Das Leben eines Gezeichneten – Teil 8
Unter dem Adlerbanner Teil 1
30 Boron – 2 Hesinde
Die nächsten Tage verbrachte ich mehr oder weniger unruhig, ob unserer bevorstehenden Reise, in der Stadt. Am Morgen kaufte ich mir etwas Papier und Tinte, da ich plante die Anfänge aus dem ‚Geheimnisse der Daimonologie‘ abzuschreiben und der Akademie zunächst diese zu überlassen. Ich würde ihnen das Buch gerne geben, aber bin zu sehr selber daran interessiert, was noch alles darin stehen könnte. Der Fluch des nicht alles verstehen zu können. Das reizt immer.
Die Überfahrt auf das Schiff gestaltete sich als unproblematisch. Es erstaunte mich leicht, dass der Hochgeweihte vom prächtigsten Boot auf unser Schiff gebracht wurde. Offensichtlich war jemandem sehr an einer guten Beziehung gelegen. Auf dem Schiff klärte man uns auf, dass wir ein Bild Hesindes bewachen sollten, dass der Hochgeweihte gedachte zurück nach Silas zu schaffen. Eigentlich recht ungewöhnlich gleich so viel Begleitschutz anzufordern, denn er
hatte selber auch noch Bewaffnete dabei. Und wer sollte auch schon auf einem Schiff einen Gegenstand, und gleich noch einen so großen, stehlen können? Aber es soll mir recht sein. Ich hatte meine Passage nach Hause kostenlos und musste mich nicht auf einem dreckigen Schiff mit irgendwelchen Leuten rumschlagen. Einzig die Möglichkeit nicht vernünftig arbeiten zu können, störten diesen doch recht optimalen Plan. Denn ich konnte unter gar keinen Umständen das Buch aus seinem schwarzen Schutz, in den ich es geschlagen hatte, herausholen. Nicht
auszudenken, was passieren würde, wenn auch nur irgendeiner in Erfahrung bringt, dass ich es
besitze.
3 Hesinde – 5 Hesinde
Das Schaukeln des Schiffes macht mir erstaunlich wenig aus. Nur meine Schreibarbeit wird zunehmend schlechter zu lesen. Hoffentlich reicht es noch um auch etwas damit anfangen zu können. Es ist natürlich in den letzten Tagen wenig passiert. Und ich beginne zu verstehen, warum man sich auf einem Schiff, sofern man nicht arbeiten muss, zu Tode langweilen kann.
6 Hesinde
Heute morgen haben wir den Hafen Brabaks erreicht. Es ist ein erfreulicher Anblick, besonders da ich die Stadt, die so lange meine Heimat gewesen ist, noch nie von dieser Seite aus gesehen habe. Direkt ins Auge sticht sofort die Akademie auf dem Berg und die vielen kleinen Hütten unten am Hafen.
Ich ließ mich zum Hafen hinüberbringen und atmete erfreut die intensiven Gerüche des Marktes ein, bevor ich mich auf dem Weg zur Akademie machte. Dort eingetroffen warf ich noch einen stolzen Blick auf die Abgängertafel bevor ich sachte an das Büro der Spektabilität klopfte. Wie immer höflich und recht knapp gekleidet öffnete sie mir die Türe und ich trat ein. Wir wechselten einige freundlich Worte – ich erwähnte kurz an welchen Orten ich mich die letzte Zeit herumgetrieben hatte – und überreichte ihr die Abschriften aus dem Daimonicon, die sie mit einem Lächeln quittierte, und das vermeintlich leere Buch, welches ich ebenfalls im Turm gefunden hatte, dass sie schon deutlich interessierter in Augenschein nahm. Es schien ihr zu gefallen, aber ich hatte nicht die Zeit mich ausführlich darüber auszutauschen, denn das Schiff sollte nur kurz Halt in Brabak machen. Kurz bevor ich mich – schon verabschiedet – der Tür zuwandte, fragte sie, wohin meine Reise gehen würde, und ich antwortete wahrheitsgemäß,
dass ich mich in Richtung Horasreich auf zumachen gedachte. Sie setzte einen ihrer merkwürdigen Blick auf, und erwähnte, dass dorthin vor einigen Wochen auch eine Delegation aufgebrochen sei. Inklusive eines Mitgliedes der Akademie, den ich aber nicht näher kannte. Ich bedankte mich für die Information und verließ ein bisschen wehmütig die Akademie.
29 Praios
Schon länger zeigt sich die geschwungene Küste des Horasreiches auf der Seite unseres Schiffes und heute gedachte der Kapitän uns abzusetzten, aber kurz bevor wir uns auf den Weg in Richtung Hafen machen konnte, drehte sie ab. Ich fragte sie erstaunt warum wir nicht landen würden, und sie wies mich auf die schwarzen Flaggen auf den Türmen hin. Noch immer unwissend, erklärte sie mir, dass dort die Pest wüten würde. Pest. Keine schöne Vorstellung. Und dabei hört man immer wieder ob der Zivilisiertheit des Horasreiches und dann ist es doch nicht anders als bei uns unten im Süden.
Wir zogen also weiter die Küste hinauf. Doch auch im nächsten Hafen, dem von Grangor, könnten wir nicht landen, denn dort schien gerade ein Flottenmanöver der kaiserlichen Schiffe vonstatten zu gehen. Recht beeindruckend anzuschauen.
Letztlich landeten wir in einem kleinen Hafen und der Hochgeweihte erklärte uns, dass er nicht wie geplant nach Silas reisen würde, sonder zu einem befreundeten Grafen und dort das Bildnis zunächst lagern würde.
30 Praios
Früh am morgen machten wir uns auf den Weg das Bild auf einem am Abend zuvor organisierten Karren zur Burg des Freundes des Hochgeweihten zu begleiten und mir fiel zum ersten mal auf, dass vielleicht die merkwürdige Halbelfe, die mit uns an Bord gewesen war, aus einem ähnlichen Grund wie wir mit lief, und nicht zum eigentlichen Gefolge des Hochgeweihten gehört. Adaque wies mich darauf hin. Den Tag über zogen wir durch malerische Landschaften bis wir am Abend
rasteten.
1 Rondra
Es gibt tatsächlich Menschen, die sich wenig um den Status eines anderen scheren. Oder die Menschen hier im Horasreich sind doch nicht so wie im Süden. Kurz nach dem wir einen Wald erreicht hatten, trafen wir auf einen umgestürzten Baum auf der Straße. Offensichtlich ein Überfall, denn schon kurz danach tauchte dahinter ein junger Bursche auf, der ‚all unser Geld‘ verlangte.
Adaque wies ihn darauf hin, dass wir einen Hochgeweihten des Hesindetempels mit uns führten, aber es juckte ihn wenig. Ich hatte sogar das Gefühl, dass er sich noch ein bisschen mehr erhoffte.
Adaque bedeutete mir ihr zu folgen, und ging auf den Anführer zu. Hinter uns erscholl Kampfeslärm und Schmerzensschreie, während Adaque mit ihrem großen neuen Hammer auf den Anführer einschlug. Einer der anderen Räuber wollte offensichtlich seinem Chef zu Hilfe eilen, aber ich stellte mich in seinen Weg. Nicht besonders klug von mir, denn er war im Kampf erfahren und ich nicht einmal geübt. Er erwischte mich auch fast direkt mit seinem Schwert und fügte mir quer über die Brust eine klaffende Wunde bei. Nicht in der Lage meine wirklich
nützliche Magie anbringen zu können, da ich mir zum einen nicht sicher war, wie der Hochgeweihte dies hinnehmen würde und zum anderen mir die Rechtslage in diesen Landen bezüglich des Verwendens niederhöllischer Dienste nicht bekannt war, versuchte ich mein bestes mich nicht noch einmal treffen zu lassen.
Glücklicherweise schien der Anführer kurz darauf tot zu Boden zu fallen und mein Gegner suchte das Weite. Geschunden ließ ich mich auf den Boden sinken und war nicht mehr bereit wieder aufzustehen.
Adaque kam zu mir hinüber und fragte ob sie mir helfen könnte. Ich sagte, dass ich diese Wunde schlecht selbst verbinden könnte, und so half sie mir, nur um mich danach darüber zu informieren, dass dies ihr erstes Mal gewesen sei. Erschreckt blickte ich zu ihr auf, aber ändern konnte ich nun eh nichts mehr.
Am Abend erreichten wir die Burg, und der Hochgeweihte gab jedem von uns einen Beutel mit Geld. Ich reichte meinen an Adaque weiter, denn ich konnte ihr das versprochene Geld für die Bücher – sie wollte die Hälfte der aus dem Turm geretteten Bücher haben – nicht geben, da ich sie nicht verkaufen konnte. Schon gar nicht hier.
Sie sprach mich wieder darauf an, dass ich auf mich acht geben und doch besser mit dem Hochgeweihten sprechen sollte, damit er testen kann ob irgendetwas nicht mit mir in Ordnung ist. Als wäre das so einfach. Ich versuchte ihr zu erklären, dass ich, sollte etwas gefunden werden, von dem ich inzwischen ausging, in diesem Land sehr schlechte Karten haben würde, aber sie verstand nicht. Ich teilte ihr mit, dass ich das erledigen würde, wenn ich wieder zu Hause wäre,
aber glaube selbst nicht daran. Sie versuchte dann mich davon zu überzeugen, für die Zeit bis dahin keine Dämonen mehr zu rufen, aber ich kann es nicht einfach aufgeben. Ich versprach ihr dennoch vorsichtig zu sein.
Der Hochgeweihte empfahl uns eine Reise nach Vinsalt. In die Hauptstadt des Landes. Die Elfen – ich kategorisiere einfach die Halbelf mit in diese Gruppe – wollten sich das nicht entgehen lassen, aber Adaque schien Vorbehalte zu haben. Immerhin hatten wir noch einen Turm aufzuräumen. Aber wir entschieden uns zunächst über Vinsalt zur Küste zu reisen.
2 Rondra
Früh am Morgen brachen wir auf in Richtung Vinsalt. Die Straße war angenehm und leicht zu laufen. Rechts und links des Weges blühten die Pflanzen des Sommers und in einiger Entfernung arbeiteten einige Menschen auf den Feldern.
Gegen Abend erreichten wir ein kleines Gasthaus in einer Senke vor dem einige Bewaffnete ihrem Übermut Ausdruck verliehen. Sie gehörten augenscheinlich alle einer Einheit an, die hier halt gemacht hatte.
Als sie uns kommen sahen, begannen sie sich über uns lustig zu machen, aber es kratze mich weniger. Wenn man weiß, dass man einen von ihnen einfach mit einer Berührung töten kann, verliert solch Spott schnell an Bedeutung. Adaque war sich offensichtlich nicht so sicher, denn sie trat näher an mich heran, wohl in der Annahme, dass ich bedrohlich wirken könnte. Aber diese Menschen waren zu sehr betrunken um subtile Botschaften wahrzunehmen. Nichtmal richtig zählen konnten sie. Ich erfasste Adaques Hand, als wir uns der Schankstube näherten. Die Elfe legte auf der anderen Seite ihren Arm um mich herum. Das ganz muss ziemlich komisch ausgesehen haben. Und dann musste sie auch noch einen Zauber gegen den Wortführer richten. Das hatte mir natürlich gerade noch gefehlt.
Glücklicherweise kamen in dem Augenblick etwa 20 Berittene den Weg hinunter, was die Soldaten in große Aufregung versetzte, so dass wir plötzlich uninteressant geworden waren. Fast schon augenblicklich nach ein paar hin und her geworfenen Beleidigungen begann ein Gerangel und Geschubse, als wären sie in einer Kneipenschlägerei.
Wir bemühten uns schnellstmöglich das Innere des Schankraumes zu erreichen, aber die anderen folgten nach, nicht ohne sowohl Adaque, als auch der Elfe auf den Hintern zu schlagen.
Das wurde der Elfe wohl zu viel und sie ließ meine Schulter los um sich demjenigen in den Weg zu stellen, ohne vermutlich genau zu wissen, wer es gewesen seien könnte. Sich dieses Umstandes wohl auch bewusst, wirkte sie eine unnatürlich Dunkelheit im Raum, in der nur noch die Schläge und Schmerzensschreie der anderen an mein Ohr drangen.
Ich flüsterte Adaque an meiner Seite zu, dass sie die Luft anhalten solle und wirkte Tlalucs Odem in den Rest des Raumes. Wie ich diesen Zauber eigentlich hasse, aber ist so praktisch effektiv, wenn es darum geht mehr als einen Gegner auszuschalten ohne ihn direkt zu töten, und ein eindeutiger Hinweis auf mich konnte auch nicht wirklich festgestellt werden, da es zu dunkel gewesen war. Zu meiner Freude wurde der Kampfeslärm leiser und nachdem sich die Dunkelheit
gelegt hatte, wurden wir beinahe auch schon sofort von dem Anführer der anderen Truppe begrüßt.
Nach einigen Gesprächen stellte sich heraus, dass ihm ein Siegel abhanden gekommen war. Ein sehr wichtiges Siegel für ihn und für das Horasreich, da er wohl ein recht einflussreicher Mann hier zu sein scheint. Ich bot ihm an, dass Siegel zurückzubeschaffen, den etwas besseres konnte mir ja kaum passieren. Da ist dieser wirklich wichtige Kerl aus dem Horasreich und versucht verzweifelt einen Gegenstand zurückzubekommen, ohne den er vielleicht politisch völlig
zerstört werden könnte. Und dann bin da ich und helfe ihm, und hab so jemanden der mir einen wirklich großen Gefallen schuldet. Welch ungeahnte Möglichkeiten!
Ich überlegte ob nicht vielleicht einfach ein kleiner Dämon den gesuchten Gegenstand zurückholen könnte, und erkundigte mich über die Sicherheitsvorkehrungen, so er denn davon wusste, des Gegenstandes. Er schien wohl an einem Schloss nahe Vinsalt in dem zum jetzigen Zeitpunkt ein großes Fest vonstatten ging, bei dem die Horasier mit den Brabakern eine Art Vertrag schließen sollten. Dahin also waren sie gereist. Ungünstig für meine Methode natürlich. Sollte die Sache funktionieren, dann würde man es ihnen anlasten, dass ein Dämon eingedrungen war, und dann könnten sie herausfinden, dass es meiner war, und ich könnte bei dadurch gescheiterten Verhandlungen in große Ungnade zu hause fallen. Keine gute Idee. Wir würden also anders daran kommen müssen. Und möglichst auch ohne das irgendjemand Verbindungen zu mir ziehen kann.
Ein bisschen nervös ging ich mit Adaque auf das Zimmer, dass wir uns zusammen gemietet hatten und wartete bis sie eingeschlafen war. Endlich konnte ich einen Blick in das Buch werfen, dessen Gewicht – und nicht nur sein reales, sondern viel mehr die Verantwortung – ich die ganze Zeit mit mir getragen hatte. Der Einband fühlte sich rau an in meinen Händen, und leise blätterte ich eine Seite nach der nächsten um, bis ich feststellte, dass ich so die halbe Nacht verbracht hatte, und es vielleicht doch besser war, noch ein bisschen Schlaf zu finden.
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