Das Leben eines Gezeichneten – Teil 69

Goldene Blüten auf blauem Grund - Finale

30 Rahja
Schon früh am Morgen, als die ersten Strahlen der Praiosscheibe über die Zinnen in den Innenhof fielen und die Luft einen winzigen Hauch wärmer machten, versammelten sich alle Amazonen und Bauern in eben diesem um der Gerichtsverhandlung beizuwohnen. Die beiden wurden aus dem Kerker geschafft und des Verrates angeklagt, wir sollten aussagen was wir wussten – was hauptsächlich Undu tat, da er das Gespräch belauscht hatte, und dann bat Ulissa darum, dass ihr vergeben würde und sie noch einmal den Namen ihrer Göttin aussprechen
dürfte. Leider würden wir nie erfahren ob es ihr gewährt würde, da sich das Heer draußen vor dem Tor gerade diesen Moment aussuchte um einen Angriff zu starten und einen Pfeil auf die Königin zu schießen. War dummerweise – also für den Feind dummerweise – ihre Schwester im Weg und bekam den Pfeil ab – irgendetwas war merkwürdig am Pfeil und als die anderen entweder auf die Mauern rannten – im Falle der Amazonen – oder aufgeschreckt durch den Innenhof – im Falle aller anderen – trat ich näher an die Tote heran und zog den Pfeil aus ihrem Hals. Er fühlte sich unnatürlich kalt und eisig an und meine Hand begann sich zuerst mit Raureif und dann nach und nach mit Eis zu überziehen. Ich steckte ihn in meine Tasche – ein Hoch auf große Taschen – und versuchte die Hand wieder vom Eis zu befreien, als die ersten Brandgeschoße in den Innenhof fielen.
So lief ich ebenfalls auf die Zinnen um meiner Neugier statt zu geben was den Aufmarsch der Feinde betraf. Ziemlich viele, so wie sie da alle in einiger Entfernung den Beschuss abwarteten und ihrerseits versuchten, die Leute von den Mauern zu schießen. Und natürlich musste einer der Pfeile mich treffen – ist ja immer so gewesen. Vermutlich ist da irgendjemand zuständig immer genau einen Pfeil auf mich zu lenken. Da ich mir da aber nicht ganz so sicher war, verschwand ich lieber wieder von der Mauer und ging an eben dieser entlang zum Hauptgebäude in dem man noch halbwegs sicher sein dürfte.
Nachdem sich die Geräusche von fallenden Steinen und Tonkrügen gelegt hatten warf ich wieder einen Blick nach draußen und stellte fest, dass das Dach des Stalls brannte und einige Amazonen und Bauern die Pferde raus zogen. Würde ich wohl auch mache müssen. Nachtsturm mag kein Feuer. Und irgendwie fiel mir jetzt erst ein, dass ich keine Möglichkeit hatte das Pferd hier heil wieder raus zu schaffen und das ärgerte mich maßlos.
Die Schüsse hatten aufgehört, als sich endlich alle Pferde im Hof befanden und stattdessen würden sie wohl jetzt versuchen die Mauern zu bestürmen. Es mussten etwa eine Stunde vergangen sein – der Lärm in der Bug vertrieb jegliches Zeitgefühl – als plötzlich von irgendwo her jemand „„Zwerge“`‘ schrie, so als wäre es ein Schlachtruf oder ähnliches. Eine genauerer Betrachtung meinerseits – mal wieder auf der Mauer – ergab, das sich tatsächlich einige Zwerge auf den Weg gemacht hatten und jetzt vor der Mauer gegen die anderen ankämpfte… und zu
unterliegen drohten. Dann zogen sich die Feinde zurück und überließen mich einer Erwartungshaltung auf das noch ausstehende Gefecht. Warum ein Rückzug? Sie hatten beinahe gewonnen… sehr merkwürdig.
Am Abend sollte nochmals Kriegsrat gehalten werden, aber wirklich nützliches wurde nicht besprochen. Wir gingen also alle ins Bett, auch wenn vermutlich niemand von uns schlafen konnte und alle nur wach in ihren Betten lagen. Jetzt würde sich zeigen, warum ich hier war und ein gespanntes Gefühl breitete sich in meinem Inneren aus.
Natürlich startete mitten in der Nacht ein erneuter Beschuss mit Steinen und Brandöl, und ich hielt mich so gut es ging verdeckt bis sie soweit waren es wieder mit den Mauern zu versuchen. Im Schutze eines Übergangs zum Bergfried konnte ich das große schwarze Pferde sehen, dass aus dem brennenden Stall gekommen war und mit Undu sprach, der sich darauf hin auf seinen Rücken schwang und mit ihm davon flog. Schöner Elf…
Auf der gegenüberliegenden Seite der Mauer schlug ein Blitz ein und die Amazonen – leichtgläubig wie sie nun Mal sind – nahmen es gleich als Zeichen ihrer Göttin. Ich hatte nur gesehen wie er Leowulf mit einigen Stücken Geröll in den Innenhof geworfen hatte und ging zu ihm hin um eine gewisse Art von Lebenssicherung meinerseits zu retten. Er sah nicht gut aus. Jede Menge Steine waren auf ihn gefallen und in der Mauer klaffte ein großer fast bis zum Boden
reichender Riss, durch den mit Sicherheit schnell Feine stürmen würden – von wegen Zeichen der Göttin, den Untergang hatte es vielleicht gebracht. Ich zog einen bewusstlosen Bauern heran und steckte Leowulfs Schwert in ihn, wiederholte das ganze nochmals und konnte fast zusehen was das Schwert mit ihm anstellte.
Aber in der ganzen Aufregung mit Blitz und Einsturz hatte niemand auf das Burgtor geachtet, das just in dem Moment zerteilt wurde, als sich Leowulf wieder erhob. Zerteilt von einem Magier, der neben einigen anderen in den Innenhof trat. Die Amazonen traten von den Mauern herunter und versuchten die neuen Eindringlinge zu erschlagen – ohne wirklich nennenswerte Erfolge und ich
versuchte mich weitestgehend aus der Sache raus zuhalten und beobachtete den Magier. Er rief irgendetwas und gerade als er fertig war erkannte ich was er gerufen hatte. Nirraven. Er musste Wahnsinnig sein diesen Dämon hierher zu rufen und dann auch noch ohne vernünftiges Ritual! Und er versuchte tatsächlich sich eine tote Amazone untertan zu mache indem er ihn lossand sie zu übernehmen. Er hätte sich allerdings vergewissern sollen, dass sie tatsächlich tot war. Der
Nirraven, eine beeindruckende Gestalt in haudünnem Schwarz zuckte zwar in ihre Richtung, steuerte aber dann auf den eigenen Beschwörer zurück und verschwand in ihm…
Selbstüberschätzung und so.
Leider brachte er ihn nicht um, sondern wollte wohl noch ein wenig Freude an der Sache haben. Mit minimalsten Körperbewegungen rief er Tote hervor und hieß sie gegen uns zu Kämpfen, bis Yppolita vor ihn trat und zu einem Zweikampf herausforderte, den er huldvoll annahm. Mein Auge offenbarte mir die tatsächliche Gestalt des Nirraven, noch weitaus beeindruckender als jene die ich schon gesehen hatte und einen großen arkanen Schatten über der Burg, der schneller näher kam und ein recht großer Drache war, der Undu auf dem Bughof absetzte und dann wieder aufstieg um von oben Schrecken und Verderben über die Feinde zu bringen. Unten auf dem Boden kämpften beide weiter, alle anderen in stummer Erfurcht oder Siegeslust darum herum. Der Nirravenmagier mit einem Flammenschwert, die Königin mit dem alten Schwert aus dem Thronsaal. Nach einiger Zeit war deutlich zu sehen, dass die Amazone mit ihren Kräften am Ende war und der Magier siegen würde, als ein Glühen von ihr ausging und sie den Magier mit einem mächtigen Hieb in zwei Teile teilte und den Dämon in seine Heimat zurückschickte, bevor sie selber – tot – zu Boden sank.
Der Drache heulte in Agonie auf und schickte zornige Rufe über das Land, gefolgt von großen Feuerstößen in den Innenhof der Burg. Es stellt sich die Frage ob Drachen auch verrückt werden können und in diesem Moment hätte ich darauf geschworen. Ich flüchtete in den Burgfried. Massen von Stein schienen mir ein guter Schutz zu sein und lauschte den Geräuschen von draußen. Irgendwann ertönte ein großes Zerren und Reißen in den Mauern des Burgfriedes das Stunden anzudauern schien. Als ich mich nach endloser Stille nach oben wagte, war der
Eingang durch Schutt und Geröll versperrt und ich begann mit der mühseligen Arbeit es frei zu räumen.

1 NLT
Es war Morgen als ich mich endlich aus den geschmolzenen Steinen schälte, schon wieder war meine Kleidung halb verbrannt und die andere Hälfte zerrissen. Da würde ich mir irgendetwas einfallen lassen müssen, aber mit einem Drachen konnte ja niemand rechnen. Die anderen hatten sich auf andere Weise verschanzt. Greifwin und Adaque waren im Rondratempel, der wunderbarerweise -!- noch stand, verschanzt. Wo Leowulf und Undu gewesen waren wusste ich nicht, aber sie sahen nicht besser aus als ich.
Die wenigen Überlebenden – vielleicht 30 Stück – die auch im Tempel gewesen waren sammelten sich im Innenhof und starrten fassungslos auf die Ruinen der Burg um sie herum. Ayla war die einzige Überlebende Amazonen und am Boden zerstört. Sie hielt eine Art Ansprache aber ich hörte ihr nicht richtig zu und schaute mich lieber nach dem gesuchten Gegenstand um, fand ihn jedoch nicht. Eines jedoch hörte ich sehr wohl, nämlich, dass wir die Überlebenden nach Beilunk bringen sollten und sie diese andere Amazone suchen gehen würde. Genau was ich brauchte…

2 NLT
Ohne den Paktierer wurde es in der Burg schnell wärmer, das Eis hatte das Feuer des Drachen geschmolzen und so konnten wir im Freien übernachten. Auch eine Durchsuchung des Feindeslagers – die Überlebenden von dort waren geflohen – ergab einige Gegenstände die wir nun nachdem alles zerstört war gut gebrauchen konnten. Außerdem grasten dort noch Pferde, die wir uns aneigneten.

3 NLT – 13 Praios
In den letzten beiden Tagen hatte sich der Gegenstand nicht offenbart, und wir wollten um die Mittagstunde aufbrechen. Nur wenig Zeit zur Verfügung versuchte ich ihn dennoch ausfindig zu machen und endlich offenbarte sich mir ein kleiner Klotz Burgmauer, der den Flammen widerstanden hatte. Ich packte ihn in den ohnehin leeren Rucksack und wir brachen auf in Richtung Beilunk.
Die Reise war beschwerlich, aber es traten keine weiteren Feinde auf uns zu. Am Tag bevor wir Beilunk erreichen würden verabschiedete sich Ayla von uns und zog nach Norden.

Es war früh am Morgen, die Vögel zwitschern und ich stand inmitten der langsam erwachenden Stadt. Handwerker trugen ihre Werkzeuge durch die Gegend, Wäsche wurde gewaschen und irgendwo hörte ich Kinder rufen.
All dies wäre wirklich idyllisch wenn da nicht der Sand wäre… überall war dieser rötliche Sand… eigentlich bestand sogar alles aus ihm. Die Häuser, Menschen, Straßen und Tempel.
„Nicht unser Sandkasten…“ sagte das blonde Mädchen leicht gekränkt. Die kleine Dunkelhaarige nahm mich an der Hand und zog mich Richtung Stadtmauer.
Wo bei den Niederhöllen war ich den jetzt hingeraten? Ich war doch gerade noch wo anders? Oder? Ich versuchte vorsichtig eine Hand in eines der Sandgebäude zu stecken.
Meine Finger drangen ohne große Mühe in die Wand aus Sand ein und der verdrängte Sand rieselte mit einem leisen rauschen zu Boden. Feiner roter Staub färbte meine Finger als ich sie wieder aus der Wand zog.
Die Mädchen warteten und schauten mich neugierig an.
Ich verdrehte die Augen und schnaubte leicht. Fein, geh ich hinterher.. und bewegte mich weiter in Richtung der Mädchen um ihnen zu folgen wohin auch immer sie mich führen.
Wir gingen schnellen Schrittes durch die Stadt und erreichten rasch die Stadtmauer. Auch sie war nur eine Wand aus rotem Sand und vermittelte mir das ungute Gefühl sie könnte über mir zusammenstoben und mich unter sich begraben.
„Schau mal!“ Das blonde Mädchen zeichnete ein dem Zayhad ähnelndes Symbol in den Sand und kurz darauf zog sich eine oben spitz zulaufender Gang durch die Mauer. Gerade so hoch dass die Mädchen ungebückt hindurch gehen konnten.
Sollte ich da etwa durch? Wobei… es gab ja das um mich herum nicht, also kann es auch keinen Einfluß auf mich haben, also müsste ich auch einfach durchgehen können. Ich trat vorsichtig und gebückt einen Schritt in den Tunnel rein.
Mein Rücken streifte an der Decke entlang und riß einigen Sand hinter mir nach unten.
Ich versuchte mich noch etwas kleiner zu machen und trottete hinterher. Wir hätten bestimmt auch einfach durch das Tor gehen könnnen!
Die Mädchen hatten sichtlich Spaß daran mich so durch den Gang krabbeln zu sehen und deuteten dann auf den Wald… zumindest schien es Wald zu sein, einmal abgesehen davon dass mir Bäume aus Sand eigentlich neu waren.
„Komm mit. Wir zeigen dir was.“ Sagte die Blonde während die Dunkelhaarige mir am Ausgang auf die Beine half.
Ungewohnt von ihrer freundlichen Art, die bisher immer etwas hinterhältiges hatte, lies ich mir dennoch helfen und drehte mich zur Stadtmauer um.
Die Mauer hinter mir wirkte unbeirrt sicher, sofern man das von einer Sandskulptur sagen konnte und der Tunnel durch den ich eben noch gekommen war schloss sich langsam durch den von oben kommenden Sand. Nach einer knappen halben Minute war nur noch ein schräger Haufen ausgelaufenen Sandes an der Stelle zu sehen.
Außerdem stellte ich fest dass meine Robe ein wenig schwerer geworden war, so als hätte ich Sand in den Taschen wo eben noch keiner war.
Ich seufzte leise und leerte meine Taschen aus, bevor ich mich wieder umdrehte und den Mädchen hinterher ging.
Diese gingen tuschelnd über die von Bäumen befreite Fläche und warteten dann, als ich das Gefühl hatte von der Stadt aus nicht mehr belauscht werden zu können auf mich.
Ohne auch nur im geringsten auf meine Umgebung zu achten, folgte ich stur dem vorgegebenen Weg und blieb beinahe abrupt vor beiden stehen. „Was soll das ganze hier?“
„Da..,“ sagte die Schwarzhaarige „…drei Tage in die Richtung…“ während die Blonde in die Richtung der Straße zeigte und angeekelt „…bei den hässlichen Fröschen.“ von sich gab. „…da gibst du den bunten Stein der schönsten Blume der Welt.“ Beendete die erste ihren Satz mit einem so bezaubernden Lächeln dass es nur falsch sein konnte.
…es war früh am Morgen, die Vögel zwitscherten und ich stand inmitten der langsam erwachenden Stadt. Handwerker trugen ihre Werkzeuge durch die Gegend, Wäsche wurde gewaschen und irgendwo hörte ich Kinder rufen.
All dies wäre wirklich idyllisch wenn da nicht Leowulf wäre der mich ruppig an der Schulter schüttelte und mehrmals nachfragte ob alles in Ordnung sei.

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