Die Rache der Hexenkönigin

Pathfinder Adventurepath: Die Winterkönigin Teil 6

Und damit sind wir dann an der Stelle angekommen, vor der man sich irgendwie immer fürchtet: Am Ende. (Also, am Ende des Adventurepathes, nicht am Ende aller Tage, oder an was ihr auch immer gerade gedacht habt.)

Fassen wir also zusammen: Im letzten Teil haben wir die historische Persönlichkeit des Rasputins doch noch aus der Welt geprügelt, um am Ende mit einer Matroschka-Puppe in der Hand ins Innerste der tanzenden Hütte zu verschwinden. Und genau um diese Matroschka-Puppe und das allerheiligste der Hütte der Baba Yaga geht es jetzt in diesem Teil, mit dem „Die Winterkönigin“ endlich ihren Ausgang findet. Kurz gesagt: Ziel des Abenteuers ist es, Baba Yaga aus der Matroschka-Puppe zu befreien, um damit den ewigen Winter Irisiens als globales Phänomen auf Golarion zu verhindern. Und um das zu schaffen, muss man sich auf unterschiedlichen Halbebenen innerhalb der tanzenden Hütte bewegen, um dabei verschiedene Gegenstände zu sammeln, die jeweils bestimmte Aspekte der Hexenkönigin darstellen. Zeitgleich erfährt man aber auch, für wen man da eigentlich jetzt tatsächlich arbeitet, weil jeder Aspekt der Hexenkönigin einen kleinen Einblick in das Wesen der Person liefert, für die die Charaktere die ganze Zeit gearbeitet haben. (Und die tatsächlich als Einzige in der Lage ist, das Ritual von Elvanna wieder umzukehren, dass sich mittlerweile im vollen Gang jenseits vom Point of no Selfreturn befindet.)
Hierbei erlebt man einen ganzen Haufen sehr seltsamer Welten, die teilweise einen sehr skurrilen Eigenwert von der Gestaltung her haben, zum Teil aber auch auf einer sehr seltsame Art fast schon bieder-normal gestaltet sind. (Und das gerade hier alles bis zum letzten Teil mit hohem Konfliktpotential zugemüllt worden ist, muss ich wohl nicht extra erwähnen. Immerhin sprechen wir hier vom Allerheiligsten der Baba Yaga.)

Ergänzend kommt dazu dann natürlich die NSC-Galerie, welche die hier vorkommenden Spielleiterfiguren mit Werten versehen. (Was man bereits von anderen Adventurepathes kennt.) Sowie mit den „Schätze(n) der Winterkönigin“ das Kapitel der in diesem Abenteuer vorfindbaren Artefakte, welche als der „geile Scheiß“ hier behandelt werden.

Und, was vermutlich nach diesem ganzen Chaos noch von Interesse sein könnte ist natürlich die Frage, wie man eine solche Kampagne fortführen kann/darf/soll. Sprich: Auch wenn man am Ende dieses Bandes den Level 18 erreicht hat, bleibt immer noch die Frage offen, was man darüber hinaus noch machen könnte. (Und es gibt da durchaus noch ein paar lose Enden, die übrig beleiben. Egal ob mit dem bisherigen Mantel der Reiter – und damit in Baba Yagas Diensten – oder gegen die bisherige „Auftraggeberin“, wobei noch weitere Regelbände zum tragen kommen, weil die gute Hexenkönigin natürlich nur für Legenden zu greifen ist.

Das Sahnehäubchen dabei ist aber, dass hier dann doch genügend Zeilen übrig blieben, um den „Grauen Mann“ im Hintergrund vernünftig auszuleuchten (zumindest solange dieser Hintergrund für Pathfinder von Relevanz ist.) Baba Yaga wird hier mit ihrer ganzen grausamen Geschichte dargestellt, die auch erklärt, was genau dafür sorgte, dass die dunkle Hexe so tickt, wie sie tickt.
Ich will jetzt nicht bis ins letzte Detail alle Welt hier mit Spoilern zukleistern, aber: Die gute Baba Yaga ist alles andere als das freundliche Großmütterchen. (Schon allein, dass sie Irrisien mit einem ewigen Winter bestraft zeigt ja an, dass sie nicht unbedingt eine besonders freundliche Persönlichkeit ist, aber hier kommt einiges zusammen, bei dem ich zumindest einige male schlucken musste.) Andererseits passt das halt alles zur Mythenfigur der Baba Yaga, die man ja zumindest im osteuropäischem Raum mit diversen Märchen und Sagen bedacht hat.

„Der Elfenbeiturm“ ist der sechste Teil der Knochenmehr-Puppen, in dem es darum geht, was die Loge der Kundschafter mit beseelten Puppen zu tun hat. (Respektive, wie sie überhaupt eine solche in ihre Hand bekommen haben.)

Das Bestiarium ist mal wieder weitestgehend auf das Abenteuer in diesem Band konzentriert und stellt dabei einige Wesenheiten vor, auf die die Charaktere im Verlauf der Geschichte stoßen können.
Die „Alte Königin“ ist eine untote Wesenheit, die seit Jahrhunderten inmitten des allerheiligsten der tanzenden Hütte hockt, und dabei das finsterste Geheimnis von Baba Yaga und ihrer Langlebigkeit darstellt. Insgesamt gibt es nur 12 Exemplare dieser einmaligen Wesen.

„Vettelaugenschlick“ ist eine von Vetteln hergestellte Wesenheit, die als glitschiger Agent und Überwachungssystem irgendwo in der Gegend hängen und alle begaffen, was in ihr Blickfeld kommt. „Zirkelschlick“ hingegen ist Quasi die Weiterentwicklung des Vettelaugenschlicks. Wenn nämlich ein Vettelnzirkel ausgelöscht wird – und der Vettelaugenschlick in der Nähe ist – versucht dieser so viele Augen wie nur eben möglich in sich zu integrieren, weil er zum ersten Mal in seiner Existenz diesen Funken totaler unabhängigkeit erfährt, als seine Meisterin die Kontrolle durch ihr ableben über ihre Kreatur verliert.

Die „Mittagsfrau“ ist eine Frau, die gegen Mittag auf Feldern mit einem Mal auftaucht und dabei Feldarbeiter verführt und entführt. Sobald die Nacht das Land aber einfängt, wechselt die Mittagsfrau die Ebene und muss mit entschrecken feststellen, was ihre „Familie“ in ihrer Abwesenheit anstellen.

Die „Sturmvettel“ ist schließlich ein kleines Wesen, dass von Hass erfüllt ist und den Sturm daher sät. Außerdem hat sie einen sehr ausgeprägten, verfeinerten Gaumen und isst am liebsten das zarte fleisch menschlicher Kinder.

Und natürlich wird das Buch abgeschlossen von den üblichen Karten, welche die Orte grafisch darstellen, die man im Verlauf dieses Bandes bereisen muss.

Fazit

Also: Was ist los? Wir haben hier ein durchgehend wirklich tolles Layout, dass sich mal vollständig aus dem sonst zu erwartenden „Standard“, den Pathfinder mittlerweile aufgebaut hat, abwendet. Dazu kommen dann die wie üblich sehr schönen Illustrationen, welche mal wieder so aussehen, als wären sie stilistisch von einer Person erstellt worden. (Insofern mal wieder eine gute Kombination ähnlicher Illustratoren.)

Storytechnisch versteckte sich das eigentliche Thema (Reisen durch die Raum-Zeit, was eigentlich ein Science Fiction-Thema ist) hinter dem anderen großen Subgenre der Phantastik, nämlich der Fantasy. Und das hat man mit einer Menge magischen Ideen zugeballert, dass bei einigen wenigen Leuten, die eher ihre EDO-Kost wollen, die eine oder andere Sicherung vermutlich durchbrennen lässt, weil sie sich plötzlich nicht mehr in ihrer sauberen Welt der Fantasy bewegen.

Schlimm bei dieser ganzen Sache ist halt, dass sich jenseits des dann doch zum Teil sehr klassischen Plots eine gewisse Moralproblematik stellt, die man so eher den DSA-Abenteuern vorwirft: Es geht hier um eine Art „Pet-NSC“, der um jeden Fall befreit werden muss, um das zu tun, wofür er am Ende auch bestimmt wurde. (Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass Baba Yaga zwar eine Respektsperson ist, die sich aber ganz klar im bösen Spektrum der D&D-Moralskala bewegt.)
Das kann hier durchaus zu einem Problem für Spieler werden, die im Verlauf des Abenteuerpfades festgestellt haben, dass sie die Hexenkönigin lieber doch in ihrem Gefängnis belassen würden. Das Ende dieses Abenteuers, sowie seine komplette Logik ist ganz klar von der Befreiung der Baba Yaga abhängig.
Bevor ich das allerdings zu sehr ausbreite: Natürlich lässt dieser Abenteuerpfad die Option offen, dass die Charaktere danach jenseits des festgeschriebenen Pfades des Abenteuers sich die notwendigen Stufen erarbeiten um es mit einer Legende aufzunehmen. (Nein, das ist kein Pfahl: Der ist der ganze verdammte Gartenzaun.) Aber es stellt sich natürlich nach einem solchen Vorgang die Frage: Geht man überhaupt noch weiter? Oder wechselt man nachdem man sich bis zu Level 18 hochgearbeitet hat eventuell doch die Charakterkonstallation, um wieder von unten anzufangen?

Insofern verbleibe ich wegen eben genau dieses speziellen Problems hier ein wenig zwiegspalten sitzen und habe dennoch meinen absoluten Liebling unter den Abenteuerpfaden, die Paizo verbrochen und Ulisses ins deutsche Übertragen haben vor mir liegen.
Die Winterkönigin ist definitiv die beeindruckenste Idee, die ich seit langem im Bereich Kaufabenteuer durchgearbeitet habe. Einfach weil man hier einmal alles mit Füßen getreten hat, was „normalerweise“ als Grenze gesehen wurde. Und dadurch wurde verdammt viel tolles Zeug geschaffen, das eventuell noch einiges an Inspirationsquellen bieten kann, und sei es nur zum groben Ausschlachten als eher fantelalterliche ScienceFantasyinterpretation. Schön kompakt auf den üblichen 100 Seiten.

Mit freundlicher Unterstützung in Form eines Rezensionsexemplars von der Ulisses-Spiele GmbH und dem F-Shop.

3 Kommentare zu Die Rache der Hexenkönigin

  1. Wie lange spielt man den an so einem Band hin? Gerade die Thematik würde mich reizen, aber alleine 85 Euro für das PDF Paket sind schon ein Brocken.

    • Infernal_Teddy // Februar 7, 2015 um 21:42 // Antworten

      Da kann ich auch nur relativ wenig dazu sagen – meine Gruppe spielt(e) die Kingmaker-Kampagne, die ist von der Struktur etwas anderes, und wir hatten auch längere Pausen dazwischen.

  2. Da habe ich leider nicht so viel Erfahrung bislang mit sammeln können. (Kenne bis jetzt nur die „Derp-Squad“ vom Nerdpol mit dem Erwachen der Runenherrscher, die aber auch extrem lange Pausen teilweise zwischen den einzelnen Episoden hatten. Die sind seit über einem Jahr dabei und bringen gerade den ersten Band zu Ende.)

    Eventuell kann das infernale Knuddeltier von einem Teddy ein bisschen mehr zu seiner Kampagne sagen. (Und vor allen Dingen, wie das eventuell mit etwas disziplinierteren Spielern abläuft. Mein Fallbeispiel ist da schon ein wenig arg extrem.)

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