Joe Haldeman: Der ewige Krieg. Gesamtausgabe

Eine Rezension von Orakel

„Und manchmal kommen sie wieder“. (Oder so ähnlich.)

Nein, ich rezensiere heute keinen Zombieroman, sondern nutze das kleine Zitat für etwas, das mir im Zusammenhang mit Haldemans Erstling vor kurzem aufgefallen ist: Lange bevor ich von der Existenz des Romans wusste, war mir der Titel bereits ein Begriff. Als hätte sich hier ein Buch zu einem feststehenden, von seiner Quelle unabhängigem Ausdruck in unserer Popkultur entwickelt.

Aber genug von diesem kleinen Schwank aus dem Leben, sehen wir uns einfach mal das corpus delicti der heutigen Rezension an.

Mit „Der ewige Krieg“ hat der Mantikore Verlag auf insgesamt 675 Seiten alle drei Titel zusammengefasst, mit denen Haldeman die Thematik seiner Vietnam-Erfahrungen verarbeitet hatte. Äußerlich betrachtet ist der Band erst einmal ein ganz schöner Batzen im Hardcoverformat mit Leseband. Das Cover, welches 2 Personen in Kampf/Raumanzügen vor einer steinigen Einöde zeigt, erinnert an die Cover, welche bei der ersten Übersetzung aus den 90ern hierzulande verwendet worden sind. Bevor jetzt jemand aufbegehrt: Auch wenn dieses Buch eine Neuauflage inklusive Neuübersetzung ist, so ist es dennoch legitim bei derartigen „Klassikern“ auf bereits optisch-unterbewusst vorhandene Vorbilder zu verweisen. Man spricht mit „Der ewige Krieg“ ja eben nicht nur ein völlig mit Science Fiktion unbelecktes Publikum an, dass zum ersten Mal mit den Titeln in Berührung kommt, sondern bietet hier eher den alten Hasen eine Möglichkeit noch einmal im Ganzen die Geschichte zu verfolgen. Jeder, der sich darüber hinaus für Haldeman interessiert, wird dabei natürlich gerne mitgenommen.

Aber worum geht es jetzt eigentlich? Technisch betrachtet werden hier drei Romane, wie bereits erwähnt, in einem Band zusammengefasst: „Der ewige Krieg“, was Haldemans erster war, „Am Ende des Krieges“, was eine Fortsetzung von „Der ewige Krieg“ ist und „Der ewige Friede“, was Inhaltlich mit den ersten beiden Geschichten nichts zu tun hat, aber mit dem Thema letzten Endes eine Einheit bildet. (Wichtig ist hierbei aber auch noch folgendes anzumerken: Zwischen den Veröffentlichungen der ursprünglichen Ausgaben von „The Forever War“ und „Forever Free“ liegen 23 Jahre. Und da bei den Widmungen sogar etwas von „25 Jahren später“ steht, heißt das für mich, dass das Manuskript nach der Fertigstellung zwei Jahre in der Schublade gelegen haben mag. „Forever Peace“ ist historisch gesehen sogar zwischen den beiden „Mandella“-Geschichten entstanden. Und so stellt ein Vorwort in Form von Anmerkungen des Autors sogar noch einmal klar, dass es von der „The Forever War“ nicht eine, sondern drei verschiedene Versionen gegeben hat, welche sich Inhaltlich in Details unterscheiden. (Es geht hierbei um spezielle Passagen auf der Erde, die von Haldeman zwecks der ersten Veröffentlichung umgeschrieben werden mussten. Verlagspolitik eben.) Wer also ältere Ausgaben noch kennt: Hier habt ihr, laut Vorwort, 100%ig den Urtext.

Aber um was geht es jetzt?

Der ewige Krieg: Der ewige Krieg ist die Geschichte des Soldaten Mandella. Fertiger Absolvent eines Studiums der Physik und Quasi von der Uni weg Zwangsverpflichtet im ersten interstellarem Krieg der Menschheit gegen das Volk der Taurier anzutreten. Das Problem dabei ist, dass die Soldaten an die Front in Schiffen geschickt werden müssen, welche mit Geschwindigkeiten jenseits des Lichts sich bewegen. Aus diesem Grund kommt es zu Zeitdilletationen, weswegen für die jeweiligen Soldaten die Zeit langsamer verstreicht, als für den Rest des Universums. Der zentrale Clou hierbei ist also weniger die Tatsache, das hier kriegerische Handlungen in der Geschichte stattfinden, sondern das eine radikale Entfremdung zwischen den Soldaten und der sie umgebenden Gesellschaft stattfindet. Insofern sind die spannenden Momente in diesem Roman nicht die Beschreibungen der einzelnen Schlachten, sondern viel mehr die anschließende Konfrontation mit den Menschen, die Zivilisten geblieben sind und in der zwischenzeit sich nicht nur weiter Fortpflanzten, weswegen eine Gesellschaft nach der anderen entstanden ist, die immer weniger überlebensfähig im eigentlichen Sinne ist, dafür aber auf ihre Art mit jedem mal immer Hysterischer wird. Bis am Ende die Frage nach der Rechtfertigung des Krieges überhaupt gestellt wird.

Am Ende des Krieges: Das hier ist die Fortsetzung von „Der ewige Krieg“. Wieder ist alles aus der Sicht von Mandella geschrieben, der sein Leben auf der „Müllhalde für abgelegte Kriegsveteranen“ beschreibt. Dadurch, dass sich die Gesellschaft dermaßen radikal verändert hat, dass von Seiten des „neuen Menschen“ in Kombination mit den Tauriern den überlebenden des ewigen Krieges eigentlich nur noch Misstrauen entgegen gebracht zu werden scheint, beginnt sich unter einer nicht unbedingt kleinen Gruppe von Kriegsveteranen ein immer größer werdender Unmut sich breit zu machen. Daher planen sie eine eigene Art von Protest: Sie wollen ein Überbleibsel des ewigen Krieges in Form des Schiffes nehmen, das ihren Planeten umkreist, und einen letzten Überlichtsprung machen. Ziel dabei ist es die Zeitdilletation für sich in der Form nutzbar zu machen, das sie irgendwann in der fernen Zukunft eine Welt für sich finden wollen. Der zentrale Punkt ist hierbei eindeutig philosophischer Natur, weil hierbei mit einem mal Fragen von Zeit und Ewigkeit miteinander aufgestellt werden.

Der ewige Friede: Wie gesagt, steht diese Geschichte nicht in direkter Verbindung zu den anderen Geschichten, sondern variiert das Thema der Fragen um den Sinn von Krieg und Frieden noch einmal. Die Geschichte dreht sich um Julian Class, der zusammen mit 11 anderen Personen eine ferngesteuerte Kampfmaschine bedient, der in der Geschichte als „Soldier Boy“ bezeichnet wird. Das Besondere dieser Waffen ist, dass die Operatoren dieser Waffen nicht nur im übertragenen Sinn eine Einheit sind, sondern während der Bediehnphase tatsächlich zu einem einzigen Bewusstsein verschmelzen. Die Geschichte dreht sich jetzt darum, das Class irgendwann nicht mehr mit dem Druck, dem der Operator ausgesetzt ist, klarkommt und deswegen einen Selbstmordversuch begeht.

Erst danach beginnt eine Neuorientierung, weil Julian mit einem mal Möglichkeiten entdeckt, welche die Natur des Menschen selbst Umdeuten und ihm andere Optionen für sein Handeln offenbaren. Haldeman erzählt hier verknüpft die Entstehungsgeschichte einer anderen Menschheit und zeigt auf diesem Weg veränderungen im Zusammenspiel aus Technik und Verstand auf, verweist aber auch auf den dystopischen Gedanken, das menschliche des Menschen auszumerzen. Jedoch nur, solange man den entsprechenden Aspekt tatsächlich als menschliche Natur und dadurch perse erhaltenswert begreifen will. Und wie Widerstände gerade gegen ein solches Vorgehen sich eröffnen.

Insgesamt betrachtet ist diese Geschichte dabei die Problematischste von allen, weil ihr kompletter Ansatz die Verpositivierung eines dystopischen Konzeptes darstellt.

 

Fazit

Ich hatte ja schon mal irgendwo angedeutet, dass gute Science Fiktion Storys sich meiner Ansicht nach nicht an der Frage, wie Technik in Zukunft aussehen könnte, aufhängen. Das ist mehr oder weniger Inhalt jedes einzelnen, futuristischen Settings. Wichtig für das Merkmal „gut“ ist eher die Frage: Was macht der Umgang mit dieser Technologie aus dem Menschen. Und genau in diese Sparte ist Haldeman gestoßen, als er seine Eindrücke des Vietnam-Krieges mit der ewige Krieg verfasst hat. Hiebei ist gerade eben der Punkt der Entfremdung unzähliger Menschen einander gegenüber das tragende Element, dass bis zu dem Moment führt, in dem beide nicht mehr wirklich aufeinandertreffen können und der zurückkehrende Part sich nicht mehr in in das große Ganze zurückintegrieren lässt. Das gerade diese Thema immer noch aktuell ist, brauche ich wohl nicht großartig zu betonen, oder?

Problematisch bei der ganzen Geschichte ist, wie bereits angedeutet, die Geschichte „Der ewige Friede“. Das allerdings ist darin zu sehen, dass hier im Grunde nicht die Existenz, sondern der Anfang einer Dystopie aufgezeigt wird, und wie einzelne Individuen in diesem Zusammenhang der gesamten Gesellschaft das schlechtere Leben als Gut verkaufen mögen, während die damit verbundenen, traditionellen Werte am Ende als böser Imperativ durch die verbindung entsprechend fanatischer Klischees aufgezeigt werden. Ich bin mir in sofern nicht wirklich sicher, welcher Geist Haldeman dabei geritten hat.

Grundsätzlich aber ist die Tatsache, dass diese Bücher auf diesem Weg endlich diese komplette Thematik a.) zusammenfasst und b.) in Form des Hardcovers die Haldeman-Geschichten endlich entsprechend gewürdigt werden ein positiv zu vermerkender Ansatz. Da gerade diese Geschichten mit Recht zu den absoluten Klassikern der Science Fiktion zählen, die man als Fan des Genres gelesen haben sollte.

2 Kommentare zu Joe Haldeman: Der ewige Krieg. Gesamtausgabe

  1. Erstmal ein Lob zur Rezi, ich teile deinen Blickwinkel und finde solche philosophsich/soziologischen einordnungen sehr sinnvoll. Aber magst du das mit der Dystopie im letzten Band nochmal ausführen, da komm ich nicht so mit.
    Verstehe ich das richtig das die Menschlichkeit durch ein neues synthetisches Bewusstsein entmenschlicht wird und dies im Roman affirmiert wird? Wenn ja, in wie weit ist das dystopisch, zumal du ja selber die annahme eines menschlichen wesens (per se) fraglich findest? Ich kenne die auflösung nicht, aber bin solchen Übherlegungen tendenziell aufgeschlossen und halte die Überwindung von Naturanlagen für eine mit viel potential.

    (Hier gibt es nette K. Dick Kurzgeschichten zu und sonst kann ich auf das aller nachdrücklichste auf die einflussreiche Sci-Fi Fabel „City“ von Simak verweisen)

  2. Hallo Leronoth. :)

    menschliches Wesen (per se): Das ist das Problem mit der unsauberen Terminolgie Nietzsches. Wenn man die Äußerungen einmal konsequent zu Ende denkt, bleibt am Ende immer noch „nur“ ein Mensch übrig. (Egal wie „Über“ er ist.) Und das gleiche problem haben wir eigentlich auch hier dann übrig.

    Und die Dystopie-Frage: Tja, das ist das Problem, mit dem der Dystopie-Begriff immer zu kämpfen hat. (Respektive: Die Dystopie ist an sehr viel mehr Dingen aufzuhängen, als nur dem autokratisch-diktatorischen Superstaat mit allsehendem Auge, der so gerne als äußeres Stilbild bemüht wird.)
    Wenn wir mal die Wikipedia heranziehen ist folgender Satz bei der ganzen Geschichte viel Wichtiger was seinen zweiten Teil anbelangt: „Typische Charakteristika einer Dystopie: Dem Individuum ist durch mechanisierte Superstaaten jegliche Freiheit genommen, die Kommunikation der Menschen untereinander ist eingeschränkt oder anderweitig gestört und das Bewusstsein der eigenen Geschichte und/oder eigener Werte gekappt.“

    Wenn wir das mal mit „Der ewige Friede“ vergleichen, dann raubt das Verfahren den Menschen die eigene Autonomie und den freihen Willen, um damit ein bestimmtes, wünschenswertes Ziel zu erzeugen. (Das ist mit der Gesellschaft in „Rückkehr von den Sternen“ von Lem zu vergleichen, die im Grunde ein vergleichbares verfahren schon Flächendeckend eingeführt hat und jetzt durch einen außenstehenden Beobachter das negativen Ergebnis aufgezeigt bekommt.)

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  1. Soldierboy | Neue Abenteuer

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