Das Leben eines Gezeichneten – Teil 35
Pforte des Grauens - Teil 2
1 NLT
Ich stand als erster auf und ging hinunter um zu Frühstücken. Die Bewohner von Samra waren damit beschäftigt alle Vorbereitungen für ihr großes Fest zu vollbringen, denn die Novadis feiern irgendwas am ersten Namenlosen Tag. Ich hatte irgendwann kurz vor Sonnenaufgang beschlossen mir die Ruinen von Zamorrah anzusehen und fragte, nachdem wir gefrühstückt hatten den Wirt nach einem Weg dort hin. Zuerst wollte mich nur Leowulf begleiten, aber nachdem der Weg doch etwas schwieriger zu werden schien, fragte ich Latu ob er mich begleiten wolle, und er hatte nichts dagegen.
Draußen links vor der Taverne konnte ich eine Frau sehen, die ein kleines totes Mädchen in den Armen hielt und weinte. Sie stand vor dem Haus in dem gestern Abend die schlechtere Hälfte verschwunden war und ich wollte nicht wissen was passiert war. Latu aber konnte wohl nicht an weinenden Frauen vorbeigehen und trat auf sie zu um zu fragen was geschehen sei, scheiterte aber an der Sprachbarriere und fragte mich ob ich ihm aushelfen konnte.
Leicht verärgert trat ich auf ihn zu und hörte mir die Geschichte der Mutter an, die ein großes Monster in ihrem Haus gehabt hatte und dieses hatte ihre Tochter getötet, sie jedoch nicht angerührt. Das Mädchen sah mir allerdings eher aus, als wäre es mit einem Messer ermordet worden, denn mit Klauen und Zähnen, aber das behielt ich lieber für mich und erzählte nur die Sache mit dem Monster.
Da wir hier kaum helfen konnten, war es nicht schwierig Latu zu überzeugen endlich weiter zu ziehen. Ich überließ Latu die Führung – ich hätte den Weg eh nicht gefunden – und grübelte darüber, was bei der Frau wohl passiert sein konnte. Ich kam nicht vom Gedanken ab, dass es eine ähnliche Sache gewesen sein musste, wie sie bei Greifwin aufgetreten war und die Mutter vermutlich ihr Kind selbst getötet hatte. Aber vielleicht stimmte das auch überhaupt nicht und es
war ganz anders, nur der nagende Zweifel begleitete mich bis ich die Ruinen vor mir aufragen sah.
Nicht besonders eindrucksvoll, höchstens ein paar Steine und ein halber Torbogen waren noch vorhanden, aber ich durfte einen Blick in die Vergangenheit werfen – dank meines Auges – und sah einen großen Stern vom Himmel fallen, der die wirklich schöne Stadt unter sich zerschlug. Beeindruckend. Hier war das Auge, damals noch viel, viel größer entstanden.
Ich starrte auf die Stelle an der der Stein heruntergefallen war und wollte Latu davon erzählen, als mir eine bessere Methode einfiel und ich es ihm per Halluzination zeigte. Er war recht beeindruckt von dem was ich gesehen hatte, aber sprach mich dann auf das blonde Mädchen an, dass er neben mir in der Halluzination gesehen hatte. Bitte, da hatte er seine Beweis, dass sie
existierten! Aber er glaubte noch immer nicht und so kehrten wir nach einigem weiteren erfolglosen Suchen zurück nach Samra.
Ich hatte beschlossen, die Nacht draußen zu verbringen und zwar alleine, damit hier nicht noch mehr Leute zu Schaden kamen, nicht weil sie mir etwas wert gewesen wären, sondern weil ich einige noch brauchte und außerdem keine Panik in der Stadt auslösen wollte, die unseren Weg nur behindern würde.
Leowulf war aber der Meinung, dass es besser wäre, wenn ich nicht alleine bleiben würde und ließ sich durch nichts davon abbringen mich zu begleiten.
Ich legte mich also etwa eine halbe Stunde von der Stadt entfernt nieder und wollte einschlafen. Sollte doch Leowulf Wache halten, wenn er unbedingt meinte, und hoffte im Stillen das die Reichweite der Mädchen begrenzt war.
Wieder mitten in der Nacht wurde ich von Leowulf geweckt, der ein Baby schreien hörte. Ich wollte mich schon mit einem ‚Ich hör nichts‘ wieder schlafen legen, als auch ich das entfernte Schreien vernahm und nun doch neugierig wurde und hinter Leowulf in die Richtung stapfte.
Unter einem großen Baum fanden wir ein kleines Geisterbaby das noch immer nicht aufgehört hatte zu schreien. Leowulf fragte mich, ob ich nicht etwas dagegen machen könnte, aber ich hatte weder Lust es jetzt zu bannen noch die Möglichkeit es für immer zu tun, wie es die Boronpriester können. Und näher heran ließ uns der Baum nicht kommen, der irgendwie wohl seinen Narren am Baby gefressen hatte. Bäume können ja sehr eigen sein, wenn ich darüber nachdachte.
Gerade als ich mich wieder umdrehen wollte, sah ich die Blonde, wie sie zum Kind hintrat und irgendetwas machte, dass zumindest das Schreien beendete und in ein fröhliches Glucksen verwandelte. Es sollte mir auch egal ein was sie taten!
Wieder zurück an meinem Lager legte ich mich für den Rest der Nacht schlafen.
2 NLT
Rechtzeitig zum Frühstück kehrten wir in die Taverne zurück. Es hatte angefangen zu regnen und die Luft roch sauber und frisch. Greifwin machte auch heute keine guten Eindruck und bei diesem Wetter hatte ich auch wenig Lust draußen herumzulaufen und bedauerte etwas kein anständiges Buch zum lesen dabei zu haben.
Hingegen nahmen sich die anderen das Wetter als Grund um sich ein wenig in der mittelreichischen Schrift zu üben – wobei wohl die Übung der Schrift für Greifwin bestimmt war und die des Beibringens für Latu und Leowulf. Ich achtete nicht viel weiter auf sie, sondern lauschte dem Regen und dem Kratzen der Feder auf Pergament, als diese plötzlich ins Stocken geriet und als ich aufsah starrte Greifwin auf sein beschriebenes Blatt, ebenso wie Latu. Dann schauten sie alle fast gleichzeitig zu mir hinüber und Latu sagte ich soll mir das mal ansehen.
Ich erhob mich und ging hinüber zu dem beschriebenen Pergament. Dort stand ziemlich undeutlich ‚Ich heiße Greifwin‘ in der ersten Zeile in Kusliker Zeichen, darunter aber eine Zeile in Protozelemja… und was da stand erschreckte mich fast noch mehr, als das Greifwin diese Sprache und Schrift schreiben konnte – Gal’k’zuul. Ich antwortet erst nach einigen Augenblicken leicht ungläubigen Staunens auf die Frage Latus mit ‚der Name der Herrin der nachtblauen Tiefen in Protozelemja‘. Latu wurde etwas blasser, anscheinend hatte er noch immer diese Träume und Greifwin begann wieder zu schreiben und dieses Mal sah ich auch wer schrieb… war ja klar. Jetzt schrieb sie/er den Namen des Schänders der Elemente und Greifwin stieß das Blatt von sich in der Hoffnung dass es so ein Ende finden würde.
Ich verließ kopfschüttelnd den Raum und ließ mich draußen knapp außerhalb der Stadt unter einem Baum nieder und betrachtete den Regen. Während ich über diese ganze vertrackte Situation nachdachte und eine Lösung zu finden versuchte, tauchte – mal wieder aus dem Nichts – vor mir die Schwarzhaarige auf und schaute mich herablassend an. Ich versuchte sie zu ignorieren, aber sie begann zu sprechen. Davon, dass sie beide nur hier wären um mich zu beschützen. Dass sie quasi diesen Auftrag hätten… und ihr Herr den Pakt nicht vergessen hätte…
ich schwieg weiter beharrlich, wollte nicht daran denken was das bedeutete und auch nicht weiter hören was sie zu sagen hatte.
Es hatte natürlich keinen Zweck sich die Ohren zu zuhalten, denn dann würde sie sicherlich einfach in meinem Kopf sprechen. Auch eine äußert unangenehme Vorstellung, und deshalb ließ ich es bleiben. Sie behauptete ihr Herr hätte ein gesteigertes Interesse an meiner Person, und ich konnte mir ein ‚Warum?‘ nicht verkneifen. Natürlich erklärte sie sich nicht… was hatte ich auch erwartet, aber jetzt wo ich einmal begonnen hatte zu fragen…
Doch sie verschwand einfach wieder ohne mir auch nur in irgendeiner Art und Weise geholfen zu haben, nein im Gegenteil, sie hatte noch viel eher dafür gesorgt, dass ich mir weiter Gedanken um die Zukunft machte.
Zum Abendessen kehrte ich zurück in die Taverne zog mich aber direkt danach wieder an meinen Schlafplatz außerhalb zurück und verbrachte dort eine relativ ruhige Nacht.
3 NLT
Ich frühstückte wieder in der Taverne – die Nacht war auch für die anderen ruhig verlaufen – und bot Greifwin an ihm Rote und Weiße Kamele beizubringen als er ein entsprechendes Spiel vom Wirt anschleppte. Es regnete noch immer und ich hatte in der Stadt auch schon fast alles gesehen.
Das erste Spiel verlief erwartungsgemäß sehr gut für mich, aber Greifwin hatte auch keinerlei Talent für dieses Spiel… wir versuchten noch drei weiter Spiele, aber er verlor jedes Mal. Gut es lag bei den späteren wohl zum Teil daran, dass nicht ich die Figuren schob, sondern die dunkelhaarige, und am Ende des vierten Spiels warf Greifwin voller Wut das Spielbrett hinunter und stapfte in den Schlafraum zurück.
Leowulf hatte den Spielen zugesehen und wollte es nun auch versuchen, aber auch er gewann nicht ein einziges Mal. Glücklicherweise sind die Spielpartien relativ lang und so wurde es danach schon wieder Zeit zum Abendessen und ich verbrachte eine weiter Nacht außerhalb der Stadt, die ebenso ruhig verlief wie die letzten beiden.
4 NLT
Den Tag über verbrachte ich zu einem Großteil damit, dass ich Leowulf ein bisschen echsische Geschichte näher brachte, wenn ich auch jene Dinge außen vor ließ, die ich im Buch gefunden hatte, und die nicht für die Ohren eines Geweihten bestimmt waren, und so verlief auch dieser Tag ungewöhnlich ruhig – wie wohl Greifwin bemerken würde.
5 NLT
Am Morgen hatte es fast aufgehört zu regnen und den Tag über tröpfelte es nur noch. Änderte allerdings nichts daran, dass dieses Dorf vermutlich zu den langweiligsten in ganz Aventurien gehören dürfte… Es passierte einfach gar nichts, und ich hatte ja nach wie vor nichts interessantes zu lesen.
Am Abend zog ich mich wieder zurück auf meine Schlafplatz und war regelrecht froh, dass wir morgen endlich weiterreisen konnten, als mich wiederum eines der Mädchen aufsuchte und mit mir sprach. Sie würde über meinen Schlaf wachen, aber den anderen im Dorf würde das schwarzhaarige Mädchen ein bisschen ‚Abwechslung‘ verschaffen.
1 Praios
Die Sonne schien an diesem ersten Praios und als ich zurück zur Taverne kam, sah
ich Greifwin draußen im Staub sitzen und die Sonne anstrahlend, als wäre sie sein Lebensretter. Albern, total albern. Also war wohl nichts Schlimmes in dieser Nacht passiert, und man hatte mich schlichtweg angelogen.
Wir frühstückten und bestiegen dann die Fähren weiter gen Osten den Mhanadhi entlang.
2 Praios – 4 Praios
Da wir es eilig hatten hielten wir nicht in den Städten am Fluss an um uns ein wenig um zu sehen, obwohl mich gerade Rashdul doch interessiert hätte. Etwa auf der Höhe von Borbra zeigte ich Latu das Plato der Gorischen Wüste, das in einiger Entfernung gen Firun aus dem Steppenboden ragte.
5 Praios
Um die Praiosstunde erreichten wir Kunchom und begaben uns direkt zum Hafen um uns zu erkundigen wann unser Schiff abreisen würde. Es war nicht ganz leicht das richtige Schiff ausfindig zu machen, aber letztlich gelang es uns und wir erfuhren vom Kapitän, dass sie gegen Abend auslaufen würden.
Zudem galt wohl die Barriere die das Mittelreich um Maraskan verhängt hatte auch für unser Schiff, obwohl es in Borongefälligem Auftrag reisen würde, und so fürchtete ich schon, dass es zu einigen Problemen kommen würde, falls man uns erwischen sollte.
Den Rest des Nachmittages verbrachte ich in der Dracheneiakademie, in der ich allerdings bis auf die Tatsache das Rakorium aus Festum – mit dem ich ja einige sehr merkwürdige Gespräche über mein Auge geführt hatte – ebenfalls hier war, aber nicht zu sprechen, nichts erfahren konnte.
Abends trafen wir am Hafen fast gleichzeitig wieder zusammen – Latu und Leowulf waren in irgendeinem Tempel gewesen, Greifwin irgendwo in der Stadt verschwunden – und das Schiff legte ab.
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