Das Leben eines Gezeichneten – Teil 29
Grenzenlose Macht - Teil 2
3 Rondra
Der Tag verlief ruhig, aber am Abend erreichten wir das kleine Dorf Korvick, das schon vor einiger Zeit niedergebrannt worden sein musste. Zumindest wirkten seine heruntergekommenen Mauern nicht gerade einladend auf die Handwerker, die lieber ein großes Stück weiter genächtigt hätten.
Wir teilten Wachen ein, und während Greifwins Wache weckte uns dieser. Er hätte Geräusche aus Richtung des Dorfes – wir lagerten auf einem kleinen Hügel etwas abseits – gehört. Genervt folgte ich Greifwin in das Halbrund das die Häuser noch bildeten und jetzt hörte ich es auch. Ein Jammern aus Richtung des ehemaligen Gasthauses. Beim Anblick des Zustandes meiner Umgebung vermutlich irgendein Geist, der keine Ruhe fand.
Greifwin, der ja voraus gelaufen war, hing schon über dem Boden der Taverne und schaut in ein tiefes Loch. Ich ließ mich ebenfalls nieder und hielt meinen Stab mit der Flamme am anderen Ende in den Keller. Am Rande meiner Wahrnehmung in der hintersten linken Ecke konnte ich ein schwaches grünliches Leuchten erkennen.
Ich ließ mir hinab helfen – Greifwin und Latu folgten – und trat auf das Leuchten zu. Es war ein unförmiger Geist, seine alte Gestalt längst vergessen, der jetzt auf uns zu schwebte und offensichtlich feindlich gesinnt war, denn er streifte zunächst mich mit einem kalte Hauch und ging dann auf Latu los.
Gut, wenn er es nicht anders wollte, konnte ich auch anders. In aller Eile zog ich ein Pentagramm auf den Boden und mit dem letzten vollendeten Strich begann es den Geist in sich hinein zuziehen und zog ihn nach kurzer Zeit vollständig auf, so dass wir wieder unsere Ruhe hatten und zurück zum Lager kehren konnten um weiter schlafen zu können.
4 Rondra
Die Gegend um uns wurde mehr und mehr felsiger und die Luft kälter. Das Wetter, so erzählten es sich zumindest die Arbeiter, ich konnte es nicht wirklich abschätzen, war ungewöhnlich unbeständig für einen Rondra und die Regengüsse, die ab und an auf uns nieder prasselten, gefielen mir nicht wirklich. Gegen Abend erreichten wir eine kleine Gebirgshütte in der wir trocken übernachten konnten.
5 Rondra
Heute würden wir den Pass erreichen, der uns zu dem Tal führt in dem das Kloster liegt, und etwa gegen die zehnte Stunde konnte ich in der Ferne den Pass erkennen. Die eigentliche Querung war wieder einmal furchtbar für mich. Auf der linken Seite fiel der Berg steil ab und der Pfad auf dem wir wanderten war nur wenige Schritt breit, so dass gerade ein Pferd darauf passte.
Während ich mir so die Landschaft den Hang zu meiner Rechten hinauf betrachtete, sah ich wie weiter vorne zwei oder drei Figuren sich an einem großen Felsen zu schaffen machten, und ihn mit einem Hebel in Gang setzten.
Ohne groß darüber nachzudenken, alarmierte ich erst Latu und Greifwin und ließ dann die Luft über uns erstarren, so dass die herunter brechenden Steinblöcke unwirksam weiter in die Tiefe abprallten. Das blonde Mädchen ahmte meine Bewegung nach, aber reichte natürlich nicht so hoch.
Mein Zauber war wirksamer gewesen, als er hätte sein sollen, denn der gesamten Karawane war nichts passiert – die Praioten hielten es zu meiner absoluten Verärgerung für ein göttliches Wirken! – und Greifwin suchte den Hang nach einer Möglichkeit hinauf zu klettern ab, konnte aber erst in einer Entfernung von 25 Schritt auf meiner erstarrten Luft laufen und versuchte den Verursachern hinterher zu klettern, die aber schon längst außer Sichtweite waren.
Wir nächtigten einige Stunden hinter dem Pass und würden wohl gegen Mittag des nächsten Tages das Kloster erreichen.
6 Rondra
Das Tal in dem das Kloster lag sah nicht anders aus als andere Täler vorher, sah man mal vom Kloster und dem Lager für die Arbeiter, die offensichtlich nicht im Kloster nächtigen durften, ab. Das Kloster stand auf einer Erhebung im Tal, und etwas weiter darunter besagtes Lager aus Zelten an denen Menschen und Zwerge umherliefen. Das Kloster selbst war von einer noch immer durchlöcherten etwa vier Meter hohen Mauer umgeben, und dessen Innengebäude zu einem großen Teil von Gerüsten, auf denen sich ebenso Arbeiter bewegten, verdeckt.
Wir wurden direkt ins Kloster geführt, vorbei an einer kleinen Pforte an der ein Praiot stand und uns grimmige Blicke zuwarf. Die Arbeiter begaben sich hinunter zu ihrem Lager um dort ihre Zelte aufzuschlagen.
Nett wie die Praioten nun mal sind, wurde uns zuerst erklärt, was wir nicht machen dürften hier – Magie war natürlich verboten innerhalb der Mauern, obwohl jedes Jahr ein Magier aus Lowangen im Kloster Halt machte auf seinem Weg nach Greifenfurt – und danach welche Aufgabe für uns gedacht war – wir sollten rund um die Uhr das Kloster vor Angriffen beschützen – denn es hatte in letzter Zeit einige seltsame Unfälle und vermutliche Sabotageversuche bei den
Wiederaufbauarbeiten gegeben, die wir verhindern sollten, falls so etwas nochmals passieren sollte. Wir mussten an den offiziellen Andachten zur Ehren des Praios – Sonnenaufgang, Sonnenhöchststand und Sonnenuntergang – teilnehmen, hatten aber ansonsten freie Hand.
Nächtigen durften wir im Kloster im zurzeit leer stehenden Gästehaus. Unsere Pferde durften wir ebenfalls in der Burg unterstellen und den Rest des ersten Tages beschäftigten wir uns damit die Umgebung und Gebäude des Klosters kennen zu lernen.
Ich übernahm die erste Wache in der Nacht, aber es passierte nichts weiter Ungewöhnliches.
7 Rondra
Nach dem Frühstück legte ich mich zunächst ein bisschen hin um den verlorenen Schlaf der vergangenen Nacht nach zu holen, wurde aber unsanft geweckt, als bekannt wurde, dass die Hühner des Klosters tot aufgefunden worden waren. Warum sollte jemand Hühner töten? Das ergab keinen Sinn, denn damit würden die Bauarbeiten kaum aufgehalten werden können… sehr merkwürdig. Nach einigem Nachfragen erfuhr ich zudem, dass Thonnys gestohlen worden war, der hier angebaut wurde um als Küchenkraut Verwendung zu finden. Eine ebenso seltsame
Angelegenheit.
Für die weiteren Wachen hatte wir uns so eingeteilt, dass jeder vier Stunden Wachen würde und dann acht Stunden frei hätte, so würde nicht einer immer eine ganze Nacht durchwachen müssen. Ich hatte mir die Zeit zwischen der 10 Stunde Abends und der 2 h morgens ausgesucht, ebenso wie das entsprechende Äquivalent über Mittag, so dass ich zur Mittagsandacht nicht zu kommen brauchte.
Etwa gegen die dritte Stunde entdeckte Greifwin ein herrenloses Pferd den Weg hinauf laufen. Es trug noch immer Satteltaschen und Zaumzeug aber keinen Reiter mehr. Ohne weitere Worte machte er sich auf, das Pferd einzufangen und ich beobachtete ihn eine Weile dabei wie er sich immer wieder an das Pferd anschlich und versuchte es zu packen, das Tier dann aber, zunehmend ärgerlicher, nach ihm trat. Ich entschloss mich ihm zu helfen, aber es gelang ihm kurz bevor ich die Sache in den Hand nehmen wollte, das Pferd soweit zu beruhigen, dass es sich
anfassen und von den Satteltaschen befreien ließ.
Wir untersuchten die Taschen eingehend und nach einem Blick in die beide Bücher, die enthalten waren, konnte es sich nur um das Pferd eines Magier handeln, vermutlich des Magiers, der hier immer durch ritt. Nur wo war der Magier abgeblieben?
Wir versteckten die Sachen am Fuße des Berges, denn man konnte nie wissen wie die Paioten mit den doch vielleicht wertvollen Gegenständen umgehen würden, obwohl sie in meinen Augen kaum nutzen brachten – ein Buch über Kräuterheilkunde und eine Zusammenfassung der Enzyklopädie der Magie.
Den Rest des Tages überlegte ich, wie wir den Aufenthaltsort des Magiers ermitteln könnten, nicht weil ich ein solcher Menschenfreund wäre, aber weil es mich einfach interessierte, warum er nicht mehr auf seinem Pferd saß. Es könnten natürlich einfach Orks gewesen sein, die ihn vom Pferd geholt hatten, aber irgendwie zweifelte ich daran.
Kurz vor dem Abendessen kam mir die Idee, dass ich den Weg ja abfliegen konnte mittels Körperloser Reise und so – sollte er noch in der Nähe des Weges liegen – die Möglichkeit hätte ihn zu finden. Ich verließ das Kloster wieder und suchte den Weg ab, fand aber leider nichts ungewöhnliches.
Nach der Abendandacht begann meine Wache und ich schlenderte lustlos einige Stunden über die Mauern des Klosters, als ich im Lager der Arbeiter ein helles Feuer erkennen konnte. Irgendjemand hatte dort die Zelte angesteckt. Ich alarmierte die anderen und begab mich zu den inzwischen schon fast wieder gelöschten Zelten.
Die Wache hier – ein einziger Mann – war kurz austreten gewesen und hatte nichts gemerkt. Zumindest behauptete er das, aber nach weiterem Nachfragen hatte er einfach keine Ruhe finden können, von dem mit Geistern durchsetzten Hügel weiter links. In der Ferne erschien dort tatsächlich etwas grünlich zu schimmern und ich rief nach Latu und Greifwin, auf das sie mir folgen.
Der Hügel erhob sich düster vor uns und etwa in der Mitte schwebten zwei grünliche Gestalten, die etwa wie Orks aussahen. Dies musste also der Grabhügel gewesen sein, den die Orks angelegt hatten. Latu versuchte mit den Orks zu sprechen, aber sie hörten nicht zu und ich musste sie bannen, wie schon zuvor den Geist im Gasthauskeller.
Warum die Praioten nicht schon vorher etwas gegen diese Geister unternommen hatten ist mir schleierhaft. Es dürfte ein leichtes für sie sein, diesen Hügel frei von Geistern zu halten…
8 Rondra
Nach dem Frühstück – ich war mit grässlichen Kopfschmerzen erwacht – bestand ich darauf ein Gespräch mit dem Hochgeweihten hier zu führen, über gewisse Grundlagenarbeit. Er weilte auf seinem Zimmer und schien einem Gespräch nicht abgeneigt zu sein. Um die Geister auf dem Hügel, so sagte er, hätte er sich noch nicht gekümmert, weil sie ihn nicht störten. Schon eine recht merkwürdige Aussage für einen Praioten.
Mein Vorschlag das ganze Kloster unter einen Magiebann für die Zeit der Bauarbeiten zu stellen, wies er vollständig ab, da er – wiederum seiner Aussage nach – dazu nicht in der Lage wäre, und die Probleme auch nicht auf einen magischen Grund hinwiesen. Meiner Meinung nach schon, aber Praioten sind sturköpfig und ich wollte mich nun wirklich nicht mit ihm streiten.
Gerade vom Gespräch zurückgekehrt, musste ich erfahren, dass wir einen Toten auf dem Kloster hatten. Der Sternenkundler der Geweihten war morgens nicht zum Gebet erschienen und lag noch immer tot im Kloster. Bei näherer Betrachtung der Leiche – ermordet! Jemand hatte ihn, wegen seines Wissens vielleicht, umgebracht. Eine Durchsuchung seiner Taschen förderte einen Zettel mit einer Zahlen und Buchstabenkombination heraus, die mir wie eine Richtungsangabe in einer Bibliothek erschien, in der ich sodann nachfragte und mir der Bibliothekar ein Buch heraus suchte, dass von alten Volkssagen der Umgebung berichtete, unter anderem einer über einen Bauern, der nach einem schweren Unglück das Tal der Elementarherren gefunden hatte. Vielleicht ein Hinweis?
Nachdem ich ein bisschen im Buch geblättert hatte, und es dann wieder dem Bibliothekar in die Hände gedrückt hatte und die Bibliothek verlassen wollte, hörte ich von draußen lautes Rufen und Krächzen. Draußen offenbarte sich mir ein interessantes Bild. Die Männer, die zurzeit an der Vergoldung der Kuppel des Tempels arbeiteten wurden von einem Schwarm recht großer Krähen angegriffen, und diese wiederum von Greifwin und Latu, die auf beeindruckende Weise zeigten, wie treffsicher sie mit Pfeil und Bolzen waren.
Nach wenigen Augenblicken war der Spuk auch schon vorbei, nur hatten sie leider nicht verhindern können, dass zwei der Arbeiter vom Gerüst zu Tode gestürzt waren. Ich ging hinüber um mir eine der erschossenen Krähen genauer anzusehen. Sie unterlag eindeutig der Restspur einer magischen Beeinflussung, vermutlich ein Herrschaftszauber mir unbekannter Art und Struktur, der die Krähen gezwungen hatte die Männer anzugreifen.
Immerhin schloss das einen Magier als Täter aus. Blieben nur noch Elfen, Druiden und Hexen übrig. Zwergenzauberer konnte ich mir beileibe einfach nicht vorstellen.
Von der Burgmauer aus, auf die ich mich zurückgezogen hatte, konnte ich in der Ferne einen einsamen Wanderer sehen, der auf das Kloster zuhielt. Ich beeilte mich um beim Torwächter zugegen zu sein, wenn er das Kloster betrat, hörte jedoch nur, dass er ein Kräuterkundler sei, der auf dem Weg gewandert wäre und für eine Nacht Zuflucht suchte.
Meine Nachtwache verlief relativ ruhig, sah man einmal davon ab, dass ich die Rahja geprägte Zusammenkunft einer Arbeiterin und eines Praioten beobachten durfte, die sich in einer kleinen Abstellkammer trafen. Natürlich musste die Dunkelhaarige hinein schleichen, auf dass kurz darauf die Frau entsetzt und mit einem „Eine Ratte“ die Kammer verließ und auf mich traf und sich halbwegs aus ihrer Situation herausredete. In der Kammer fand sich bei nachhaltiger
Untersuchung nichts ungewöhnliches.
Nachdem mich Greifwin abgelöst hatte schlich ich aus der Burg und zu den versteckten Habseligkeiten des Magiers. Ich hatte beschlossen einen kleinen Dämon zu rufen um ihn nach dem Magier suchen zu lassen und solange ich das außerhalb der Sichtweite des Klosters tat, sollte da auch nichts weiter schlimmes passieren.
Ich fertigte also alles soweit an und begann mit der Anrufung, als sich die Schwarzhaarige in die Mitte meines Beschwörungskreises stellte und mich fragte, was sie denn tun sollte. Recht perplex starrte ich sie eine Weile lang an und entschloss mich dann, es eben zu versuchen und gab ihr den Auftrag, den ich eigentlich dem Dämon hatte auftragen wollen – suche den Magier, dem dieser Krams gehört, in einem Umkreis von hier bis Lowangen und melde mir sofort ob du ihn gefunden hast oder nicht.
Sie schloss die Augen und nach kurzer Zeit antwortet sie, dass er nicht hier sei. Klar, sie hatte sich ja nicht mal bewegt. Da kann man auch nichts finden. Dann trat sie aus dem Kreis zurück und der von mir eigentlich gerufene Difar erschien. Auch ihm erteilte ich denselben Auftrag und er verschwand wie befohlen.
Nach etwa zwei Stunden kehrte er mit ziemlich genau derselben Äußerung zurück. Das der Magier hier nirgends zu finden sei. Mist. Das half mir nicht sonderlich viel weiter, also kehrte ich zurück ins Kloster und legte mich schlafen.
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