Das Leben eines Gezeichneten – Teil 75
Winter des Wolfes - Teil 4
1 Efferd
Da Undu noch immer schwer verwundet war, kamen wir nur langsam voran. Wir hatten den direkten Weg nach Ysilia gewählt, da die Straße einen großen Umweg bedeutet hätte und schlugen uns nun durch Felder und Baumgruppen in Richtung Nordwesten. Wir redeten nicht viel, ich dachte über die vergangene Nacht nach und die anderen beiden vermutlich über die Schlacht am Tag davor.
Gegen Abend errichteten wir ein Lager und wieder schwebten Glühwürmchen um uns herum, ja hielten sich bevorzugt in meiner Nähe auf. Wir teilten die Nachtwachen ein und Leo wollte einige Zeit abseits im Zwiegespräch mit seiner Göttin verbringen, nachdem er ja das dämonische Schwert erfolgrich im Fluss hatte versenken können, wie er sagte…
Ich saß also beim Feuer und spielt mit dem Gedanken die Möglichkeiten zu nutzen, als ich ein verräterisches Rascheln im Gebüsch hörte. Ich weckte Undu und wir brauchten nicht lange zu warten bis drei Männer auf die Lichtung traten, gekleidet in Schwarzrot.
Sie schwangen große Reden, sagten aber leider nicht warum sie eigentlich hier waren, doch offensichtlich wollte sie uns umbringen oder zumindest festsetzten und riefen nach Verstärkung. Ich paralysierte zwar alle drei, doch wenige Augenblicke später traten weitere drei aus dem Gebüsch hinter und neben uns. Ich befahl dem einen, den anderen zu beschäftigen, so dass wir nur noch einen Gegner vor uns hatten, der sich jedoch als Anführer der Gruppe herausstellte und
dementsprechend war Undu ihm nicht gewachsen. Man könnte auf die Idee kommen, dass Leo absichtlich nicht hier war, damit es leichter war uns zu überfallen… und ich werde es im Hinterkopf behalten.
Während des Kampfes hatte ich die drei Versteinerten so auf ihre in den Boden gerammten Dolche gelehnt, dass sie wenn möglich daran sterben würden, und als Undu zu Boden fiel – ich war gerade fertig – riss ich den Anführer zu Boden und in ein nahes Gebüsch um dort einen Eigene Ängste auf ihn zu wirken, dass ihn hoffentlich außer Gefecht setzten würde. Leider rissen die astralen Energien auch stark an meiner Lebenskraft, so dass ich das Kreischen über der Lichtung erst im letzten Moment als das identifizierte, was es war – ein Karakil.
Er musste irgendetwas zu Fressen gefunden haben, denn es ertönte ein nicht gerade angenehmes Geräusch von der Lichtung. Ich hatte vom Gebüsch her kein Sichtfeld mehr auf diese und lauschte angestrengt auf weitere Geräusche. Die auch folgten. Allerdings ungewohnte. Jemand wirkte seltene Elementarzauber und der Karakil schrie gepeinigt auf. Die Zeichen am Rande meines Sichtfeldes wandelten sich in andere Farben und Formen, so dass ich sie wieder registrierte. Es schienen zwei Magier zu sein, eine Frau und ein Mann und sie suchten, nachdem
der Karakil das weite gesucht hatte, die Lichtung nach Überlebenden ab. Sie fanden wohl Undu, der dann mich im Gebüsch fand, so dass auch ich auf die Lichtung trat und am Feuer mehr oder weniger wieder zusammenbrach. Es ist niemals nett all seiner Astralmacht beraubt zu sein, aber wenn man noch einen Teil seiner Lebensenergie verwenden muss um seine Ziele zu erreichen, ist es noch tausendfach schlimmer. Das einzige was im Inneren mehr Schmerzen verursacht, dürfte wohl ein Fulminictus und das Betreten eines Tempels sein.
2 Efferd
Ich hatte noch halbwegs die Namen der beiden mitbekommen und das sie aus Drakonia waren, einer abgeschotteten, legendären Elementaren Akademie und war dann eingeschlafen. Wach wurde ich wieder mit Glühwürmchen vor den Augen, die aber niemand anderes sonst gesehen zu haben schien. Einzig eine merkwürdige Blume, die mir am Abend zuvor schon aufgefallen war, bewies noch, dass etwas hier ganz und gar nicht in Ordnung war.
Die beiden Magier waren auf dem Weg um mit dem Land zu sprechen, wie sie sagten – was irgendwie entweder abartig oder wirr klang, je nach Interpretation des jetzigen Zustandes des Landes. Überhaupt schien die Frau keinerlei Erfahrung im Leben zu haben und von Dämonen hatte sie vermutlich mal hübsch-hässliche Bilder gesehen, aber nicht mehr. Ich bot ihr an, ihr zu zeigen, was in letzter Zeit passiert war, da sie beide interessiert zu seien schienen, aber sie lehnte ab. War sich wohl zu fein dafür, denn um eine Hinterlist zu befürchten, war sie schlichtweg zu unerfahren. Das würde ich also anders regeln müssen.
Sie wollten uns ein Stück des Weges begleiten und dann mit ihrem Land sprechen… Ich zog hinter ihnen her und Undu unterhielt sich ein bisschen mit den beiden. Den Mann konnte ich nicht gut einschätzen. Er hatte wohl mehr Erfahrung, und war auch mir ablehnender gegenüber. Da würde ich wohl eher aufpassen müssen.
Gegen Abend suchte Undu einen Lagerplatz und die Frau begann direkt mit einer Elementarbeschwörung. Sie hatte den Tag über immer mal wieder davon geredet, ob ich nicht auch Fragen hätte, und ich konnte sie nicht davon abbringen zu glauben, dass das funktionieren würde. Jeder halbwegs intelligente Magier wusste, dass Elementare Dämonen hassen. Was für eine Einstellung hätten sie also mir gegenüber? Genau.
Nun ja, ich besah mir das Spektakel und sparte mir eine Bemerkung, dass ich das erforderliche viel schneller in Erfahrung gebracht hätte, aß ein bisschen Brot, wartet noch ein bisschen, bis sich endlich das gerufene Elementarwesen im letzten Licht zeigte. Wiedererwartend ging es nicht auf mich los, sondern ignorierte mich zunächst. Jemand musste da wirklich gut sein im Tarnen.
Die Frau stellte einige Fragen und das Elementarwesen schaffte es glatt noch kryptischere Antworten zu geben, als es ein Nishkakat gekonnt hätte. Wirklich hilfreich. Dann wollte sie auch noch, dass ich meine Frage stellte, aber ich gab nur etwas belangloses zur Antwort und widmete mich weiter meinen Gedanken. Nachdem sie dann fertig war verschwand das Wesen und ich legte mich schlafen, über die Möglichkeiten sinnend, ihr ein nettes Geschenk zu machen.
Leo war später am Abend wiedergekehrt, aber schien noch nicht ganz in der Welt zu sein und er weckte mich zu meiner Wache mit der Bemerkung, dass die beiden Magier schon weg wären. Na ganz toll! Jetzt konnte ich ihr nicht mal eine wirkliche Beschwörung zeigen. Na musste es halt anders gehen.
Ich hob meinen Blick langsam wieder vom Feuer um zu sehen ob Undu inzwischen eingeschlafen war und Leowulf das noch immer tat. Nachdem das sichergestellt war, trat ich etwas vom Feuer weg und konzentrierte mich auf das grünschimmernde Dunkel in mir und die Beschwörung ansich.
Nach langen Momenten der Stille, breitete sich plötzlich Kälte aus. Nichts deutete auf die Anwesenheit einer Wesenseinheit hin, ausser erfrorenem Gras innerhalb des Beschwörungskreises welches sich langsam Braun einfärbte.
Schwierig, wenn man sie nicht sehen kann…
Ich versuchte es trotzdem mit einem gewissen Konzentrationsaufwand um den unsichtbaren Dämon unter Kontrolle zu bekommen, ein bisschen wie das Fangen eines Fisches in einem Fluß.
Für einen Moment erschien es als würde die Luft vibrieren. Dann war alles still. Im Gras innerhalb des Beschwörungskreises sproßen Lilien, welche blutrot oder pechschwarz aufblühten.
Ähm… ja. Ich schaute mich nochmal nervös um, ob nicht doch irgendwer wach geworden war – wäre nicht so praktisch – und richtete dann mein Stimme, leise, an den Dämon. “Ich habe einen Auftrag für dich, der dir gefallen bringen wird. Suche diese – ich übermittelte ein Bild der jungen Drakonierin – junge Magierin und übermittele ihr folgende Bilder in einer eindringlichen Weise – es folgten Bilder von Yonaho im unterseeischen Gewölbe, von den Absonderlichkeiten in
Caljin’aars komischen Gängen (hauptsächlich der Insektenwesen), der Schlacht vor Maraskan und der Leichenberg auf Altoum plus komischer Drache. Dann der Fall Kurkums und letztlich die Schlacht bei Eslamsbrück – inklusive einem Gefühlsmischmasch aus Hilflosigkeit und allen ensprechenden anderen Gefühlen. Solltest du dies und nur dies erledigt haben, kehre zurück in deine Sphäre.”
Nichts offensichtliches passierte, außer dass es wieder wärmer zu werden schien. Der Kreis mit den unheimlichen Blumen war allerdings geblieben, auch das zu Eiskristallen erstarrte Gras.
Na hoffentlich kommt es nicht auf komische Ideen. Und dann mache ich mal sauber hier…. also Blumen pflücken und zum trocknen aufhängen – vielleicht halten sie ja – und das eingefrorene Gras entfernen, sowie die grobe Heptagramzeichnung verwischen. Muss ja keiner wissen was ich gemacht hab.
3 Efferd – 7 Efferd
Am Morgen weckte ich die anderen und wir inspizierten unsere Vorräte. Irgendwie hatte ich ein schlechtes Gefühl und das Fleisch, das Undu am letzten Abend geschossen hatte, sah widerlich grün aus. Innen drin hatten sich Maden gebildet und das ließ sich so beileibe nicht essen. Undu kostet trotzdem eine der Maden.
Elfen…
Dann folgten wir den Spuren der beiden Magier, da Undu unbedingt zu dem Ort wollte, an das sie das Elementar gesandt hatte, aber leider hatten sie sich etwas weiter entfernt eines weiteren bedient und waren ohne Spuren auf und davon. So blieb uns nicht weiter übrig als weiter nach Ysilia zu reisen – glücklicherweise hatte Foslarin nicht gesagt, wann das Schriftstück dort sein
sollte und Dämonenbeschwörer nehmen so etwas immer sehr genau.
Wir erreichten Ysilia am Abend des sechsten Efferd, aber die Stadttore waren schon geschlossen, so dass wir die Stadt erst am Morgen des siebten betreten konnten. Über der Stadt wehten die Flaggen des Herzogs und des Schwertes der Schwerter. Auf der Suche nach dem Haus, in dem sich der Empfänger unserer Nachricht wohl aufhalten könnte, stießen wir auf einen Ausrufer, der die Adeligen, Magier und Mitglieder freier Gruppen zur Burg rief, da der Herzog dort etwas verkünden wollte. Also der Mann den wir suchten.
Wir ließen uns den Weg zur Burg weisen und begaben uns zur Versammlung, die in einem recht eindrucksvollen Saal untergebracht war. Er war schon fast zur Gänze mit Menschen unterschiedlicher Herkunft – vermutlich Adelige aus den besetzten Gebieten, die ihm nicht dienen wollten – gefüllt und wir drängten uns an einen Seitenrand. Ich zog die Botschaft aus der Tasche und versuchte damit Aylas Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen, die unser Eintreten bemerkt hatte. Sie schickte einen Boten, der uns hoch auf die Empore brachte, und als ich fachgerecht die Botschaft an den Herzog überreichen wollte, sprang Undu einfach dazwischen um ihm zu berichten woher wir denn kommen, und das wir eine Nachricht für ihn haben. Der Praiosgeweihte neben dem Herzog sah Undu recht böse an und ich versuchte nicht allzu sehr aufzufallen. Die Botschaft schien dem Herzog allerdings nicht wirklich etwas zu bedeuten, denn er drehte sich wieder zum Volk und setzte an zu einer Rede über die Missstände in seine Land.
Dann tauchte noch ein Bote auf, der angeblich ein Kästchen auf dem Innenhof gefunden hatte, dass sich dort plötzlich manifestierte und eine Nachricht für den Herzog enthalten solle – woher auch immer er das von außen sehen konnte, aber gut. Ich wollte mir das Kästchen nicht entgehen lassen und trat etwas näher heran, ebenso wie ein Magier aus der Akademie zu Ysilia, vermutlich ihre Spektabilität. Die Box war aber unmagisch und damit nicht als magische Falle zu
identifizieren. Also öffnete der Herzog das Kästchen und las sich die eingewickelte Nachricht durch.
Dieses Mal war es offensichtlich etwas Bestürzenderes, denn er floh fast aus dem Saal, gefolgt von Ayla und dem Praiosgeweihten. Ich nahm den fallen gelassenen Zettel auf und las ihn ebenfalls. Eigentlich enthielt er nichts schlimmes… war geschrieben vom Bruder des Herzogs, der jetzt in seinem Namen über das andere Tobrien herrschte und den dritten Bruder, jener der eigentlich Herzog war, als Untoten neben seinem Bett sitzen hatte – warum auch immer das jemandem Freude bereiten konnte – und vor allem besagte der Brief, dass er diese merkwürdigen
Hauer nun hatte, die ihn legitimierten die Herrschaft über Tobrien inne zu haben.
Die restlichen Besucher verfielen in ein leises Gemurmel und ich überlegte schon, ob die Vorstellung vielleicht vorbei sei und wir jetzt gehen konnten, als der Herzog wieder aus seinem stillen Kämmerlein hervor trat und dem Praiosgeweihten an seiner Seite das Reden überließ. Der Herzog sollte in einiger Zeit zum Herzog ernannt werden – warum auch immer man ihn dann jetzt schon Herzog nannte – und alle Anwesenden sollte die Treue geloben – worauf einige den
Saal verließen – und dann sprach er noch eine Segen für den neuen Herzog aus. Als wir uns schon abwandten um den Raum ebenfalls zu verlassen, nachdem der Praiot geendet hatte, bat uns Ayla gegen Abend in die Gemächer des Herzogs zu kommen.
Wir durchstreiften also ein bisschen die Stadt und waren gegen Abend wieder vor der Burg. Man ließ uns ein und führte uns in ein geräumiges Kaminzimmer in dem der Herzog und seine Frau und Ayla und der Praiosgeweihte Platz genommen hatten. Der Herzog kam nach einigen direkten Fragen meinerseits schließlich damit um die Ecke, dass wir ihm die Hauer wiederholen sollten, da sie sonst für irgendein Ritual verwendet werden würden. Woher auch immer er das wissen konnte. Vermutlich sollte es uns bloß zur Eile treiben, weil er sie gerne bei seiner
komischen Zeremonie demnächst tragen würde.
Viel merkwürdiger war aber der zweite Teil des Auftrags. Wir sollten seinen Bruder retten. Prinzipiell heißt das bei Untoten eigentlich nur eines, aber nein, er wollte, dass das mit einem besonderen Artefakt der Boronkirche gemacht wurde, dass mit Sicherheit für tausend andere Dinge viel, viel nützlicher sein würde. Und dummerweise im belagerten Eslamsbrück lag – wofür auch immer die Golgariten das mitgeschleppt hatten. Wir sagten jedenfalls zu – das wäre meine
Gelegenheit um mal die Feinde noch näher in Augenschein zu nehmen und zu sehen, wie es auf der anderen Seite so war.
Im Grunde fertig mit dem Gespräch betrat plötzlich ein alter, blinder Mann den Raum und fragte den Herzog ob er nun bereit sei, und dass sie los müssten. Ich begutachtete ihn mir genauer und er stellte sich als Druide heraus… merkwürdig. Leider tat er dasselbe und ich fürchte er hat irgendetwas an mir bemerkt, was er nicht bemerken sollte… und was ich schleunigst ändern sollte, wenn wir mal ungestört wären. Ich fragte den Herzog nach dem was auch immer er vorhatte, aber er wich meiner Frage aus und die beiden Geweihten waren zwar nicht erfreut über die Sachen, ließen ihn jedoch gewähren. Wenn er meint… wird schon sehen was er davon hat.
Ich zog mit Leowulf los um in der Akademie Sachen abzuholen, die der Herzog uns zugesichert hatte, wenngleich sich mir auch die Nützlichkeit von mehr als Heil- oder Zaubertränken entzog. An der Akademie war man nicht breit uns einfach einzulassen – die Bannsiegel davor machten auch keinen freundlichen Eindruck auf mich – also zog Leo los um ein bestätigendes Schriftstück zu holen, mit dem er auch nach einer halben Stunde zurück kam. Er hatte mit Ayla noch ein paar Worte gewechselt und hatte die Zeit vergessen… ts.
Das Überschreiten der Schwelle war leider wie vermutet nicht besonders angenehmen… eigentlich eher eine Neue Dimension der bekannten Tempelbesuche. Ganz und gar nicht angenehm und ich wurde das Gefühl nicht los, dass der Wächter, der uns begleitete das genau wusste… Er führte uns mit Sicherheit absichtlich über einen Umweg in den Keller, der mit vielen Wandteppichen auf denen ein Pentagramm gemalt war, ausgekleidet waren. Erwarteten sie etwas, dass Horden von Dämonen ihren Keller stürmen würden und sie dann genau das richtige
dagegen an der Wand hatten? So dumm konnten auch nur Weißmagier sein, die keinerlei Ahnung von einem kreativen Einsatz von Dämonen hatten. Ich machte mir weiter einige Gedanken und Leowulf sammelte alle für uns bestimmten Gegenstände bis auf einen Teppich, den man mir überreichte, ein und wir begaben uns wieder nach draußen.
Draußen atmete ich ein paar Mal durch, schwor mir, wenn sich nur irgendwie die Gelegenheit geben sollte es dieser dämlichen Akademie heimzuzahlen und ging schlafen.
Kommentar hinterlassen