewöhnlich, auch die Aufbereitung ist etwas ungewohnt. Das Produkt kommt nämlich als pdf und epub daher, wobei der Verlag sich scheinbar auf das epub konzentriert hat. Hier wurde mit eingebundenen (aber etwas lose zusammengesuchten) Bildern, Bildunterschriften und verschiedenen Hintergrundfarben gearbeitet. Ein Index ist direkt anklickbar, Fußnoten fügen sich komfortabel ein…
Das pdf ist hingegen eher schlicht umgesetzt. Es fehlt jede Hintergrundgrafik und die Bilder sind (meist) randlos eingefügt und wirken häufig etwas verloren. Auch sind keinerlei Hyperlinks gesetzt. Die letzte Seite mit den den Verlagsangaben nutzt auch gleich 3-4 Schriftarten. Auch wenn manche Bilder in der großen pdf besser wirken ist die Ebookversion, trotz vereinzelt falsch gesetzter Bildunterschriften deutlich komfortabler. Solche kleinere Macken lassen sich für den jetzigen Preis von etwa 2,50€ gut verkraften, der ursprüngliche Kaufpreis von happigen 13,50€ scheint mir hingegen für ein so simpel umgesetztes Buch zu hoch angesetzt.

Fazit

Trotz guter Konkurrenzprodukte wie All Flesh Must Be Eaten oder dem sehr schönen Zombiequellenbuch Zombacalypse. Hat der Hunter’s Guide seinen Reiz. Das Format eines In-Game-Quellenbuchs ist sehr angenehm und auch zwischendurch lesbar, die Texte sind gut recherchiert und regen die Phantasie an. Auch die Geheimagentenidee und damit verbundene ‚alternative History‘ hat seinen Reiz. Wer Zombiekampagnen einen Twist verleihen will, sich für Zombievariationen interessiert oder niedrigschwellige Zombieabenteuer ausprobieren will sollte unbedingt zugreifen. Zumindest solange der Preis (noch?) stimmt…

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