Das Leben eines Gezeichneten – Teil 96
Rohals Versprechen - Teil 18
“Ich werde weder versuchen dich zu bekehren, noch zulassen dass dir jemand gegen deinen Willen etwas antut. Und wenn deine unsterbliche Seele jenseits der Sphären landen wird dann werde ich gut auf sie Acht geben solange sie noch in dieser wandelt.”
Ich nahm Leowulfs Hand durchaus erleichtert entgegen.
“Es tut gut zu wissen, dass es wenigstens einen Menschen gibt, der halbwegs akzeptieren kann, dass ich die Dinge anders sehe als die meisten anderen Menschen hier.
“Aber es löst mein Problem leider nicht auf. Was meinst du wie lange wird es dauern bis es einer der hier anwesenden Geweihten bemerkt? Bis laute Schreie nach Verrat durch das Lager hallen und Fackeln angezündet werden?
“Aber ich will mich wie gesagt auch nicht verstecken, meine Zugehörigkeit verdecken anstatt sie wie Geweihte nach außen sichtbar und stolz zu präsentieren. Ich weiß, dass ich für diese Welt wichtig bin. Das wissen die Götter und das weiß auch mein Herr. Aber die Menschen sind verblendet und werden es nicht anerkennen. Nicht sehen, dass auch wenn wir Feinde sind trotzdem ein Ziel haben können. Zunächst.”
“Nun… warum trittst du nicht als das auf was du bist, der Träger des ersten Zeichens. Solange du nicht unter aller Augen mit Beschwörungen um dich wirfst bist auch du eine Respektsperson. Liefere dich nur nicht selbst an die Klinge…” Leowulf blickte zum Lager,”…davon gibts hier mehr als genug.”
“Aber du hast recht, dass dich früher oder später jemand entdecken würde. Außer den Leuten aus dem Weg zu gehen wüsste ich auch keine Lösung.”
“Ich mag zwar Träger des ersten Zeichens sein, aber ich bin mehr als das. Nicht bloßes Instrument.”
Ich seufzte wieder und began langsam meine Robe abzulegen und Teile meines Körpers zu entblößen auf denen sich immer wieder neu ordnende Schriftzeichen in teils aberwitzigen Farben zu neuen Mustern formten um gleich wieder im Chaos zu vergehen.
“Ich muss mich jederzeit hier und jetzt konzentrieren, dass es nicht auch auf meinem Gesicht zu sehen ist. Weißt du wie viel Anstrengung das kostet?”
Leowulf schien äußerlich unbeeindruckt aber ich konnte in Leowulfs Augen sehen wie entsetzt er war.
“Das… ist also dein Mal. Der vielgestaltige Blender…” Er atmete tief durch und schob den Gedanken meinem Leiden hier und jetzt ein Ende zu machen beiseite. “Es ist dir anzusehen, die Anstrengung du selbst zu bleiben. Kann ich irgendetwas für dich tun?”
Ich schüttelte den Kopf, sowohl als Antwort auf die Frage, als auch darauf wie falsch Leowulf lag.
“Es geht nicht darum ich selbst zu bleiben.” Zumindest hoffte ich das. “Es geht darum ich selbst sein zu dürfen und es nicht verstecken zu müssen,” bemerkt ich mit einem undeutbaren Unterton in meiner Stimme, während ich mich wieder ankleidete um nicht einem zufällig vorbei schlendernden Beobachter etwas zu bieten was er nicht sehen sollte.
Leowulf stützte sein Kinn auf die Faust und ließ seinen Blick durch mich hindurch schweifen.
“Ich fürchte,” sagte er mit schwerer Stimme “dass du dich noch zusammenreißen musst solange wir hier sind. Vielleicht können wir ja noch welche von diesen Kelchen holen und sind dann einige Zeit unterwegs.”
“Mit Sicherheit sind wir deshalb auch hier. Aber letzten Endes wird mir nichts anderes übrig bleiben…” Ich ließ den Satz unbeendet.
“Würdest du mir bei etwas helfen?” Unterbrach Leowulf die Stille bevor sie unangenehm wurde. “Ich muss zwölf Heldentaten nachweisen und… bei all dem was wir erlebt haben gibt es zu viele Lücken in meinen Erinnerungen als dass ich das allein bewältigen könnte.”
Etwas aus dem Konzept gerissen schaute ich verwirrt zu Leowulf.
“Und was willst du dann von mir?”
“Lass uns überlegen was wir erlebt haben und nach rondrianischer Sicht eine Heldentat war. Und vielleicht kannst du auch die eine oder andere bezeugen.”
Etwas Unsicherheit war Leowulfs Stimme zu entnehmen.
“Bezeugen? Ich? Vor Rondrianern? Das glaubst du doch wohl selbst nicht, oder?” entfuhr es mir.
“Angst vor ein paar Geweihten die Wahrheit zu sagen?”
Ich schüttelte traurig den Kopf. “Nein. Aber so wie ich die Geweihten einschätze werden sie es schlicht nicht akzeptieren.”
“Das lass mal meine Sorge sein… und vielleicht finden wir ja auch für jede Tat einen Zeugen.” Leowulf wirkte unerwartet zuversichtlich, als würden meine Zweifel nicht so schwer wiegen wie ich dachte.
Ich seufzte und setzte mich wieder hin.
“Du hast doch kein Problem damit wenn ich mich hier solange ein wenig entspanne, oder?”
“Nein mach ruhig.” sagte der Geweihte wenig verblüfft.
Ich wand den Blick zunächst zu Boden und obwohl sich meine Körperhaltung nicht wirklich erkennbar verändert hatte, schien es dennoch so, als wäre ein gewisses Gewicht von ihr genommen.
Als ich wieder in Leowulfs Richtung schaute, waren über meine gesamte rechte Gesichtshälfte ebenfalls jene chaotischen Symbole zu erkennen. “Dann fang mal an mit dem was du dir so vorgestellt hast.” forderte ich Leowulf auf und wir verbrachten die nächste Stunde damit seine Heldentaten zu sammeln.
Etwa gleichzeitig trafen wir, also Leowulf und ich auf der einen Seite und Darken auf der anderen, beim Zelt ein. Ich wirkte noch immer deutlich angeschlagen und auch emotional nicht ganz auf der Höhe. Ich blickt auf als ich Darken erkennt.
“Und? Mit dem Lager vertraut gemacht?”
Leowulf trat neben mich ins Zelt und grollte ein kräftiges aber leises “Rondra zum Gruße!” in die Runde… erst danach fiel ihm auf dass man uns anscheinend bei einem Haufen Schützen einquartiert hatte. “Hallo Darken, ihr seht gut aus.”
“Ich weiß”. Darken wirkte todernst dabei. “Das Lager ist recht weitläufig, aber zweckmäßig; ein Heerlager, das von Leuten aufgestellt wurde, die ihr Handwerk verstehen.” Er wies auf die paar noch anwesenden Soldaten. “Dies hier sind wackere Schützen aus dem 2. Weidener Garderegiment Drachenpforte, und ich habe an dieses Regiment nichts als gute Erinnerungen. Wenn also die heutigen Drachenpforter den damaligen auch nur annähernd nahe kommen, werden wir einen angenehmen Aufenthalt haben.”
Na wunderbar… was können schon Soldaten unter einem angenehmen Aufenthalt verstehen… wohl nichts besonders tolles. Ich blickte etwas missmutig drein, versuchte es aber zu verdecken.
“Tja… dann bin ich mal gespannt warum wir denn überhaupt hier sind. Also bei Leowulf und euch ist das ja klar, aber ich? Oder Odius?”
Die Zeltplane wurde beiseite geschlagen und ein stattlicher Soldat, gekleidet in das Banner der Drachenpforter Schützen betrat das Zelt. Der Mann schaute in die Runde, und als er Darken erkannte, fing er an vor Freude zu strahlen.
“Leutnant Darken Helmingard! Lange nicht gesehen! Ihr seht gut aus. Wie geht’s eurer Frau?”
Und schon ging das Gerede über alte Zeiten los.
Warum sie uns nicht ein Zelt alleine gegeben haben war mir allerdings echt schleierhaft.
Gegen Abend wurde Leo dann abgeholt um seine zweite Weihe zu vollziehen, bei der er von seinen Heldentaten berichten musste. Im Zelt waren neben den führenden Rondrianern doch tatsächlich noch Jago und daVanya zugegen, was mich doch ein kleines bisschen nervös machte, so dass ich weniger von der Zeremonie – die vermutlich eh reine Schau war – mitbekam, als ich vielleicht sollte. Nachdem er dann seinen weiteren Titel und ein kleines Schmuckstück erhalten hatte und alle bis auf Ayla das Zelt schon verlassen hatten, fiel mir auf, dass der Dieb etwas in der Hand hielt und es dann zu Boden warf. Als ich es aufhob, erkannte ich,
dass es sich wohl um ein ähnliches Schmuckstück handeln musste, wie jenes, welches Leo bekommen hatte… nur eben für Praioten… welch interessante Möglichkeiten, aber bevor ich da weiter drüber nachdenken konnte, trat Jago wieder ins Zelt hinein und schaut mich funkelnd an. Offensichtlich seines. Ich reichte ihm das Stück rüber und hoffte inständig, dass er da nicht weiter nachforschen würde, und er machte auch auf dem Absatz kehrt und verschwand wieder.
Ayla führte uns indes in ihr privates kleineres Zelt um uns dort darüber zu informieren, dass sie uns eingeladen hatte, weil sie noch jemanden suchte um die restlichen Kelche für die Wiedererschaffung Siebenstreichs zu besorgen. Jemanden vertrauenswürdiges. Ja klar. Zwei der Kelche waren durch uns ja schon vor Ort und Ayla hatte Adaque gebeten einen dritten aus Perricum mitzubringen. Zwei weitere befanden sich in der Obhut der Hesindekirche und waren ebenfalls auf dem Weg hierher. Fehlten wohl noch zwei und von einem hatte sie eine grobe Vorstellung, dass er nahe Gareth liegen musste. Sie zeigte uns ein Schriftstück in dem einigen Ereignisse von vor langer Zeit berichtet wurden, die aber auf den Kelch hindeuteten, und erklärte uns, dass wir in Gareth in der Stadt des Lichts, sowie im Rondratempel näheres erfahren konnten. Theoretisch würde uns die Einheit Schützen in unserem Zelt zur Verfügung stehen, aber irgendwie sollten sie uns jetzt dann doch nicht begleiten, so dass wir wieder – was mir besser gefiel – auf uns alleine gestellt waren. Wir erhielten zudem Abzeichen und Waffenröcke, welche uns als dem mittelreichischen Militär zugehörig erkennen ließen und so für schnellere Passagen sorgen sollte. Hmm… na wir würden ja sehen. Wenn wir den Kelch gefunden hatten, sollten wir umgehend zurückkehren – abgesehen davon, dass wir nur wenig Zeit hatten – und ihn nur Ayla persönlich übergeben, was mich wiederum auf die Idee brachte eine Ayla Quitslinga zu erschaffen, aber dann
doch wieder verworfen wurde. Zum Abschluß wollte Ayla uns Segnen lassen. Ich musste doch einige viel sagende Augenblicke zögern bevor ich dann doch zusagte. Und es natürlich direkt bereute. Warum hatte ich nicht auch hier mich einfach mit Magierkrams herausgeredet? Aber das wäre vermutlich auch aufgefallen. Und auffallen ist nicht gut. Gar nicht. Jedenfalls bezweifele ich, dass es bei mir so funktionierte wie es sollte, zumindest waren die nächsten drei Tage wahrlich grausam und ich fühlte mich ziemlich alleine, den Weg nach Gareth über, auf dem wir am nächsten Tag los ritten.
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