Das Leben eines Gezeichneten – Teil 38
Pforte des Grauens - Teil 5
14 Praios
Mit dem Beginn des Vogellärms hier im Dschungel wurden wir geweckt und nahmen ein karges Frühstück ein, nur um direkt danach aufzubrechen um etwas Strecke zu machen. Der Dschungel zeigte sich von seiner eher angenehmen Seite, zumindest für meine Wenigkeit. Latu schien noch immer ziemlich unter der Hitze zu leiden und wenn ich mich nicht täuschte hinterließ er sogar fast eine kleine Schweißspur.
Gegen Mittag aßen wir neben einem umgestürzten Baum und ruhten uns ein wenig aus. Es ist wegen der noch dickeren Luft recht schwierig sich mittags körperlich zu betätigen und ich war es seit jeher gewohnt über Mittag eine Pause in allem was ich tat einzubauen. Als Mittelländer jedoch schien man diese Angewohnheit nicht zu teilen, wie ich in den letzten Jahren bemerkt hatte.
Es war etwa früher Nachmittag, noch vor dem täglichen Regen, als wir eine große Lichtung erreichten auf der einige Ruinen standen und dazwischen mehrere Leute hin und her liefen. Unsere Führer gingen zielstrebig auf einen mittelländisch aussehenden Magier zu, der in der Mitte über eine alte Platte gebeugt dastand. Ich warf einen neugierigen Blick auf jene Platte und stellte mit einem Lächeln fest, dass es sich um Protozelemia handelte und dies wohl eine alte Echsenstadt sein musste. Wunderbar! Hatte ich endlich eine davon gefunden. Ich begann ein
anregendes Gespräch über die Ruinen mit dem Magier der sich als Puspereiken aus Festum
vorstellte zu führen und wurde nur gelegentlich durch einen Zuruf der anderen unterbrochen. Wie es schien hatte der Gelehrte diese Stätte erst vor kurzem gefunden, klagte aber über diesen Inquisitor der ihm zwei Menschen und eine Echse geschickt hatte, die hier irgendetwas mitgehen hatten lassen, leider wusste er jedoch nicht was es gewesen war, vermutete jedoch das es eines der elf Siegel sein könnte – wofür sie gut waren wusste er auch nicht. Über das Tal im Norden
wusste er tatsächlich etwas mehr, denn vor einiger Zeit war seine Spektabilität Rakorium dort gewesen und hatte den Ring des Satinav dort gefunden. Und es sollte eine schreckliche Echse dort wohnen. Noch schrecklicher als jene, die seiner Aussage nach hier in den Ruinen manchmal auftauchen würde, riesig groß und mit einer Keule bewaffnet. Er zeigte mir eine kleine Statue die wohl eine ähnliche Form hatte.
Ich bot ihm an den Boden nach Hohlräumen abzusuchen und er nahm erfreut an. Leider brachte es kaum mehr Erkenntnisse für mich, denn so aus dem Limbus hinaussehen konnte ich nicht, nur spüren ob dort Erde war oder eben nicht. Der Rest des Tages verlief mit den anregenden Gesprächen schnell und wir nutzten die Gelegenheit in einem gut befestigten lager zu ruhen.
15 Praios
Etwa gegen Mittag des nächsten Tages, wieder waren wir kurz nach dem es hell genug war um etwas mehr sehen zu können aufgebrochen, trafen wir eine kleine Gruppe anderer Rebellen die uns weiter in Richtung Mine bringen sollten – offensichtlich schuldeten sie der anderen Gruppe noch etwas.
Irgendwas stimmte jedoch nicht und nach einiger Zeit machte mich Greifwin auf eine Karte aufmerksam, die der Führer der kleinen Gruppe hielt auf der kleine Punkte eingezeichnet waren. Ein Angriff oder ähnliches, aber genau erkennen konnte ich es nicht. Wir sollten versuchen nach Norden durchzubrechen sagte er und verschwand im Unterholz. Ich hängte mich an Latu und versuchte ihn nicht aus den Augen zu verlieren, und kurze Zeit später brach Kampfeslärm los und ich wurde von einem Seil zu Boden gezogen. In aller Eile versuchte ich es mit meinem
Stab durch zu brennen, dankbar über die neugewonnene Möglichkeit des Stabes auch wenn sie womöglich teuer erkauft worden war.
Ich tötete einen Gegner, die fast dieselben Armbinden trugen wie die Gruppe mit der wir derzeit unterwegs waren. Leowulf kämpfte neben mir und tötete einen weiteren, versuchte dann zurück zu den anderen zu finden und schritt voraus. Ich hatte einen kurzen Moment nicht aufgepasst und er war vom Dschungel verschluckt worden. Blind lief ich in einen mir richtig erscheinende Richtung und verlief mich noch weiter. So ein Ärger. Nach einiger Weile traf ich auf einen Bach an dem einer unserer Rebellen stand und mich glücklicherweise aus meiner misslichen Lage befreien konnte.
Er führte mich in ein Lager, das ebenfalls auf alten Echsenruinen erbaut worden war, und dort trafen nach einiger Zeit auch die anderen und noch weitere drei Rebellen ein. Und dann traten aus dem Nichts drei Echsenmenschen auf die Lichtung und grüßten auf Protozelemja. Ich hatte noch nie Worte in dieser Sprache gehört. Immer nur gelesen und war verblüfft über die Andersartigkeit der Aussprache. Greifwin schien allerdings eher erregt ob der Echsenmenschen und wollte sie angreifen. Sie machten es zunichte mit einem Blitz – zumindest vermute ich das, und Leowulf ließ sich auf dem gestürzten Greifwin fallen um ihn am Boden zu halten.
Dann trat ich vor und versuchte zu ergründen warum sie hierher gekommen waren. Und vor allem viel interessanter woher sie gekommen waren. Nämlich aus eben jener alten Echsenstadt, die noch immer als verschwunden galt! Ich bat sie sie mir mal ansehen zu dürfen, aber sie lehnten ab. Ein Mensch hatte ihnen eine Art Szepter gestohlen und wir sollten es für sie wieder finden. Außer einer Beschreibung des Menschen – natürlich war er es gewesen – konnten sie uns allerdings kaum etwas sagen. Weder wofür es benutzt wurde, noch wo es jetzt sein konnte. Nur eine mir unbekannte Längenangabe in welchem Bereich es sich aufhalten müsste – der vermutlich ganz Maraskan hieß – und das das Ganze etwa 50 Tage her sein musste.
Wunderbare Voraussetzungen um es wieder zu finden. Ich versuchte ihnen zu erklären, dass mit so wenigen Informationen kaum ein Auffinden unsererseits möglich sein könnte, aber sie ließen nicht ab von ihrem Auftrag und boten uns Edelsteine als Belohnung an, die Greifwin gierig befingerte – sehen konnte er sie ja nicht.
Latu sagte darauf hin zu, dass falls wir auf einen solchen Gegenstand treffen sollten ihnen bescheid geben würden und erhielt einen kleinen Tonkrug den er in diesem Fall zerschmettern sollte. Ich wollte noch so viele Fragen stellen, aber so schnell wie sie aufgetaucht waren, waren sie auch wieder verschwunden. Es wurde dunkel und wir aßen die letzten Reste unseres Fleisches auf.
Ich hatte mich bereit erklärt die erste Wache zu übernehmen, weil ich noch ein wenig in den Ruinen umherstreifen wollte, denn irgendetwas war komisch hier, aber es ließ sich absolut nicht herausfinden was. Spät in der Nacht rief plötzlich Greifwin nach mir. Es hätte sich Gras über Leowulf hergemacht. Ich trotte langsam hin und sah tatsächlich einige der interessanten wandernden Grasbüschel im Lager. Leider hatte sich Leowulf schon selbst von dem Gras
befreit und ich konnte ihm nicht mehr zeigen wie schmerzhaft das gewesen war.
Aber mir kam eine andere Idee… nachdem Leowulf das Gras achtlos beiseite geworfen hatte hob ich es hoch und trottete, noch immer begleitet von Greifwins Geschrei über irgendetwas – ich hörte ihm nicht wirklich zu, zu einem der Felsen und versuchte zu ergründen wie dieses Gras in der Lage sein konnte sich zu bewegen – fand aber nichts und legte mich dann schlafen.
16 Praios
Der Tag verlief relativ ruhig und gegen Abend errichteten wir ein Lager auf einer kleinen Lichtung. Ich zog, wieder etwas abseits das Grasbüschel aus meiner Tasche um festzustellen ob er sich verändert hatte. Er wirkte etwas schlapper als am Vortag und ich versuchte ihn dazu zu bewegen auf meiner linken Hand festzuwachsen um ihm wenigstens dabei zuzusehen, aber solange ich meinen Blick darauf richtete passierte rein gar nichts.
Mir kam eine neue Idee. Ich rief nach der Blonde und bat sie nach ihrem Erscheinen darum durch ihre Augen sehen zu dürfen, weil ich schon vermutete, dass das Gras sie nicht wahrnehmen konnte, ebenso wie alle anderen es ja nicht konnten. Und es funktionierte. Winzige Wurzeln stießen durch die Haut meiner Hand und saugten sich fest. Ich ließ es eine Weile dort, entfernte es aber bevor es zu fest gewachsen war.
17 Praios
Schon kurz nachdem wir wieder losgelaufen waren, stießen wir auf einen kleinen Fluss in dem ein recht großer Fisch schwamm, der allerdings bei meinem Anblick offensichtlich meinte ich wollte ihn essen und versuchte statt dessen mich zu essen. Es gelang ihm nicht wirklich, denn er konnte keinen Halt an meiner Haut finden, erschreckte mich trotzdem recht heftig.
Gegen die Praiosstunde erreichten wir einen weit größeren Fluss an dem wir dann eine Weile entlang liefen, bis die Rebellen ein Floß aus dem Gebüsch am Ufer zogen und wir darauf hin auf dem Fluss unseren Weg fortsetzten. Mitten auf dem Fluss konnte man endlich einen guten Blick auf den Dschungel werfen ohne das einem dabei Blätter im Gesichtsfeld hingen und ich betrachtete ihn ausführlich. Auch sprangen zu meiner Überraschung hin und wieder Fische auf das Floß, die wir aber wieder hineinwarfen – zu klein um davon satt zu werden und vielleicht sogar giftig.
Etwa gegen die vierte Stunde hörte ich etwas Zaubersprüche rufen. Ich schaute mich verwundert um und sah einen recht großen stelzbeinigen Vogel am Ufer stehen. Er war wohl sprachbegabt und plapperte gehörtes nach – wo auch immer er diese Sprüche aufgeschnappt hatte. Greifwin wollte zum Ufer um den Vogel zu befragen – man stelle sich das nur mal vor… einen Vogel befragen… ein dummes Tier, das natürlich keine Antworten geben könnte… wie kommt er nur auf so absurde Ideen. Um zu sehen wie schnell der Vogel Worte aufnehmen konnte rief ich ihm etwas hinüber, dass er nach zweimal hören nachsagen konnte. Ich war beeindruckt, das schafften manche Menschen ja nicht mal…
Kurz bevor es dunkel wurde und wir an Land gingen entdeckte ich den Grund für das Springen der Fische auf unser Floß. Ein großer Fisch schwamm unter unserem Floß mit und wollte wohl in unserem Schatten auf die Jagd gehen. Greifwin hatte wenige Augenblicke nach meiner Entdeckung eine etwas unangenehme Begegnung mit einer Schlange, die auf das Floß fiel, aber ins Wasser geworfen werden konnte.
An Land bereiteten wir fast direkt am Ufer unser Nachtlager und legten uns schlafen.
18 Praios
Um für etwas nahrhafteres Frühstück zu sorgen, zogen die Rebellen los um zu Jagen und Latu bat sie sie begleiten zu dürfen. Ich setzte mich etwas abseits und zog das schon recht ramponiert aussehende Gras aus der Tasche um ihm wenigstens ein bisschen Nahrung zu verschaffen. Auf meiner Hand fest begann es jedoch Blüten zu treiben und einen sehr angenehmen Geruch zu verströmen, der ähnlich wie eine Schlafdroge der Boronkirche wirken musste, denn als ich wieder zu mir kam, lagen Leowulf und Greifwin etwas entfernt von mir und Latu stand neben mir mit einem sehr unerbittlichen Gesichtsausdruck. Das Gras hatte sich in Staub aufgelöst und
nur winzige Samenhüllen, die nach einiger Zeit aufzuplatzen begannen lagen noch verstreut um mich herum.
Wir frühstückten und brachen dann auf, weiter zu Fuß durch den Dschungel zu ziehen. Ich entdeckte einige kleine Hirsche im Dickicht, die jedoch recht scheu davon sprangen sobald ich mich ihnen näherte. Gegen Abend rasteten wir wieder auf einer der vielen kleinen Lichtungen.
19 Praios
Der Marsch verlief ebenfalls relativ ruhig, sah man einmal davon ab, dass etwa gegen Mittag große Blätter auf dem Weg versuchten uns zu Fressen. Sie hatte sich über Abgründe gelegt und mit langen Kannenformen, die nach oben verschlossen waren, so dass es aussah als wäre es ebenerdig, versucht uns zu fangen. Wenn man darauf achtete konnte man sie jedoch gut erkennen.
Kurz vor der kurzen Dämmerung erreichten wir das vorerst letzte Rebellengebiet. Ihr Lager war zu meiner Überraschung ebenerdig und bestand aus kleinen Hütten, aber die Anführerin bestand darauf, dass wir uns von einer Maraskantarantel stechen lassen um unseren Mut zu beweisen.
Ich frage mich warum kommen Menschen immer auf solche dummen Gedanken? Dieser Test machte uns doch nicht vertrauenswürdiger. Im Gegenteil, wenn es Mut zeigen sollte, dann zeigte es doch bloß, dass wenn wir Verräter wäre, mutig genug sind um uns direkt in das Lager der Feinde zu begeben…
Nach dem Test war sie jedenfalls entschieden freundlicher und versprach uns am nächsten Tag zur Miene zu führen in der einige der Rebellen verschwunden waren, nachdem sie einen Angriff versucht hatten, und sie so zusätzlich die Gelegenheit erhielt nach diesen zu suchen.
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