Das Leben eines Gezeichneten – Teil 42

Pforte des Grauens - Teil 9

1 Rondra
Das Geräusch von bratenden Pflanzen weckte mich. Offensichtlich hatten die Echsen für Frühstück gesorgt und ich fühlte mich deutlich besser als noch vor ein paar Stunden. Bereit sowohl die Keule als auch das Schwert zu untersuchen. Ersteres strahlte eine riesige astrale Macht aus, die mich an den Drachen erinnerte, aber deuten konnte ich es nicht wirklich. Das Schwert – das ich erst umständlich aus dem Stoff in den es Greifwin geschlagen hatte, ausschlagen musste – war weitaus simpler gestrickt, jedoch ebenfalls von großer Macht. Es
erleichterte die Beschwörung von Dämonen und die Kampffertigkeiten eines Kämpfers mit diesem Schwert wurden erheblich gesteigert. Allerdings konnten nur bestimmte Personen auch die Kräfte entfesseln, die es beheimatete und dazu gehörte Greifwin bestimmt nicht. Dieser fuhr mich auch an, als er erwachte und ich neben ihm das Schwert untersuchte. Man kann sich auch künstlich aufregen…
Wir frühstückten und liefen dann weiter in Richtung Sümpfe in denen ich erstaunt feststellte, dass wir über den Sumpf liefen und nicht durch ihn hindurch. Es hatte sicherlich etwas mit den Steinen der Echsen zu tun, die wir erhalten hatten, aber ich hatte keine Muße zu fragen, immerhin hatte ich schwer zu tragen.
Abends reichten uns die Echsen wiederum Essen und danach legten wir uns schlafen. Leowulf weckte mich mitten in der Nacht – ich hatte gerade einige Dinge geklärt – und wies auf Greifwin hin, der seltsam verkrümmt über seinem Hab und Gut hing. Ich ging hinüber und stieß ihn herunter, nur um zu entdecken, dass er mit zwei Edelsteinen gespielt und dabei seltsame Laute erzeugt hatte. Leowulf war ein bisschen nervös wie es mir schien.

2 Rondra
Am morgen fand ich in einiger Entfernung vom Lager – aus irgendeinem mir unersichtlichen Grund war ich einem inneren Bedürfnis gefolgt – das schwarze Schwert und einige andere Sachen von Greifwin halb verbuddelt in der Erde. Sie hatte also Wort gehalten. Fein. Ich verwischte die Namensigile des Blenders daneben und packte das Schwert wieder ein um dann zusammen mit den anderen wieder aufzubrechen.
Etwa gegen die dritte Stunde erst bemerkte Greifwin, das ich das Schwert bei mir trug und fragte mich wo ich es denn her hatte. Ich antwortete wahrheitsgemäß wo ich es gefunden hatte und er schien kurz vor einem Nervenzusammenbruch – irgendwie erfreute dies mein Herz, denn er hatte sein halbes Hab und Gut einfach im Wald verscharrt, was auch immer er geglaubt hatte zu sehen – und er begann sich noch heftiger als vorher die Finger seiner rechten Hand zu kratzen, die
merkwürdigen Haarwuchs entwickelt hatten.
Gegen Abend erreichten wir die Ausläufer von Ruinen, die Echsen führten uns vor ein Gebäude das entfernt an einen Tempel erinnerte und verschwanden dann im Gras. Die Türen des Tempels öffneten sich und heraus trat eine große Echse, die meinen Büchern nach ein noch lebendes Exemplar der Leviathanim sein musste in Begleitung zweier Achaz.
Ich überreichte ihm die Keule und es wurde uns gedankt für die Wiederbeschaffung. Allerdings war damit das Unrecht noch nicht abgegolten und dafür müsse jemand im Kampf gegen den Leviathan antreten. Leowulf meldete sich freiwillig und bezog gegenüber der Echse Position.
Grauer Nebel wallte um die Füße der ungleiche Gegner und keiner von beiden rührte sich mehr. Plötzlich zog sich eine Schnittwunde über den Körper der großen Echse, dann eine über Leowulf. Sie schienen außerhalb dieser Ebene zu kämpfen und auf spektakuläre Weise, denn ich hatte noch nie so genau betrachten können, wie sich Wunden in einem Körper bildeten – normalerweise war da ja eine Waffe im Blickfeld.
Nach endlos quälenden Minuten nach denen ich mit einigen Blutspritzern der großen Echse in deren Nähe ich stand versehen worden war, kamen beide wieder zu sich und sanken auf die Knie. Leowulf hatte die Echse besiegt. Zumindest sagten sie das. Und er hätte sich eine gewisse Ehre erkämpft.
Die Echsen drehten sich ohne weitere Worte um und verschwanden wieder im Inneren des Tempels, nicht ohne die Tür hinter ihnen zu verschließen. Ich versuchte ihnen nachzugehen, konnte die Tür aber nicht öffnen, und zu allem Überfluss begann es auch wieder zu regnen. Etwas enttäuscht, dass ich nicht ins Innere gehen konnte rollte ich mich auf der obersten Stufe zusammen und versuchte zu schlafen, während Leowulf von seinem Kampf mit der Echse berichtete.

3 Rondra – 8 Rondra
ich erwachte als mich Praios Strahlen im Gesicht trafen und stellte fest, dass ich meine Position in der Nacht kaum geändert hatte, aber die drei Echsen, die uns hier hin geführt hatten, wieder da waren. Ich fragte ob ich nicht doch einen Blick in den Tempel werfen könnte, aber erhielt keine positive Antwort. Es sei selbst ihnen nicht gestattet und wir sollten sie jetzt begleiten zu unserem
Sumpfloch. Was auch immer sie damit wohl meinten. Ich würde jedenfalls später noch mal vorbei kommen und um Einlass in den Tempel bitten. Notfalls eben mit gewisser Gewalt!
Bevor wir aufbrachen trat Greifwin an mich heran und zeigte mir seinen schwarzen Mittelfinger. Er wirkte wie tot und als ich ihn berührte fühlte er sich auch so an. Ich erinnerte mich schwach, dass er damit wohl im Schloss der Truhe herumgefummelt hatte und vermutlich Gift in den Finger gelangt war. Ich teilte ihm mit, dass es keine Möglichkeit zur Rettung für seinen Finger gäbe, aber wohl für seine restliche Hand, wenn er sie nicht auch verlieren wolle. Ich musste den Finger entfernen.
Er stimmte widerwillig zu und ich entfernte den Finger so sauber und ordentlich wie es hier möglich war. Anschließend wirkte ich noch einen Klarum Purum auf die Wunde um das restliche Gift zu entfernen und wir konnten weiterziehen – nicht ohne den Kommentar meinerseits, dass er einfach hätte viel früher vorbeikommen sollen.
Das war wunderbar! Jetzt schuldete er mir einen Gefallen… mal sehen was ich damit alles anstellen konnte.
In den nächsten Tagen zogen unsere eschischen Führer mit uns über die Maraskankette und weiter in Richtung Küste. Der Weg war unbeschwerlich und die Echsen sorgten für anständige Nahrung und Bewachung des Lagerplatzes.

9 Rondra
Nach dem Frühstück verabschiedeten sich die Echsen von uns kurz bevor wir das Ende eines Hügels erreicht hatten. Oben angelangt konnte ich einen recht weiten Blick über die Nahe Küste werfen an der weiter unten eine große Stadt lag. Das konnte eigentlich nur Tuzak sein, die Stadt die wir vor über einem Monat hätten erreichen sollen.
Wir schritten den Pfad zur Stadt entlang und durch die ersten Elendsviertel und Vororte die sich irgendwie immer in der Nähe großer Städte bildeten und natürlich nicht innerhalb der wehrhaften Mauern lagen. Vor diesen jedoch stoppten wir, denn auf einigen der Steckbriefe waren noch immer unsere Gesichter zu sehen – obwohl natürlich sowohl Leowulf als auch Greifwin nicht mal annähernd so aussahen wie auf den Bildern, da sie es nicht für nötig hielten ihr Äußeres entsprechend zu pflegen.
Ich setzte meine Kapuze auf und hoffte, dass niemand nachfragen würde, während wir durch das Tor wanderten. Die Wächter achteten tatsächlich kaum auf uns und hielten uns nicht einmal an, als wir durch schritten. Etwa 20 Schritt vom Tor entfernt fragte ich einen Bürger nach dem Weg zum hiesigen Borontempel. Der Beschreibung war einfach zu folgen und so standen wir schon kurz darauf vor den Toren ebnen jenes. Er war nicht besonders herausragend oder von interessanter Struktur, jedoch immerhin das eigentliche Ziel unserer Reise, zumindest hatten wir noch eine Botschaft des Raben dabei, die wir der Hochgeweihten überreichen sollten.
Die Boroni am Eingang lauschte stumm unserer Bitte um Audienz bei der Hochgeweihten, verabschiedete sich zunächst und tauchte erst wenig später wieder aus den Tiefen des Tempels hervor um uns noch immer wortlos hinein zu führen. Den Raum den wir letztlich betraten konnte man getrost als groß bezeichnen. Er wurde als Gebetsraum benutzt, denn es standen Holzbänke
ordentlich in Reihen im hinteren Teil. Vorne stand allerdings ein langer Tisch, der meiner Meinung nach dort nicht hin gehörte an dem die Hochgeweihte saß. Ich lief zu ihrem Tisch und wollte mich gerade vorstelle, als sich die Tür hinter uns wieder öffnete und eine massige Gestalt durchtrat. Im Raum richtete sich der Mann, dessen Oberkörper mit Fellen bedeckt war, auf und trat ebenfalls auf uns zu. Irgendwie wirkte er… unzivilisiert.
Ich wand mich wieder der Hochgeweihten zu, als der massige Mann dazwischenfunkte. Er wollte wissen warum er hier wäre und bekam als Antwort, dass er ähnliche Probleme hätte wie wir. Auf ihn war ebenfalls ein Kopfgeld ausgesetzt und unseres auf 400 D pro Kopf erhöht worden. Wunderbar. Und auch noch vom Fürsten persönlich, wie die Hochgeweihte erklärte, nachdem sie den Brief gelesen hatte, den wir aus Punin mitgebracht hatten und dem Raben mal eben so eine
Antwort übermittelt hatte – bin ich der einzige der sich fragt, warum wir dann überhaupt ein Schriftstück mit uns führen mussten? Ganz sicher nicht.
In den nächsten Wochen sollte eine Einheit Sonnenlegionäre in der Stadt eintreffen um die Sache mit Wiedbrück zu untersuchen, der als Sicherheitsberater des Fürsten in meinen Augen verantwortlich für diese ganze Sache war. Leider konnten wir uns in der Stadt nicht sehen lassen, und mussten bis auf weiteres im Borontempel verweilen – das hatte ich mir ja schon immer erträumt.
Wir wurden auf ein karges Vierbettzimmer geführt in dem auch der Barbar – anders kann ich ihn nicht bezeichnen – seinen Unterschlupf gefunden hatte. Natürlich musste ihn Greifwin direkt dumm von der Seite ansprechen und es hätte nicht viel gefehlt, bevor sie einander an die Gurgel gegangen wären. Ich lenkte ihn mit Fragen über seine Herkunft ab und warf bitterböse Blicke auf Greifwin, der aber nicht stiller wurde. Er kam aus irgendeinem Tal, dass mir nichts sagte und
glaubte an Geisterwesen und nicht an die Zwölfgötter. Ich versuchte ihm ein bisschen Nachhilfe über Magierphilosophie zu geben, aber ich glaub er hat es nicht verstanden.

10 Rondra – 17 Rondra
Die nächsten Tage verliefen sehr ruhig – was wohl sicherlich an der Umgebung lag in der ich mich aufhielt. Die anderen verließen manchmal den Tempel, aber es interessierte mich nicht besonders wo sie hingingen. Der Ablauf des Tages hier im Tempel musste wohl oder übel von uns eingehalten werden und diese ständigen Lobpreisungen gingen mir bald gehörig auf die Nerven, wenn ich auch zugeben muss, dass sie einen trefflichen Sinn für Worte besitzen, wenn sie denn mal reden.
Am Abend des siebzehnten Rondra klopfte es an unsere Zimmertür und die Boroni, die offensichtlich für uns eingeteilt worden war, brachte uns in den zum Versammlungsraum umfunktionierten Gebetsraum. Am Tisch am anderen Ende saßen die hochrangigen Praioten, von denen ich leider einige kannte. Ich versuchte mich so unsichtbar wie möglich zu machen in dem ich hinter dem großen Trollzacker verschwand, aber am Tisch – an dem er zuerst nicht Platznehmen wollte – konnte ich das nicht mehr.
Auf ‚Bitten‘ des Hochgeweihten erklärte ich was im Praios geschehen war, ließ aber natürlich die Begegnung mit den Echsen in ihrer Stadt aus und hoffte das ich niemand verraten würde.
Die Praioten ihrerseits erklärten, dass sie morgen in der Frühe den Fürstenpalast stürmen wollten und wir gefälligst mitzugehen hatten. Wunderbar… das war schon immer mein Traum. Wir würden mit da Vanyas Einheit gehen, die die Beraterzimmer untersuchen sollte. Insgesamt würde es drei Einteilungen geben, für jeden Trakt eine.
Mehr wollten sie auch nicht Preis geben und auf die Frage nach einer Karte des Fürstenpalastes – damit ich dieses Mal vielleicht nicht direkt in ein Schlammassel laufe, zeigten sie mir die gröbste Karte, die mir bisher untergekommen ist. Also wieder nichts mit Planungen.
Wir zogen uns zurück – Leowulf maulte, weil sie ihn in die Tracht eines Bannstrahlers stecken wollten und musste daher unbedingt noch mal zum heruntergekommenen Rondratempel um sich einen vernünftigen Wappenrock zu besorgen. Anstatt das er froh ist nicht aus der Menge zu ragen mit seinen Farben…
Der Rest des Abends verlief wie jene vorher ruhig und besonnen.

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