Pathfinder Ausbauregeln III : Die Völker
Eine Rezension von Orakel
Bei den Ausbauregeln handelt es sich um eine Reihe von Büchern, welche Varianten und Erweiterungen der Regeln aus dem Grundregelwerk (und darüber hinaus) präsentieren. Grundsätzlich um die Frage bemüht, ob man nicht auf Regelseite einen stärkeren Weg der Individualisierung zu präsentieren. (Stellt das Grundregelwerk also das Abziehbild dar, kommen hier die Möglichkeiten zu tage, noch einmal anders in die Charaktererstellung einzugreifen.)
Auf insgesamt 258 Seiten wird dabei eine nicht immer ganz nachvollziehbare Auswahl verschiedener Völker unter den entsprechenden Gesichtspunkten aufgedröselt.
Allerdings gilt dabei folgendes: Jede einzelne dieser Regeln ist rein optional und muss mit dem Spielleiter im Vorfeld abgeklärt werden.
Grundsätzlich gilt dabei für die ersten drei Kapitel, welche sich mit den Grundvölkern, ungewöhnlichen Völkern und seltenen Völkern, beschäftigen, folgender Aufbau:
Nach einer allgemeinen Beschreibung, welche bereits bekannte Fakten aus vorangegangenen Publikationen zusammenfasst, werden die normalen Volksmerkmale in einem Kasten präsentiert. Volksmerkmale sind dabei die grundsätzlichen Werte und Eigenschaften, welche von der bisher bekannten Charaktererschaffung bekannt waren.
Der Abschnitt zu den „Alternativen Volksregeln“ präsentiert Wege, mit denen man unter vorgegebenen Umständen bestimmte Volksmerkmale aus den bislang bekannten Regeln austauschen kann. (Wichtig ist dabei, dass der entsprechende Aspekt nicht beliebig viel Ausgetauscht werden darf, sondern das sehr konkrete Beispiele existieren, welche klar besagen, welche Eigenschaften hier ersetzt werden.)
Im Falle der Grundvölker werden dann auch noch Volksunterarten präsentiert, die in gewisser Weise direkte Schablonen darstellen, welche klare Abgrenzungen von der Norm sind, und dementsprechend mit weniger Aufwand dann abgeändert werden können. (Um bei einem klassischeren Beispiel zu bleiben: Hier werden anstelle der üblichen Elfen neue Begriffe wie der Eiself oder der Schattenelf eingeführt.)
Der darauf folgende Abschnitt zu den Optionen zur bevorzugten Klasse beschäftigt sich mit der Frage, ob es im Rahmen eines Charakters eines bestimmten Volkes nicht andere Auswirkungen gibt, welche eine Klassensteigerung innerhalb der bevorzugten Klasse zum Ausdruck bringen.
„Volksarchetypen“ stellt jeweils zwei besondere Interpretationen bestimmter Klassen vor, welche gesondert für das jeweilige Volk von Bedeutung ist und dadurch hier zur Verfügung gestellt wird.
„Neue Volksregeln“ ist dann der Abschnitt, der sich mit allen noch eventuell offenstehenden Fragen beschäftigt. So werden jeweils spezifische neue Ausrüstungsgegenstände, Talente, magische Gegenstände und Zauber präsentiert.
Das 4te Kapitel, kurz einfach nur „Völkerbaukasten“ bezeichnet, schafft dann die Möglichkeit mit Hilfe von bestimmten, sehr einfachen Vorgaben möglichst schnell aus einer Auswahl von bestimmten Volkseigenschaften und Volksmerkmalen zu treffen, welche ein neues Volk, das man anschließend am Spieltisch einsetzen möchte, definieren. (Wer sich noch an Shadoms Artikelserie über seine ersten Gehversuche mit Pathfinder erinnert: Das hier hätte ihm damals vermutlich eine kleine Hilfestellung sein können.)
Dieses Kapitel ist gerade daher nützlich, solange man mit einem festgeschriebenem Konzept und klaren Vorstellungen von einem neuen Volk seine eigene Spielwelt mit anderen Aspekten ergänzen will. (Oder aber ein besonderes Setting, das so bislang nicht in der Pathfinder-Welt existiert hatte, in diese Regeln übertragen will.) Man bemerkt anhand dieser Umstände also, dass die Konvertierungswut in den letzten Jahren zugenommen hat.
Kurz noch eben zu meinem „Lieblingsthema“, bevor das hier noch unter geht (oder der Eindruck entsteht, ich hätte die ästhetische Seite vollständig ausgeben): Das optische Erscheinungsbild ist mal wieder sehr gelungen. Das Seitenlayout entspricht wieder mal den typischen Standards, die wir mal mehr und mal weniger gewohnt sind. (Zwischendurch wird dabei ja durchaus auch darauf verzichtet und stattdessen vollkommene Schlichtheit propagiert.)
Die Illustrationen sind wieder von sehr großer, malerischer Sorgfalt und überzeugen mit einer sehr großen Detailfreude. Aber auch die stilistische Stimmigkeit ist hier mal wieder gut getroffen worden, so das die entsprechenden Illustrationen wieder einmal wie aus einen Guss wirken, was zeitweise ja auch nicht immer zutreffend war.
Fazit
Ich habe, seid ich das PDF angefangen habe zu lesen, lange darüber nachgedacht, was ich davon halten soll. Rein von der Zielsetzung her erfüllt das Werk definitiv seine gesetzte Aufgabenstellung: Es werden von der crunch-Seite her Unmengen Variablen eingeführt, wie sich Volksunterschiede im Spiel ausarten könnten. Das ist natürlich für Personen, die sehr regellastig spielen ein unglaublicher Vorteil. (Nicht zuletzt ist Pathfinder ja durchaus ein System, an dem MinMaxer ihre helle Freude finden.) Andererseits stellt sich aber wie immer dabei die Frage: Ist dieses mehr an Zahlen wirklich ein „mehr“ an Möglichkeiten? Oder sind es wirklich nur mehr Zahlenkolonnen, die man in die variable Charakter mit einbringen muss? Oder würde nicht unter Umständen doch hier und da einfach eine veränderte Fluff-Lösung sich nicht ebenfalls anbieten?
Versteht mich nicht falsch: Natürlich sind das alles Spielstil und spielerphilosophische Grundsatzfragen, die ich hier auf keinen Fall in irgendeiner Weise beantworten will. Aber mittlerweile beobachte ich doch, zumindest wenn man die derzeitige Diskussion im Internet betrachtet, eine unglaublich starke Tendenz hin zu noch mehr Verreglementierung, wo diese nicht mal unbedingt immer notwendig sein müsste.
Sei es drum. Wer sich diesen Band zulegt bekommt genau das: Einen riesen Haufen an verschiedenen Wesenheiten, welche Möglichkeiten in die Hand gedrückt bekommen, um auf der Ebene der Volksbezeichnung sich in sehr großen Variablen voneinander unterscheiden zu können. Und gerade Gruppen, die einen eher exotischen Geschmack beim durchblättern der Monsterhandbücher bislang entwickelt haben, sollten hierbei auf ihre speziellen Kosten kommen. Den der dritte Band der Ausbauregeln ist nur bedingt von seiner Aufzählung der Grundvölker her interessant. (Die kennt man auch ohne dieses Buch zur Genüge aus dem Grundregelwerk.) Das zweite und das dritte Kapitel sind hier von besonderem Interesse. Gerade wenn man eben nicht den xten Elf (oder Zwerg oder … ach ihr wisst schon, was ich meine) ins Feld bringen will, sondern ein wenig über das äußere Erscheinungsbild her eine gesonderte Exotik transportieren will, findet auf diesem Weg sicherlich einige Möglichkeiten, aus den bisher bestehenden Grenzen auszubrechen.
Aber, wie man immer wieder hier betonen muss: Dieser gesamte Band ist als reine Anhäufung von Optional-regeln zu verstehen. Spieler müssen also mit ihrem Spielleiter darüber reden, ob sie diesen Band einsetzen können/dürfen, anstelle entsprechenden Mann (oder Frau) hinter dem Sichtschirm vor vollendete Tatsachen zu stellen. (Nicht zuletzt, weil der SL auch bestimmen „darf“, was entsprechend geeignete Rassen sind, auf die man eventuell passende Volksmerkmale auch noch anwenden könnte.
In dieser Hinsicht bekommt man also hiermit ein durchaus nützliches crunch-Werkzeug, dass aber für einige Spieler zu Frust am Spieltisch führen könnte, weil sie eben nicht einen weiteren Band kanonischer Möglichkeiten in die Hand gedrückt bekommen.
Mit freundlicher Unterstützung in Form eines Rezensionsexemplars von der Ulisses-Spiele GmbH und dem F-Shop.
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