King Rat

Ein Roman von China Mieville

„Let’s put the rat back into fRATernity.“

Für den jungen Londoner Saul hat sich die Welt in einen Albtraum verwandelt. Er wird eines Nachts aus dem Schlaf gerissen und findet sich mit einem mal auf einer Polizeistation eingesperrt wieder, beschuldigt seinen eigenen Vater umgebracht zu haben. Und dann passiert etwas unerwartetes: Eine seltsame Gestallt taucht auf, befreit ihn aus dem Griff der Polizei und führt ihn durch die Abwasser an einen Ort, den er nicht in dieser Hinsicht erwartet hätte und klärt ihn über Dinge auf, die er nicht für Möglich gehalten hatte.
„King Rat“ ist der König der Ratten, seid Jahrhunderten auf diesem Planeten unterwegs und vor ewigen Zeiten in einer Stadt Namens Hameln aufs Äußerste von einer Person gedemütigt worden, welche ihm die Autorität über sein Volk geraubt hatte. Und dieser „Lord of the Dance“, uns anderweitig auch als der Rattenfänger von Hameln bekannt, ist jetzt erneut aufgetaucht: Mitten im London der Gegenwart. Und der Mann ist auf der Suche nach Saul, der in diesem Krieg der Tanzmusik etwas ganz besonderes darstellt: Saul ist weder Mensch noch Ratte, sondern etwas dazwischen. Und das heißt, dass er nach Ansicht von King Rat dem Rattenfänger als Hindernis entgegenkommt. Und auch wenn Saul so etwas wie eine besondere Wunderwaffe ist, ist auch der Rattenfänger nicht untätig, wobei er seine eigenen Waffen erschafft, durch die er Kontrolle ausübt, und das ausgerechnet auch noch inmitten von Sauls Freundeskreis.

King Rat ist eine von diesen Geschichten in denen sich sehr viel um die „klassischen“ Stoffe des Kampfes gut gegen böse dreht. Auch wenn Mieville hier ein paar Hintertürchen und seltsame Abzweigungen mit eingebaut hat. Grundsätzlich muss man nämlich auch noch erwähnen, dass es sich bei dem Roman um sein Debüt-Werk handelt, mit dem er in die britische Literaturszene eingestiegen ist und anschließend zu dem Autor wurde, der für seine verrückten Ideen mittlerweile bekannt ist. (Und für die ich ihn besonders stark zu schätzen gelernt habe.) Neben der Neuinterpretation des klassichen Märchenstoffes, den der Rattenfänger von Hameln darstellt sie man hier natürlich noch einige andere Dinge mitschwingen, die Mieville bekanntermaßen umtreiben: Als Mitglied einer marxistischen Partei sind hier sehr viele Anspielungen auf das Konzept des Klassenkampfes mit eingearbeitet worden. (So ist Sauls Vater beispielsweise überzeugter Sozialist gewesen und Saul hat auf diesem Weg einges über die Schriften von Lenin und Marx abbekommen.) Zeitgleich spielt aber auch gerade die jugendkultur Moderner Klubszene eine sehr prominente Rolle. „Jungle“ als elektronische Musik und ihre Wiedersprüche im Vergleich zu einem eher klassischen Musikbild sind dabei die tragenden Elemente (und dadurch verbunden kommt es auch zu bestimmten Aspekten wie der Frage, was an einer Musik letzten Endes für sie der identitätsbildende Stil ist. Im weitesten Sinne gesprochen zeigt sich hierbei auch der Wiederspruch, der eigentlich im Unverständnis zwischen den Generationen speziell in der zentralen Pointe letzten Endes. Aber was das ist würde zu sehr in den Bereich des Spoilers gehen. Sagen wir einfach: Musik stellt in der Geschichte sowohl das zentrale Problem, als auch letzten Endes die Lösung des ganzen Problems dar.)

Fazit

Das ich Mieville über alles im Verlauf der letzten Jahre zu schätzen gelernt habe, brauche ich wohl nicht noch einmal extra zu erwähnen. Gerade der Roman „Die Stadt & die Stadt“ ist meine persönliche Lieblingsgeschichte von diesem Autor und darüber hinaus etwas, das mir in möglichen verwendungen ständig Kopfzerbrechen bereitet. ^^

King Rat ist jetzt nicht ganz so gut strukturiert, was den Ausbruch aus bereits bekannten Dingen anbelangt. Mievielle hatte zu diesem Zeitpunkt scheinbar noch nicht den Plan gefasst, sich von der Tolkien-Prägung innerhalb der Phatastik zu lösen. Dennoch hat er hier einige sehr interessante Ideen verflochten, was Möglichkeiten betrifft, die nicht ganz so normal sind. Und man merkt halt eben, dass Mieville eher den sozialistischen Idealen anhängt. Das ist für unsere Zeit ungewöhnlich, aber nicht unbedingt unsympathisch. (Auch wenn einige Personen über solche Ideen eventuell die Nase rümpfen.)
Wie dem auch immer sei: Letzten Endes bricht zeigt Mieville hier durchaus das Talent mit einem leichten Hauch an Ironie einige Ebenen neu zu interpretieren und aus Dingen, die sich eigentlich dem Blick entziehen eine überaus spannende Welt für sich zu machen. Das Besondere dabei ist aber letzten Endes der Umstand, dass man eine urbane Methode der Kriegsführung nicht länger auf dem Schlachtfeld, sondern auf der Tanzfläche zu suchen hat.
Wie auch immer. Eine spannende Geschichte liegt mit „King Rat“ vor, die bereits einiges von dem Potential erahnen ließ, dass der Autor mittlerweile an den Tag gelegt hat. Wie immer kann man dazu eigentlich nur eines Sagen: Ein typischer Mievielle. Lesen und sich überraschen lassen, was kommt.

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