Das Leben eines Gezeichneten – Teil 72
Winter des Wolfes - Teil 1
30 Rondra
Lange Ruhe hatten wir jedoch nicht, da schon kurz darauf dieser vermaledeite Zwerg aufkreuzte und uns auftrug nach Ysilia zu reisen.
Nachdem der Zwerg wieder zwischen den Bäumen verschwunden war, schaute ich mich vorsichtig um, ob nicht noch ein weiterer ungebetener Gast das Lager aufsuchte, aber nach wenigen Augenblicken der Stille, die immer noch im Vergleich zum Lärm der Schlacht wohltuend war, begann ich meine Sachen zusammen zu packen.
Leowulf schaute dem Überbringer schlechter Aufträge finster hinterher nur um sich danach hingebungsvoll und auf zwei Sprachen fluchend zu kratzen.
„Ysilia… na toll.“
„Na komm, so schlimm wie Beilunk ist Ysilia nicht. Da haben sie wieder Bannmagier, die ihr Handwerk nicht verstehen, wie jene in Perricum. Ich werd nie verstehen, wie sie so hochmütig seinen können zu versuchen etwas entgegen zu stehen, dass sie vorher nicht ordentlich untersucht haben um zu sehen welche Schwachstellen es wohl haben wird.“ Ich schüttelte den Kopf und schloss meinen Rucksack.
„Hofftenlich finden wir hier irgendwo versprengte Pferde.“
„Undurael findet bestimmt welche.“ Er blickte sich um und versuchte sich ein Bild der Überlebenden zu machen. „Solange Lurtisana diese Karakil-Dämonen hat wird jede andere Schlacht genauso aussehen. Wir brauchen unbedingt etwas dass unsere äh obere Flanke deckt.“ Auch für Leowulf war dreidimensionale Kriegsführung irgendwie neu.
„Ich vermute den Vorschlag ‚auch Dämonen‘ wird hier niemand sonderlich praktisch finden, hmm?“ Alles Dummköpfe hier. Ich warf mir den Rucksack auf den Rücken. „Auf gehts… nach…äh… da?“ Das lag im Norden! Aber wo ist das gleich? Bevor es allzu deutlich wurde, warf ich noch ein. „Ach da fällt mir ein, ich glaube in Ysilia ist auch ein Ordenshaus von diesem Orden mit dem wir in Perricum aneinander geraten sind. Du erinnerst dich? Die unbedingt Tar
verhaften wollten?“
„Zu unsicher mit den Dämonen, die haben bestimmt mehr Magier die uns die unter dem Hintern wegschnappen können als wir und außerdem… nein! Gibt es keine Zauber mit denen man die Dinger am Fliegen hindern kann?
Aber dieses Hylaier Feuer könnten wir gebrauchen. Gegen die Untoten und so.“
Leowulf wirkte leicht abwesend als er weitersprach.
„Tar verhaften? Ach die, ja nervig. Am Besten das nächste Mal ihr Blut vergießen, ja.“
„Oh das gibt es schon, aber das kann ich nicht… und was das Hylalier Feuer betrifft, dafür benötigt man meines Wissens nach ziemlich exotische Zutaten, die man nicht einfach so beschaffen kann. Aber Dämonen kan man um fast alles bitten, wenn man bereit ist den Preis dafür zu zahlen… oder zahlen zu lassen.“
Ich blickte Leowulf ernst an. „Wenn unsere Seite nicht lernt effektiv gegen Dämonen vorzugehen, wird es unsere Seite bald nicht mehr geben.“
„Das weiß ich. Und dazu kommen noch unsere Heerführer… hast du dir mal die Truppen angeschaut vor der Schlacht? Sie haben die jungen Adligen Offizier spielen und die Veteranen rumkommandieren lassen.“
„Weißt du,“Leowulf schloss nach einem Moment kurz die Augen und brach damit den Blickkontakt zwischen ihm und mir ab „Es wäre einfach den Preis zu zahlen den du eben erwähnt hast. Vielleicht gewinnen wir dadurch. Aber hinterher sind dann wir…“ Er stockte kurz, schüttelte den Kopf und machte eine ausladende Geste zu den übriggebliebenen Truppen. „…die da sind dann das neue dämonische Heer. Und wer wird das dann aufhalten?“
„Ja, vielleicht könnte das passieren… aber ich weiß auch nicht wie viele von ihnen nicht bei der Frage ob tot oder lebend, siegreich und gewisse Konsequenzen nicht letzteres wählen würden. Menschen sind sehr einfach zu überzeugen, und wenn sie so weitermachen hier auf dieser Seite, wird es bald für die Gegenseite noch einfacher neue Söldner anzuwerben. Auch wegen diese Führungssache.“
Auch ich schaute in die Richtung in der die Brücke über die Tobimora lag.
„Weißt du wieviele von jenen im Land dahinter nicht freiwillig dem Heer die Tür öffnen? Woher wollen wir wissen ob sie überhaupt so viel schlechter sind als ihre ehemaligen Herren? Für den einfachen Bauern mag es tatsächlich wenig Unterschied machen ob er nun 12 Götter oder 12 Erzdämonen verehrt, wie frevlerisch auch immer das hier klingen mag. Und sollte das den Leuten auf dieser Seite klar werden, wird es keine Seiten mehr geben…“
„Nein ich weiß es nicht. Und ich bin der letzte der irgendjemandem vorschreibt was er zu glauben hat.“ Leowulf suchte erneut den Blickkontakt zu mir. „Tobrien ist nicht zu halten. Wir sollten Mann und Maus hier rausbringen und ihm das Feld überlassen.“ Seine Stimme wird aggressiver. „Und dann… wenn er sich hier eingenistet hat mit all seinen Truppen, dann können wir den Kampf beginnen.“
Ich schaute Leowulf an als sei er irgendwie nicht ganz in Ordnung.
„Deine Idee hat mehr als einen Fehler. Zum einen ist es deutlich schwerer einen Feind zu besiegen, der schon irgendwo ist und sich dort alles so zurechtmachen kann wie es benötigt würde. Schau dir die Umwelt doch mal an! Sie fängt ja schon an sich anzupassen.
„Und zum zweiten wird Er nicht stoppen nur weil Ihm Tobrien gehört. Es hat mit Sicherheit einen Grund warum es gerade hier beginnt und nicht weiter im Süden, aber es wird hier nicht aufhören.“
„Auf See und in der Luft sind die Leute hier absolut unterlegen. In einem Bodenkampf haben sie wenigstens noch eine Chance, Connar.“
Er riß ein kleines Büschel Gras aus dem Boden. „Dass sich das Land gegen uns wendet ist schlimm… wie weit wird das noch gehen?“
Was hat denn das mit meiner Antwort zu tun? Aber wenn er es nicht sehen will…
„Wer weiß was das Land alles hervorbringen kann. Ich hab da mal einige sehr interessante Bilder in einem Buch gesehen, aber weiß nicht ob sie nicht nur der Fantasie des Autors entsprungen sind.“
„Was war denn da abgebildet?“
„So genau erinnere ich mich nicht mehr, aber es waren Bäume, die um sich griffen mit scharfen Kanten und Dornen, sumpfige Gebiete in denen sich kein Leben mehr regt und nur noch von Dämonen bewohnt wird, die ihre Umgebung noch mehr pervertieren und verändern. Blumen, die eigentlich keine sind und Tiere mit den seltsamsten Auswüchsen.
„Aber lass uns da lieber nicht von sprechen. Wir werden das sicher früh genug bemerken…“
Ich schaute wieder hinüber zum roten Fluß.
Da es Undu aber noch immer nicht sonderlich gut ging, beschlossen wir nicht direkt aufzubrechen, sondern einen Tag zu warten, der sich als recht ereignisreich für mich herausstellte.
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