Das Leben eines Gezeichneten – Teil 74

Winter des Wolfes - Teil 3

Ich legte meine Hände auf die Tür und drückte sie auf ohne auf das Gezanke der Beiden zu achten.
Das rote Band dass mich hier her geführt hatte erloscht und ich blickte in einen Raum der die Aura einer Folterkammer besaß. Einige wenige Regale standen an den geschwärzten vier Wänden dieses Raumes, zwei breite Schreibtische unter den beiden Fenster des Raumes durch dessen geöffnete Läden auf- und abwandernden Schemen erkennbar waren.
Erst auf den zweiten Blick fiel mir auf was genau in der Mitte des Raumes stand… Seine gläsernde Büste, dessen kristallene Augen unruhig hin und her zuckten. Mir war klar dass sie dort schon stand seit ich den ersten seiner Zauber beherrschte, unbemerkt und ungesehen.
„Wunderbare Untermieter hab ich hier…“ bemerkte ich mit einem Seitenblick auf die Büste. „Wollt ihr, oder soll ich?“ fragte ich die beiden Mädchen.
„Oh nur zu.“ Sagte die Blonde und zog ihrer Schwester, die sich nur schwach wehrt, das Brecheisen aus der Hand und reichte es mir. Das kalte Eisen prickelte in meiner Hand und wartete nur darauf geschwungen zu werden.
„Fein,“ antwortete ich bestimmt, ging hinüber zur Statue und versuchte sie zu zerstören.
Ich stand Auge in Auge mit meinem Widersacher, die kristallenen Pupillen schienen mich durchbohren zu wollen und mein Körper versagte seinen Dienst. Ich konnte nicht atmen, nicht sprechen, ja noch nicht einmal denken. Nur mein Arm, der in dem ich die krumme Stange aus diesem grässlichen Eisen hielt schien mir noch zu gehorchen. Unbeholfen hieb ich nach seiner gläsernen Stirn und ein kleines rundes Stück splitterte ab.
Ich erkannte Fassungslosigkeit in den Augen der Büste und spürte wie ich die Kontrolle über meinen Körper wiedererlangte.
Mit mehr Ansporn machte ich mit meiner Arbeit weiter. Egal wie klein die Erfolge waren, letztlich würde ich gewinnen!
Wieder und wieder schlug ich auf mein Opfer ein. Splitter um Splitter verloren sich die Konturen, hier ein Ohr, dort keine Nase mehr. Nach gefühlten hunderten von Schlägen knackte die Büste laut auf. Innehaltend beobachtete ich wie sich Risse tief ins Glas zogen und anschließend von ihrer eigenen Spannung ausdehnten.
Sekunden vergingen und außer dem Geräusch reißenden Glases war es still. Doch dann… Ohne einen Ton der Vorwarnung platzte der durchsichtige Klumpen auseinander und hüllte den Raum in ein Meer aus weißem Staub.
„Na toll… jetzt muss ich hier noch Staub wischen?“ murmelte ich zwischen Hustenanfällen.
Jemand neben mir reichte mir ein Paar Augen und deutete auf die Fenster. Schwer zu sagen welche von beiden es war, da immer noch alles von diesem Staub zugedeckt war.
Ich starrte leicht irritiert auf die Augen und dann auf die Fenster. „Wo kommen die jetzt her?“
Das Kind deutete auf den Boden vor mir, dort wo der Staub von kleinen Fingern zerfurcht worden war.
Es waren die kristallenen Augen der Statue die ich eben zerstört hatte. Irgendwie warm und glatt begannen sie sich in meiner Hand zu drehen.
Ich überwand den ersten Anflug von Ekel ebenso wie die sichtliche Neugierde die Dinger zu behalten um sie zu untersuchen und ging hinüber zu den Fenstern um zunächst einen Blick nach draußen zu werfen. Man weiß ja nie wo das sonst landet.
Ich blickte in eine sternenlose, graue Leere. Doch nicht der Limbus, ich vernahm Stimmen von den Soldaten am Lagerfeuer in der Nähe und das Plätschern leichten Regens auf dem matschigen Untergrund. Und da! …da war es wieder. Schemenhaften Personen… nein! Schatten streiften umher, wateten durch den Pseudolimbus und einer von ihnen kam genau auf mich zu!
Na? Sind wir neugierig? fragte ich mich selbst und beantwortete es auch gleich Aber sicher! und warf eines der Augen genau in seine Richtung. Mal sehen was jetzt passiert.
Ich hatte das Gefühl als funkelte mich das Auge böse an als ich es nach dem Schatten warf. Seine Flugbahn veränderte sich rapide als es den Raum verließ und in das Grau des Pseudolimbus überging, denn es schien sich beinahe kontrolliert auf den Schatten zu zubewegen. Aber das Auge glitt effektlos durch den Schemen hindurch.
Dieser war dafür umso näher gekommen und griff nun seinerseits durch das Fenster in den Raum hinein. Zu weit entfernt um mich jetzt zu erwischen aber schon bedrohlich nahe.
Was kann schon passieren? Ich blickte mich zu den beiden Mädchen um.
Das blonde Mädchen, endlich wieder erkennbar, denn die beiden hatten sich behelfsmäßig abgeklopft, stellte sich neben mich an den Schreibtisch und winkte dem Schatten zu während sie mit mir sprach. „Hat Tar auch immer die Fenster offen gelassen?“
Das andere Mädchen schlurfte Furchen durch den Staub ziehend zum anderen Schreibtisch und begann ihn zu erklimmen.
Kurz abgelenkt durch den Seitenblick sah ich wie sich hinter der Hand langsam ein Unterarm durch das Fenster schob, die Gesetze der Physik halbwegs außer Kraft setztend. Noch ein wenig länger und er könnte mich vielleicht erreichen.
Ich trat einen Schritt zurück und schaute mir die Hand genauer an.
Sah aus wie die Hand eines Menschen, nur komplett aus Schatten. Ich konnte auch durch sie hindurchsehen.
Rechts von mir klapperten laut die Fensterläden des anderen Fensters als sie geschlossen wurden.
Ich trat noch einen Schritt zurück und besah mir die ganze Szene zum wiederholten Male in der Hoffnung, dass sie jetzt mehr Sinn ergab.
Mehr Sinn schien es nicht zu ergeben aber ich hatte das Gefühl dass es der Kreatur oder was auch immer das war Schmerzen bereitete als die Schwarzhaarige von einem Schreibtisch zum anderen sprang und schwungvoll die Fensterläden durch ihren Arm aus Schatten zuriß.
„Du weißt nicht was das war oder?“
Ich schüttelte den Kopf. Woher auch? und starrte sie weiter an. „Was sollte das? Und was mach ich jetzt hiermit?“ Ich hielt das zweite Auge hoch.
„Wir wurden hier geschickt um deine Fenster zu schließen… typisch Magier. Macht die Tür dicht aber lässt den Rest sperrangelweit offen.“
„Das kannst du mir geben.“ Unterbrach die Blonde.
„Du kannst alles was hier drin ist jetzt wieder nutzen. Er kann dich nicht mehr sehen oder seinen Willen hier hineinbringen.“ Sie deutete dabei auf die Fenster und blickte mich an als wäre es das normalste der Welt im eigenen Verstand die Fenster zu schließen.
Hmm… klingt logisch. Aber bevor ich das Auge aushändigte, fragte ich sie: „Und was genau willst du damit machen?“
„Runterschlucken, was sonst?!“ Sie streckte mir ihre Hand hin.
„Unter diesen Umständen behalte ich es doch lieber selber und entsorge es entsprechend, ja?“ meinte ich mit einem gar nicht freundlichen Lächeln.
Sie zuckte mit den Schultern und drehte sich Richtung Tür um. Genauso ihr dunkles Ebenbild.
„Wir sind hier fertig. Was dagegen wenn wir uns noch ein bisschen in deiner frühen Kindheit umsehen? Da sind Sterbliche immer so lustig.“
Ich wedelte einfach nur mit der Hand, meine Aufmerksamkeit schon wieder weit abgelenkt von dem was eigentlich um mich herum vorging und auf das Auge konzentriert. „Na dann wollen wir doch mal sehen ob wir dich mit deinen eigenen Zaubern zerstören können.“
Die beiden eilten aus dem Raum und ließen mich mit dem Auge allein. Seltsam, schon wieder Augen.
Es ist immer das gleiche… nun gut. Ich legte das Auge auf das Podest und schaute es mir mit einem Analys genauer an.
Das Auge schien kein Artefakt im eigentlichen Sinne zu sein. Eher die Komponente eines Zaubers. Hellsicht und Verständigung waren darin verschmolzen. Außerdem war das Auge mit feinen astralen Fäden mit jedem der Bücher und Schriften in diesem Raum verbunden. Der Versuch es einfach zu zerstören könnte ins Auge gehen.
Verdammt! Wobei das andere weg zu werfen hat ja irgendwie auch nicht geschadet… aber vielleicht belasse ich es besser bei mir. Ich muss hier doch irgendwo ne Schachtel dafür finden?
Ich began den Raum nach etwas passendem zu druchwühlen.
Ich fand die Schreibtischschubladen, ein ausgehöhltes Buch und zwei Schädel die man aufklappen konnte um etwas darin zu verstecken. Einer menschlich und der andere orkisch.
Na… alles nicht passend… da gelangt das innere ja doch nach außen… am besten wäre was… koschbasaltiges! Genau! Aber das ist bestimmt nicht hier zu finden. Ich trat wieder raus auf den Gang. Wenn ich Koschbasalt in meine Kopf wäre, wo wäre ich dann? Ah ich weiß… bestimmt in der Ecke der ‚Ich wünschte ich würde nicht Zaubern können‘ Erinnerungen. Nur wo hab ich die jetzt gleich?
Späte Kindheit vielleicht, evtl. auch früher. Ziemlich weit unten und hinter einer gut gesicherten Tür versteckt.
Ich machte mich dran die Tür zu öffnen, das Auge allerdings fest mit der linken Hand umschloßen. Vielleicht fühlte es sich ja wohl, wenn es in dieser Hand ist…
Das Schloss war kompliziert und ich hatte Mühe es einhändig zu öffnen. Außerdem hörte ich aus einem benachbarten Gang das ausgelassene Lachen der beiden Dämonen… es konnte nichts angenehmes sein was die beiden da gefunden hatten.
Mit lautem Knirschen öffnete sich der letzte Riegel und die Tür schwang ein klein wenig auf. Das Auge in meiner Hand hat inzwischen eifrig versucht sich irgendwie aus dieser zu winden. Vergebens zwar aber das Gefühl an sich war schon irgendwie verstörend.
Ich packte es um so fester und huschte durch die Tür. Drinnen schloss ich sie leise hinter mir und begann hier nach einem Koschbasaltkästchen zu suchen. Ein wenig größer reicht ja, sonst windet es sich noch ins Freie… und zum Umhängen wäre vielleicht nicht schlecht… dann könnte ich direkt aufpassen.
Der Raum war karg und kaum Bücher waren zu finden. Hier und da ein Bild mit, damals, verstörendem Inhalt. Lose Pergamente mit angstvollen Sätzen wie. „Ich will nach Hause…“ und ähnlichem.
Nach kurzer Suche fand ich ein kleines Kästchen aus hauchfeinen Basaltplättchen. Etwas länglich, vielleicht 8 Finger lang, 3 Finger breit und 2 hoch. Es war mit einer Schnur verschlossen und etwas bewegte sich darin
Ich such ja eigentlich nichts mit Inhalt, aber… Ich öffnete es trotzdem vorsichtig mit der rechten Hand.
Als ich den Deckel herunterschob lief es mir eiskalt den Rücken herunter, nichts was mich aufhielt, aber ich hatte das Gefühl mich etwas auszusetzen dass mir einmal furchtbare Angst eingejagt hatte. Mit leisem Schaben bewegte ich den flachen Deckel zur Seite… Es bewegte sich wieder, ich hörte ein leises Kratzen wie von winzigen Krallen. Licht fiel in das kleine Kästchen und ich erkannte im Zwielicht eine Maus oder Ratte. Sie war… mir stoppte für einen Moment das Herz als ich sie erkannte… – In meiner ersten Woche an der Akademie von Brabak… damals. Ein Studioso aus einem späteren Jahrgang hatte den Neuzugängen einen Streich gespielt und überall in den Schlafsäälen untote Ratten ausgesetzt. – …Der Schwanz war abgeknickt, das Fell blutig und aufgerissen. Und diese Augen. Eins schwarz wie die Nacht, wie die Mauern, wie Kohlen. Und eines grün leuchtend, nur noch schemenhaft zu sehen da alle Haut und auch das Ohr auf dieser Seite des Schädels vollständig fehlte.
Pah! Damit erschreckte mich niemand mehr. Ich ließ das Tier unsanft fallen und stellte die Schachtel wieder zurück… hier muss irgendwo noch was passenderes liegen.
Schnell wuselte die Ratte davon, ihrem alten Auftrag folgend Leute zu erschrecken.
Ich fand eine größere Schatulle die genau das enthielt was ich suchte. Die kleinere Schatulle im Inneren lag geöffnet da, gerade groß genug um das Auge aufzunehmen und von gähnende Lehre gefüllt. Ich fragte mich was sie wohl enthalten hatte.
Tja.. senieren bringt uns auch nicht weiter… Ich packte das Auge in die kleinere Schatulle und schloß mit der anderen Hand den Deckel so dass es nicht wieder entwischen konnte. Jetzt muss ich nur noch ne Möglichkeit finden das um zu legen.
„Warum schmilzt du nicht einen großen Gegenstand und versteckst das Ding darin bevor es wieder erkaltet?“
„Und wo soll ich diesen großen Gegenstand dann wohl lassen, hmm?“ fragte ich zurück.
„Hättest du mal den Desintegratus gelernt…“ Folgte die enervierende Antwort.
Vielleicht tat es auch die Schnur von dem anderen Kästchen. Ein Lederband war hier im Raum nicht zu finden.
Ich wickelte die Schnur vollständig ab und nahm mir dann nochmals das Kästchen vor um mit einem jetzt ohne Risiko zu sprechenden Hartes Schmelze! ein kleines Loch ans obere Ende zu schmelzen um die Schnur durch zu ziehen, sowie um mit dem Finger die Naht zwischen beiden Hälften zu verschließen.
Als ich den Zauber sprach hatte ich zwar das Gefühl beobachtet zu werden, tat es aber als Einbildung ab. Außerdem, wer würde sich nicht so fühlen wenn er gerade das was ihn wirklich beobachtete versiegelte… oder?
Ein wenig widerwillig, schließlich ist Koschbasalt nicht das am einfachsten zu verzaubernde Gestein, aber am Ende erfolgreich verschlossen sich alle Öffnungen der Schatulle. Aus dem Inneren war ein leises „plok“, „plok“, „plok“ zu hören.
Na wunderbar. Jetzt trage ich eine kleine Geräuschkugel mit mir herum… wie hießen die Dinger gleich… Metronom, das wars…
Ich band mir die Schatulle trotzdem um und verließ den Raum, um danach die Tür wieder sorgfältig zu verschließen.
Draußen, auf der anderen Seite der Tür warteten bereits zwei leidlich bekannte Gestalten auf mich. Sie warteten bis ich mit dem Sichern der Tür fertig war bevor sie mich ansprachen.
„Wir sind fertig… war nicht besonders interessant.“
„Du musst wieder, draußen vermisst man dich schon und du willst doch nicht dass dieser hässliche Zwerg was mit dir anstellt oder?“
„Der ist noch da?“ Ich hastete ein paar Schritte in die Richtung aus der ich hier hingekommen war, bis mir einfiel, dass ich nicht hier hin gekommen war, sondern gebracht wurde. Ich wand mich um: „Na dann bringt mich zurück!“
Die beiden packten mich erneut an den Armen und trugen mich wieder nach draußen, wo auch immer drinnen nun war. Ich schlug die Augen auf und blickte in das unrasierte Gesicht Leowulfs, der sich über mich gebeugt hatte um nach einer Flasche zu greifen die hinter mir lag. Er schien nicht bemerkt zu haben dass ich erwacht war.
Nachdem ich meine Körperteile gezählt hatte spürte ich einen leicht stechenden Schmerz im Rücken.
Ich erhob mich langsam und schaute unter mich, in der Hoffnung, dass es niemand bemerken würde.
Unter mir, leicht in den Boden gedrückt, lag ein kleines schwarzes Kästchen aus Koschbasalt… sogar das alte Bändchen dass ich angebracht hatte fehlte nicht.
Hmph! Ich nahm das Kästchen auf und legte es mir um. Unter der Robe natürlich.

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