Fünf historische Spiele die kaum einer spielt
Ein Friday Five mit Infernal Teddy
Nachdem wir uns hier in letzter Zeit wieder verstärkt mit dem Thema „Historisches Rollenspiel“ beschäftigen dachte ich, ich stelle euch mal fünf Rollenspiele aus dem Bereich „History and alternative history“ vor, die kaum (noch) jemand spielt. Und bei vieren von fünf wundert mich das eigentlich ein wenig – obskur sind diese nun nicht unbedingt. Aber schauen wir uns mal die Liste an.
Wraith: the Great War
Wir wissen ja alle, Wraith: the Oblivion von White Wolf ist mein Lieblingsrollenspiel. Aber dazu geworden ist es erst durch dieses Quellenbuch, welches als historisches Setting den „Großen Krieg“, den Ersten Weltkrieg und dessen Nachwehen präsentierte. Diese Zeit kann man getrost als einer der interessantesten und für die Entwicklung gerade in Europa entscheidenden bezeichnen, aber W:tGW ist meines Wissens nach das einzige RPG das in dieser Zeit angesiedelt wurde. Der Erste Weltkrieg verwüstete und entvölkerte ganze Regionen Europas, löschte Adelsfamilien aus, die sich problemlos bis ins Mittelalter zurück verfolgen ließen, führte die grausamen Schrecken der modernen Kriegsführung ein, und veränderte für immer die politische Landkarte der ganzen Welt. Addiert man dazu die sogenannte Spanische Influenza (1918-1920), welche weltweit 50-100 Millionen Menschen auslöschte, und man kann erkennen warum diese plötzliche Sintflut der Toten in der Welt der Geister einen der schrecklichen Großen Mahlströme auslöste. Vor diesem Hintergrund spielen die Charaktere Legionäre im Reiche Stygias die gleichzeitig Teil eines Bürgerkriegs der Toten sind und dieses Reich auch gegen den Mahlstrom beschützen.
Requiem for Rome
Und ein weiteres historisches Szenario von White Wolf, dieses mal für Vampire: the Requiem und die neue Welt der Dunkelheit. Dieses Quellenbuch stellt die Welt der Vampire da wie es sich im antiken Rom präsentierte, aber nicht Rom zu seiner Glanzzeit als Republik, oder gar als imperiale Hauptstadt der bekannten Welt, sondern ein Rom dessen Glanz längst vergangen ist und Konstantinopel die Hauptstadt des Reiches ist. Regiert wird das nächtliche Rom dabei von einer Organisation die sich die Camarilla nennt, in der jeder seinen Platz hat, auch die religiösen Ketzer der Lancea et Sanctum, und in der der Herrscherclan, die Julii, alles überthronen. In dieser Zeit strömen fremdartige Vampire anderer Clans nach Rom, und die Camarilla wankt – doch nicht nur die Camarilla wird fallen, auch die Julii werden bald zugrunde gehen, denn mysteriöse Geister, die Stryx, drohen damit die Sünden der Väter auf diesen Clan herabfallen zu lassen.
For Fairie, Queen and Country
Gut, zugegeben, das niemand noch dieses Spiel spielt ist für mich völlig verständlich: FQC war ein Setting für Amazing Engine, TSRs Universalrollenspiel der Kategorie „Gute Idee, leugnen wir die Umsetzung“. Dieses Spiel war in einem viktorianischen England angesiedelt in dem Menschen und Faeries Seite an Seite miteinander lebten – inklusive Vertreter der Seelie und Unseelie-Höfe im Parlament. Das Setting hatte einige interessante Ideen was das Alltagsleben in einer solchen Welt anging (Wobei mir seid ich Peter Ackroyds London-Biographie gelesen habe die Ideen weniger merkwürdig vorkommen als das was die Londoner sich selbst ausgedacht haben), und ein interessantes Magiesystem welches relativ offen war, aber FQC war als Setting seiner Zeit voraus (Die große Steampunk- und Victoriana-Welle kam erst viel später) und war nun mal an ein System gebunden das einfach keiner gespielt hat. Leider ist mein Exemplar bei einem Umzug verschwunden.
Cthulhu by gaslight
Call of Cthulhu hat eigentlich drei große Epochen die primär gespielt werden. Am meisten bespielt – gerade auch in Deutschland – werden die Roaring Twenties, die Zwanziger Jahre. Meiner Meinung nach ehrlich gesagt die langweiligste Epoche, trotz des herausragenden Materials von Pegasus. Und dank Pagan Publishings Delta Green erfreut sich auch das Mythos bekämpfen in der Gegenwart großer Popularität. Leider geht dabei aber meine Lieblingsepoche völlig unter: das Viktorianische. Ausgerechnet die Hochzeit des „gothic novel“, eine Zeit als Wissenschaft und Rationalität endgültig beginnen sich von Aberglaube und Furcht zu lösen wird von Cthulhu-Spielern scheinbar als völlig uninteressant abgetan. Ausgerechnet die Zeit die uns Jack the Ripper und Spring-heeled Jack bringt, Dracula und Frankenstein (Ein Schelm der da nicht Hastur oder Nyarlathotep am Werk sieht), aber auch Holmes und Quartermain. Mir zumindest erscheint es, als hätten sich Verlage und Spielerschaft an dieser Stelle um einige interessante Geschichten beraubt, zumal meines Wissens nach nur wenige Produkte für diese Epoche erschienen sind.
King Arthur Pendragon
Ich sprach ja vor kurzem davon das ich KAP leider nie gespielt habe, und ich vermute mal, so geht es vielen unserer Leser – KAP ist eines der am meisten geschätzten ungespielten RPGs in der Geschichte unseres Hobbies. KAP versucht die Literatur auf der es basiert zu emulieren in dem es nicht Attribute oder Fertigkeiten zum Mittelpunkt des Charakters macht, sondern dessen Tugenden und Wertevorstellungen, und gibt diesen auch mechanische Auswirkungen (Womit es der Indiebewegung um ein oder zwei Jahrzehnte vorgreift). Außerdem ist Pendragon innerhalb seines Genres (Arthurania) sehr flexibel – es ist zwar auf episches Heldenspiel ausgelegt im Stile von Malorys Le Morte D’Arthur (Und wer das noch nicht gelesen hat: schleunigst nachholen!), aber kann genau so andere Interpretationen der Arthursagen unterstützen, von Excalibur über dem Mabinogion, Mary Stewarts Merlin-Romane und *Schauder* King Arthur bis hin zu *Seufz* Monty Pythons Ritter der Kokosnuss.
Mir fällt zum ersten Weltkrieg spontan auf jeden Fall der Cthulhu-Quellenband ‚Niemandsland – Grabenkrieg und Heimatfront‘ ein… Da müsste es aber noch mehr geben.