G steht für Gerüchte
Buchstabensalat mit Infernal Teddy
Wenn es um Abenteuer in städtischen Umgebungen geht stellen Gerüchte unter Umständen eines der wichtigsten Werkzeuge des Spielleiters da. Ich würde sagen, eine gute Auswahl an Gerüchten genießt bei mir sogar einen höheren Stellenwert als eine Sammlung von NSCs. Und jedes Stadt-Quellenbuch, das ohne eine Gerüchtesammlung daher kommt steht direkt schon schlechter da als es das eigentlich verdient hätte. Ihr fragt euch bestimmt wie ich dazu komme, eine solche Aussage zu machen, oder? Ich bin gerne bereit mich zu erklären, und hoffe euch wenn ich hier fertig bin überzeugt zu haben wenn es um Gerüchte im Rollenspiel geht.
Gerüchte erfüllen in einem urbanen Abenteuer – und noch sehr viel mehr in einer urbanen Kampagne – primär drei Funktionen. Die erste Funktion ist die offensichtlichste: Die Gerüchteküche gibt dem Spielleiter die Möglichkeit, den Spielern Informationen über die Stadt, ihre Bewohner und natürlich auch den Antagonisten mitkommen zu lassen, ohne das er dafür auf die Offplay-Ebene wechseln muss. Also quasi ein Infodump ohne die Spielebene zu verlassen. Die zweite Funktion ist die des Questgebers: Über die Gerüchteküche haben die Spieler bzw. ihre Charaktere die Chance sich darüber zu informieren, welche potenziellen „Missionen“ in dieser Stadt auf sie zukommen könnten und welche Aufgaben ihrer harren. Die letzte Funktion einer Gerüchteküche in diesem Kontext ist jene, welche allerdings sowohl von Spielleitern als auch von Autoren bzw. Verlagen am wenigsten wahrgenommen wird, nämlich die Stadt lebendiger wirken zu lassen. Die Themen über welche die Einheimischen in ihrer Taverne diskutieren spiegeln sehr einfach wieder, was diese Leute bewegt, worüber sie sich aufregen oder Sorgen machen – und die Themen über die sie sehr schnell still werden tragen ebenfalls dazu bei, die Stimmung der Stadt zu transportieren. Eine Stadt in der die Einheimischen lange und laut über ihren Tyrannen diskutieren, wirkt – wenn die Spieler aufpassen – schon ganz anders als wenn schon bei der Erwähnung des Königs eine verängstigte Stille sich ausbreitet.
Wenn ich ein urbanes Abenteuer leite nutze ich zwei selbst erstellte Zufallstabellen mit Gerüchten. Die erste Tabelle enthält allgemeine „Stimmungsgerüchte“, sprich: Dinge, welche die Bewohner der Stadt sich gegenseitig erzählen, und mit denen man ein besseres Bild vom Leben in der Stadt zeichnen kann. Die zweite Tabelle enthält spezifische Gerüchte, welche sich auf das Abenteuer selbst bezieht, und welche genau so viele „red herrings“ enthält wie Wahrheiten. Für richtige urbane Kampagnen sind es sogar drei Tabellen: die „Stimmungstabelle“, welche für die Stadt insgesamt Gültigkeit hat, eine Tabelle für Gerüchte und Abenteueraufhänger des Stadtviertels in dem sich die Charaktere befinden, und eine dritte Tabelle mit den „großen“ Geschichten und Abenteuern, welche sich wieder auf die ganze Stadt bezieht.
Das klingt natürlich alles so, als würde ich mich auf Fantasywelten beziehen, und bis zu einem gewissen Grad trifft das auch zu – gleichzeitig kann man aber das bisher Gesagte auch ohne Bedenken oder Schwierigkeiten auf Moderne oder Science Fiction-Settings übertragen. Die Gerüchteküche wird auch für Shadowrunner ein Teil der Beinarbeit sein, sich aber dennoch stark unterscheiden, je nachdem ob man sich in Seattle oder in Essen befindet. Ein Punkt den man allerdings als Spielleiter noch im Auge behalten sollte ist die Entwicklung. In einer Welt, welche möglichst lebendig und authentisch wirken soll dürfen natürlich nicht immer nur die selben Gerüchte im Umlauf sein, es sollten im Laufe der Zeit alte Gerüchte wegfallen, und dafür neue Gerüchte eingestreut werden. Besonders sollte man darauf achten wenn neue Geschichten in den Umlauf kommen, weil die Spieler entweder etwas ganz Tolles erreicht haben, oder weil sie einen katastrophalen Fehlschlag erlebt haben – oder weil die Pläne des Erzschurken im Hintergrund weiter voranschreiten, während die Charaktere lieber in irgendwelchen Gasthäusern herumlungern und sich irgendwelche Geschichtchen erzählen lassen…
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