Voyage of the Beagle

Robinson Crusoe auf Darwins Pfaden

Robinson Crusoe ist bekanntlich eines meiner Lieblingskoopspiele. Auch wenn mit Eldritch Horror eine starke Konkurrenz hinzugekommen ist, vermag mich das Inselsetting und die gute Mechanik immer noch zu überzeugen. Daher war auch die erste Erweiterung ein Pflichtkauf für mich…

Überblick

Voyage of the Beagle kommt in einer mehr als ansehnlichen Verpackung daher. Im Stil eines Folianten des 19. Jahrhunderts gehalten, passt das Buch mit Seitenschnitt und Buchrücken perfekt in jedes bibliophile Regal und zieht uns direkt in die Stimmung der Erweiterung. Dass sich dann noch ein dezentes Vol. I auf dem Buchrücken findet lässt außerdem so manche Hoffnung aufkeimen.

Auch der Inhalt lässt sich nicht lumpen. Neben einem Regelheft finden wir ein Ringbuch mit den Szenarios, zwei Papppläne, diverse angenehm dicke Pappmarker, einen hölzernen Schiffssspielstein, einen Sonderwürfel und natürlich neue Charakterbögen und zahlreiche Karten vor. Die Ausstattung rechtfertigt den Preis von 20-25€ also allemal…

Szenario

Der Ttel „Voyage of the Beagle“ ist nicht umsonst identisch mit dem Titel eines der Werke Darwins. Wir schlüpfen nämlich in die Rolle der Schiffscrew von Darwin und können bzw. müssen ihn sogar als Charakter führen. Dieses Thema verbindet geschickt zwei grobe Spielziele. So müssen wir gleichzeitig wie im Hauptspiel mit beschränkten Ressourcen überleben und Wissen in Form von Knowledgepoints (KP) sammeln. Das ermöglicht neue Aufgaben ohne auf gewohnte Mechanismen zu verzichten.

Das Thema wird in der Kampagne liebevoll umgesetzt. Recht nachvollziehbar und sofern ich es beurteilen kann halbwegs historisch sauber erkunden wir ferne Inseln und sammeln dort Wissen in Form von seltenen Pflanzen, Mineralien und Tieren. Diese wollen sicher (wenn auch sicherlich nicht artgerecht) zur Kolonialmacht Britannien gebracht werden, weshalb Transportbehältnisse und Vorräte gesammelt und gebaut werden müssen. Außerde – soviel darf gespoilert werden – will die beschädigte MS Beagle repariert werden.

Diese Kampagne zieht sich über 5 (mit Bonusabenteuer 6) abwechslungsreiche aber fordernde Abenteuer die in strenger Reihenfolge gespielt werden sollten. Wissenspunkte werden dabei behalten und eine nette Tabelle gibt am Ende der Kampagne sogar Auskunft darüber welches Buch Darwin mit unserer Hilfe vollenden konnte. Thematisch passt also alles vom Layout bis zu den Missionseinleitungstexten wunderbar zusammen.

Regeln

Die Regeln sind wie gewohnt etwas eigen. Grundsätzlich wurden die Regeln des Hauptspiels genutzt, die Modifikationen der Missionen werden aber zuweilen auf die Spitze getrieben. Zwar wird wo möglich ein bekannter Mechanismus verwendet und angepasst, aber nur das erste Abenteuer lässt sich ohne große Vorbereitung spielen. Viele kleine Änderungen und zahlreiche neue Handlungsoptionen in den Missionen führen zwar dazu das jeder Abschnitt der Reise anders ist, die neuen Regeln sind aber häufig etwas knifflig und nicht immer gut aufbereitet. Zwar hat man sich merklich Mühe gegeben ein gutes Regel- und Missionsheft zu schreiben, die Aufteilung der Missionsmodifikationen auf beide Hefte erschwert das erschließen aber etwas und die manchmal etwas ungeordneten Listen mit Modifikationen müssen oft mehrmals gelesen werden.

Leider wurde auch sonst nicht immer auf Praxisnähe gesetzt. Die mitgelieferten Spielhilfen sind manchmal sperrig und sogar unnötig. Außerdem ging „Realismus“ oft vor Praxis. So muss man zumindest nach Mission 1 den kompletten Spielplan sichern, was dank Handykameras zwar möglich ist, aber den nächsten Aufbau mehr als aufwändig werden lässt.

Auf der anderen Seite wird wirklich versucht verschiedenste Situationen nachzubilden indem sogar Seereisen sowie Interaktionen mit der Inselbevölkerung stattfinden. Hierzu benötigt es aber eben sehr viele Optionalfälle und viel zusätzliches Spielmaterial. Etwas schade ist dabei, dass genau dieses jeweils nur für eine Mission gedacht ist und außerhalb dieser keine Anwendung findet…

Erweiterung?

Dem entsprechend ist die Reise der Beagle mehr eine Kampagnenbox als eine Erweiterung. Der überwiegende Großteil des Materials findet nur für die 5 umfangreichen Missionen Anwendung und bereichert die anderen Szenarios garnicht. Zwar wurden ein paar Universalkomponenten mitgeliefert und finden sich sogar Regelklarstellungen, der Bereich ist aber sehr mager obwohl es ein Leichtes gewesen wäre mehr Abwechslung in das Grundspiel zu bringen…

So finden sich lediglich 14 neue Eventkarten (im Verhältnis zu 73 im Grundspiel) und nur ein neuer Charakter – der bzw. die Missionarin (Darwin können wir ausschließlich in den neuen Missionen nutzen). Es finden sich also keinerlei neuen Tiere die gejagt werden können (hier ist man auf ein Promoset verwiesen, dass es auf der Messe zum Glück beigelegt gab), keine neuen Mysterykarten (immerhin werden diese selten genutzten Karten über die neuen Events angesprochen) und auch keine Bonuskarten für die drei Aktionsereignisstapel. Wer also nur sein Grundspiel erweitern will, wird hier bitter enttäuscht werden.

Eine allgemeine Anpassung gibt es dennoch. Und zwar in Form von 5 Karten die Crewmitglieder symbolisieren und eingesetzt werden können um den Schwierigkeitsgrad zu senken. Diese Schiffsbesatzungsmitglieder geben uns kleine Effekte wie beschränkt einsetzbare Spielsteine oder die Möglichkeit das nächste aufzudeckende Inselteil offen zu sehen. Die Effekte sind jedoch unterschiedlich stark und es gibt kein Punktesystem das diese Hilfen einberechnen würde.

Fazit

Schweren Herzens kann ich ich die Voyage der Beagle daher nur bedingt empfehlen. Der Preis ist fair, die Optik großartig und die Zusätze sinnvoll. Die Erweiterung ist aber nur dann lohnenswert wenn man die Kampagne wirklich spielen möchte und dafür bereit ist einige Stolperfallen und Einarbeitungszeit in Kauf zu nehmen. Auch wenn mir die bisher gespielten Szenarios gefallen haben, waren sie mir persönlich etwas zu komplex und haben die Spielmaterialien nicht wirklich ausgeschöpft. Hier haben mir die kleineren Modifikationen der 6 Grundspielszenarios deutlich besser gefallen. Diese haben die Grundmechaniken kreativ genutzt und so 6 unabhängig spielbare unterschiedliche Missionen erzeugt. Auch wenn es Regeln für das Spielen eines Zufallsszenarios gibt, können die Missionen meines Erachtens nur sinnvoll in Zusammenhang gespielt werden, was aber eine leidensfähige Gruppe voraussetzt.

Auch wenn mir die Ideen der Kampagne gefallen und sich viele liebevolle Details finden wäre eine Erweiterung mit neuen losen Missionen, neuen Karten und 1-2 sinnvoll eingefügten neuen Mechaniken mehr nach meinem Geschmack gewesen.

Fans und Spieler oder Spielerinnen die eine intensive Kampagne spielen wollen sollten zuschlagen. Wer jedoch lediglich gelegentlich eine abgeschlossene Mission spielt ist mit dem Grundspiel und der Zusatzmission bereits bestens bedient.

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