Das Leben eines Gezeichneten – Teil 84

Rohals Versprechen - Teil 6

23 Ingerimm – 24 Ingerimm
Der nächste Tag brachte mir nichts neues. Wir frühstückten zusammen und da Rohezal verlauten ließ, dass wir erst frühestens in einigen Tagen wieder von der Eben herunter kommen würden, weil sich sein Drache etwas verausgabt hatte beim Kampf, trat ich zunächst wieder vor den Turm um mir weiter die Umgebung anzusehen und vergrub mich dann in den Büchern des Erzmagus.
Am folgenden Tag wurde ich durch die Hand auf ein Buch aufmerksam gemacht, in dem von seltsamen Ereignissen in Zusammenhang mit Satinav berichtet wurde und die einzige erwähnte Stadt im Horasreich war Grangor. Falls es einen Zusammenhang zwischen der seltsamen Aussprache von seiner Zeit mit Satinav geben sollte, würden wir vielleicht dort fündig werden. Und ich musste nicht zurück nach Punin, denn dort würde ich mit meiner neuen  Gesichtsbemalung unter Umständen Probleme bekommen.
Leider wollte Rohezal unbedingt zuerst nach Punin und Leo und der Dieb hatten dort auch noch einige Sachen, die sie gerne einsammeln würde, also würde ich für diese Zeit wohl wieder Tarnung anlegen müssen.

25 Ingerimm
Noch bevor wir los flogen berichtete uns Rohezal von seinen Analysen über die Kappe, die er an sich genommen hatte. Es handelte sich wohl um eine Art Extraschutz vor Magischem… wer es braucht… viel mehr interessierte mich warum plötzlich mein Auge trüb geworden und auch seine Bemerkungen verklungen waren, denn das irritierte mich durchaus, so dass ich mich zwar während des Fluges an Leowulf festhielt und versuchte die Einzelheiten auf seinem Umhang
ganz genau zu identifizieren, den Start und die Landung aber nicht wirklich mitbekam.
In Punin angelangt, verabschiedete sich der Drache und wir begaben uns eiligst zur Akademie. Irgendwie schaffte es Rohezal innerhalb weniger Augenblicke mehrere Dutzend Magier einzusammeln und von dem Erlebnis bei seinem Turm zu berichten – ich hatte mir zum Impersona noch ein Tuch um den Kopf gebunden, dass mir der Dieb gereicht hatte – und natürlich vom Tode Rohals. Die Magier reagierten meinen Erwartungen entsprechend erschrocken auf diese Neuigkeiten, welches den Verdacht in mir bestätigte, dass es eine Finte war. Ich hingegen verabschiedete mich recht bald von diesem lächerlichen Haufen und begann
Savertin zu suchen, denn seine Begleitung könnte mir vielleicht bei meinem Auge helfen.
Ich fand sie schließlich im Park und sie willigte tatsächlich ein sich die Sache mal anzusehen – allgemeine Neugierde hoffte ich – nur gerade hätte sie keine Zeit dafür. Ich kehrte also auf mein Zimmer zurück und packte auch meine wenigen Sachen ein, bevor ich mich wieder mit ihnen im Park treffen wollte. Auf dem Weg dorthin berichtete man mir allerdings, dass Tar gefangen genommen worden wäre, wegen eines Mordanschlags auf Eisenkober. Als würde Tar so was derart stümperhaft machen und auch noch zugeben, wie mir versichert wurde. Da stimmte doch irgendetwas nicht und vielleicht sollte ich mich darum kümmern, aber erstmal näher liegendes.
Wieder im Garten setzten wir uns gegenüber und die Echse begann einige Edelsteine um uns herum aufzustellen und mit einem weiteren vor meine Auge hin und her zufuchteln. Nach etwa einer Stunde konnte ich dann leise verzerrt die Beschwerden des Auges wahrnehmen, wir waren also auf dem richtigen Weg. Sie beendete das Ritual mit einem recht entsetzten Gesichtsausdruck, der wohl besagte, dass sie hinter mein kleines Geheimnis gekommen war. Immerhin konnte ich hier auf ein gewisses Verständnis hoffen, da sie mit Sicherheit einige
Schwarzmagier getroffen hatte, die ähnliche Dinge getan hatten. Sie riet mir trotzdem davon ab, und als ich nicht darauf reagierte meinte sie noch, dass die Sicht in einiger Zeit wiederkehren würde.
Ich begab mich darauf hin nur halb zufrieden zum Stall in dem uns Leowulf schon einige Pferde bereitstellen hatte lassen und wir zogen aus der Stadt dem Yaquir nach.

26 Ingerimm – 1 Rahja
Wir reisten am Yaquir entlang in Richtung Küste und somit in fast direkter Linie Grangor entgegen und als wir am ersten des Monats Rahja die Grenze zum Horasreich passieren wollten, befand sich an der kleinen Grenzstation schon ein recht große Menschenmasse, die ebenfalls ins Land einreisen wollte. Nach einigen Augenblicken des Überlegens fiel mir ein, dass ja ab heute für die nächsten sieben Tage das Rahjafest besonders im Horasreich gefeiert wurde und vermutlich deshalb all diese Leute dort hin wollten.
Leo und der Dieb schlugen sich unter Murren der Wartenden an den anderen vorbei in Richtung Wachhäuschen um unser Empfehlungsschreiben vorzuzeigen auf das wir direkt durchgelassen werden würden. Fast am Ziel angelangt besaß doch jemand aus der Menge vor mir die Frechheit einen Stein auf die beiden zu werfen. Auf einen Rondrageweihten. Also wirklich! Und als mir Leo dann zuwinkte und ich ebenfalls an den Wartenden vorbei schritt, wollte er auch mir einen Stein an den Kopf werfen. Das ging jetzt jedoch wirklich zu weit und so erteilte ich ihm einen Bösen Blick und zog von dannen ungeachtet der anderen Blicke die mir dann folgten.
Am Wärterhäuschen angelangt warf mir jener einen merkwürdigen Blick zu und meinte, dass er vorgestern Personen hatte passieren lassen, die nach mir suchen würden. Ob das seine Handlanger sein konnten? Näher beschreiben konnte er sie allerdings leider nicht und so würde ich wohl warten müssen bis sie aufkreuzten.
Gegen Abend erreichten wir eines der vielen kleine Dörfer auf dem Weg und kehrten in die Schenke ein in der schon viele Leute den Rahjafeierlichkeiten beiwohnten, sich mit Alkohol vollaufen ließen oder mit wildfremden Leuten ins Bett stiegen. Wie mir solches Verhalten zu wieder ist. Und dann wollte diese Wirtin hinter der Theke doch tatsächlich mit mir anbändeln. Aber ich ignorierte sie gekonnt und sie wand sich schnell jemand anderem zu, während ich angeödet von all diesem Trubel nach oben zum Zimmer stieg und mich für eine weitere
traumlose Nacht ins Bett legte.

2 Rahja – 3 Rahja
Wir hatten uns am Abend entschieden doch nach Grangor zu gehen, die anderen, weil sie wenig Sinn darin sahen Tar befreien zu wollen. Ich weil ich eine höchst verwirrende Nacht hinter mir hatte die mehr oder weniger die Aussage beinhaltete, dass ich gefälligst nach Grangor zu gehen hatte und nicht in Richtung Vinsalt. Es wäre eh bloß ein Relikt vergangener Zeiten gewesen.
Gegen Nachmittag erreichten wir die große Kreuzung ab der die Reichsstraße nach Süden abbog in Richtung Vinsalt und Kuslik und nach Westen weiter in Richtung Grangor führte. Von Süden herauf kamen uns Flüchtlinge entgegen, die wohl immer noch vor der Roten  Pest davon liefen. Natürlich immer wieder neue, aber es ist schon erstaunlich wie lange sich diese Krankheit in dem begrenzten Gebiet gehalten hatte ohne wo anders auszubrechen. Wir erreichten jedenfalls Grangor gegen den späten Nachmittag.

Nachdem sich Leowulf in die andere Richtung gewandt hatte um den Tsa Tempel der Stadt zu besuchen, wies ich in Richtung Stadtzentrum.
„Na dann hoffen wir mal, dass wir etwas finden.“
„Ich bin mir sicher das wir was finden.“
Odius machte sich zielstrebig auf in Richtung Stadtzentrum.
„Die Frage ist nur ob es uns weiterhilft.“
„Naja, stimmt wohl. Vorallem müssen wir uns vernünftige Fragen überlegen. Können ja schlecht nach jemandes Zeit fragen, oder?“ Ich schaute fragend.
„Hmm ja“ Odius legte eine kurze Pause ein, „vielleicht reicht es wenn wir nach Aufzeichnungen von dem Ereigniss von vor 7 Jahren fragen. Wo hier diese komischen Sachen passiert sind. Das ist ja unser einziger Anhaltspunkt.“
Odius überprüfte das korrekte Sitzen seines Hemdkragens „Hoffentlich hat das Archiv auch über die Feiertage geöffnet.“
„Hmm. Ich glaub schon das sie auf haben, aber ich weiß nicht ob uns eine Frage nach dem Ereigniss wirklich weiter bringt. Was sagt es schon groß aus? Ja eine komische Sache, aber dort wird wohl kaum stehen ‚und dann kam da so jemand der behautet er wäre ’seine Zeit‘.“\\
Ich zuckte mit den Schultern.
„Aber wir haben kaum eine andere Chance.“
„Irgendwo müssen wir anfangen und wie ihr schon sagt, ist das wohl das einzige was uns bleibt zu fragen.“ Odius grinste. „Vielleicht finden wir ja etwas was bisher übersehen wurde.“
„Stimmt. Vermutlich sogar. Ich weiß nicht wie sehr sie sich hier dafür überhaupt interessiert haben. Und einen Hesindetemepl gibt es ja nicht, der sich darum kümmern könnte.“
Ich zuckte wieder mit den Schultern. „Dort drüben, dass sieht aus wie das Stadtarchiv.“
„Na dann versuchen wir es mal.“ Odius zupfte nochmals sein Hemd zurecht und ging Haus zu, auf das ich ihn aufmerksam gemacht hatte.
„Ja… dann wollen wir mal…“ sagt ich mehr zu mir selbst.
Das Gebäude war direkt neben den anderen öffentlichen Gebäuden. Ein kleines Schild über der Tür wies auf den Inhalt des Gebäudes hin. Ich blieb vor der Tür stehen und wartete bis mein Begleiter klopfte oder eintrat.
Odius klopfte zweimal energisch gegen die Tür und versuchte diese dann zu öffnen um einzutreten.
Ein dumpfes Geräusch war von drinnen zu vernehmen, als hätte jemand auf das Klopfen geantwortet. Als Odeus versuchte die Tür zu öffnen, gelangt dies jedoch mühelos und zum Vorschein kam ein Bibliothekar der mit einem Bücherstapel bepackt vor der Tür stand und versucht hatte diese zu öffnen.
„Wie kann ich euch helfen?“ erklang eine ältere Stimme von hinter dem Stapel auf den ich dann einen skeptischen Blick warf.
„Mit dem Zugang zu euren Archiven,“ antwortete ich dann knapp.
„Ja, was genau sucht ihr denn?“
Hmm, ich würd mich ja lieber selber ein bisschen umschauen, aber dann verbringen wir hier die nächsten 3 Götterläufe.
Mit einem: „Nach den Ereignissen mit dem grünen Licht und den Leuten die plötzlich woanders waren,“ versuchte ich den Archivar in die richtige Richtung zu stubsen.
Nach meinen Worten entglitten dem Bibliothekar sämtliche Bücher, und zum Vorschein kam ein schon etwas in die Jahre geratener Mann mit Schnauzbart und Halbglatze. Schnell hatte er sich jedoch wieder gefangen, bückte sich und begannt mit dem Aufsammeln der Bücher.
“ Verzeiht, ich bin ein bischen tollpatschig heute. Die Bücher, die ihr sucht, unterliegen der Klassifizierung einer Sicherheitsstufe, habt ihr die nötige Befugnis?“
Ich seufzte leise „Ja… vermutlich“ und kramte das Schreiben aus meiner Robe heraus um es ihm vor die Nase zu halten.
Der Bibliothekar las sich das Schreiben sorgfältig durch, nickte und sagte: “ Merkwürdig, ihr seid heute schon der zweite der sich nach diesen Büchern erkundigt. Leider sind diese im Moment auch tatsächlich in Leihgabe, bei der Familie ‚ya Dollacchio‘. Eine Avesgeweihte hatte Interesse an diesen, und der gute Herr hat sich für sie verbürgt.“
Langsam drehte ich mich zu meinem Begleiter um „Toll…“ und dann wieder zurück. „Und wo  wohnt diese Familie?“
„In Alt-Grangor, Auf der Praioshöhe 7, das große Anwesen mit dem gepflegtem Vorgarten, nicht zu verfehlen.“
Odius drehte sich zu mir um, was auch immer er vorher beachtet hatte und antwortete: „Na, das klingt mal nach einem schönen Anwesen, wo man seinen Lebensabend verbringen möchte.“ Er versuchte, einigermassen erfolgreich, zu verhindern nicht lachen zu müssen.
„Ich bin mir sicher, das wir das Haus an dem schön gepflegten Vorgarten sicher erkennen werden, nicht wahr?“
„Aber sicher. Sobald wir die entsprechende Straße gefunden haben,“ entgegnete ich mit einem süffisanten Lächeln und voller Ironie, bevor ich mich wieder dem Archivar zuwandt.
„Also in welche Richtung?“
„Richtung Hesindetor. Kann ich sonst noch etwas für euch tun?“ Der Mann legte den Stapel Bücher beiseite und zog sein Hemd gerade.
„Aber ja… ist euch das Konzept eines ‚Stadtfremden‘ bekannt? Die können mit solchen Beschreibungen nähmlich nichts anfangen…“ Meine Worte wurden langsam ärgerlicher und leichte Schlieren begannen sich vermutlich vom Auge her auszubreiten.
Odius bemerkte wohl meine schlechte Stimmung und wandte sich eindringlich an den Bibliothekar: „Ihr solltet ihn lieber nicht reizen. Er kann schnell sehr unangenehm werden und das wollt ihr doch nicht.“ Er drehte sich langsam um die eigene Achse und bemerkt dabei: „Es wäre doch zu schade um die ganzen Bücher.“ Als er mit dem Rücken zu Tür stand hob er die Hand und zeigte damit in verschiedene Richtung „Nun also in welche Richtung liegt dieses Hesindetor?“
Der Bibliothekar zeigte wortlos nach Westen.
Die Schlieren blitzten kurz ein weiteres Mal auf, bevor ich mich abwendete und in die gewiesene Richtung ging. …Nicht wehrt.
Odius drehte sich erneut zu dem Bibliothekar, nickte kurz: „Habt vielen dank.“
Danach schloss er zu mir auf und meinte in einem abfälligen Ton: „Immer diese Leutchen, die in Ihren Büchern leben und den Umgang mit Menschen nicht gewöhnt sind…tze,“ kopfschüttelnd ging er weiter.
War das jetzt ne Beleidigung? Ebenfalls kopfschüttelnd trottete ich hinterher. Na hoffentlich sind wir bald da… und hoffentlich ist der Avesgeweihte nicht Adaque.

2 Kommentare zu Das Leben eines Gezeichneten – Teil 84

  1. ya Dollacchio – da klingelt was :)

    Ich liebe diese Reihe – es war eine gute Zeit.

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