Das Leben eines Gezeichneten – Teil 13

Altraum ohne Ende - Teil 1

5 Peraine
Ich war gerade auf dem Weg um das Zaumzeug abzuholen, dass ich mir für Nachtsturm hatte anfertigen lassen, als ich auf dem Marktplatz Vinsalts eine Stimme wieder erkannte und mich umwand. Tatsächlich, diese Stimme hatte ich schon mal gehört und die dazugehörige Person gesehen. Es war diese Frau die in Khunchom Adaque die Karten gelegt hatte und auf eine äußerst dreiste Art und Weise auf unser Abenteuer in der Gor hingewiesen hat.
Sie redete mit ihrer schnarrenden Stimme auf einen Rondrageweihten ein, der etwas verloren in der Gegend stand. Ich schlenderte etwas näher und offensichtlich hatte sie mich bemerkt, denn sie zeigte mit dem Finger auf mich, so dass sich der Geweihte verwirrt umblickte. Sie erzählte irgendwas von einem drohenden Unheil… schon wieder. Ich versuchte einen interessierten Blick
aufzusetzen, aber wenige Augenblicke später war sie schon wieder verschwunden. Der Rondrageweihte schaute mich ratlos an und nach einem kurzen Augenblick der Stille zwischen uns, grüßte er mich. Sein Name ist Leowulf Bachental, und ihm schien die Kartenlegerin nicht gefallen zu haben. Er entschuldigte sich sogar bei mir für das Miteinbeziehen, für das er ja gar nichts konnte. Geweihte… Wir sprachen noch ein wenig weiter und unterhielten uns über die Wahrsagerei. Ich stand dem ganzen nicht so skeptisch gegenüber wie er offensichtlich. Wenn die
Wahrsagerin gesehen hatte, dass unser Weg nach Baliho gehen sollte… warum nicht? Mich hielt
nichts mehr in dieser Stadt, und ich brannte darauf mit Nachtsturm über das Land zu reisen. Er schien sich gut mit mir zu verstehen. Mein Test mit dem Flim Flam war eine hervorragende Idee gewesen.
Wir zogen weiter in Richtung Hesindetempel, denn Leowulf kannte sich in Vinsalt noch nicht aus. Er war hier her gekommen um etwas über Untote herauszufinden. Untote. Großartig. Ich sprach ihn zaghaft darauf an, dass Menschen meines Handwerks vielleicht bessere Quellen seien als die Tempelarchive hier, aber er wollte davon nichts hören. Wir stritten ein wenig herum über den Nutzen der Totenbeschwörung zwecks Wissenssammlung, aber kamen zu keinem Konsens.
Es störte ihn aber scheinbar nicht so sehr, als das er nicht mit mir nach Norden reisen wollte.

20 Ingerimm
Es war schon Abend, als wir auf der Straße zwischen Gareth und Baliho auf eines der vielen Gasthäuser in den kleinen Dörfern trafen. Ich führte Nachtsturm in den Stall und versorgte ihn.
Im Schankraum hatte Leowulf schon Platz genommen und ich gesellte mich zu ihm. Kurze Zeit später betrat ein Mann den Schankraum und blickte sich um. Als sein Blick auf uns traf, schien er für einen Moment erstaunt, ging aber zunächst hinüber zur Theke. Nachdem er dort irgendetwas geklärt hatte setzte er sich zu uns, und fragte wohin wir unterwegs seien. Ich antwortete, dass wir nach Baliho ziehen, und schon wieder schien er erstaunt, aber wohl auch bestätigt. Er fragte weiter ob wir etwas dagegen hätten wenn er mit uns ziehen würde. Hatten wir nicht. Erst dann stellte er sich vor. Er war Ifirngeweihter. Noch ein Geweihter… großartig. Wenige Augenblicke später trat ein weiterer Mann in den Raum. Recht teuer aussehend. Der Ifirngeweihte hatte ihn zunächst nicht gesehen, aber als er ihn bemerkte erhob er sich und wechselte in der anderen Ecke des Raumes einige Worte mit ihm, um dann zusammen mit ihm an den Tisch zurückzukommen. Der Fremde stellte sich als Greifwin vor. Schien vom Verhalte her ein Rumtreiber,  aber edler Art und Weise zu sein. Er zog ebenfalls nach Norden und wollte mit
uns reisen.

22 Ingerimm
Gegen Mittag erreichten wir die Stadt Baliho. Auf dem Weg waren uns viele Praioten begegnet. Sehr merkwürdig. Unsere Pferde – also Nachtsturm und das Pferd des Rondrageweihten – konnten wir außerhalb der Stadt unterstellen. Ich ließ es mir nicht nehmen ihn selbst zu versorgen.
In Baliho selbst quartierten wir uns im billigeren Gasthaus ein um direkt wieder auf die Straße zu gehen. Es schien ein Volksfest veranstaltet zu werden. Zumindest waren jede Menge Menschen auf den Straßen und überall boten Stände riesige Kartoffeln an. Auf dem Marktplatz trafen wir gerade rechtzeitig ein um einer Hinrichtung zweier Viehdiebe beizuwohnen. Sie wurden gehängt.
Der Ifirngeweihte kaufte sich eine der großen Kartoffeln, und berichtete uns mal eben nebenbei, dass er in einer Vision seiner Göttin gesehen hätte, wie wir alle nach Baliho kommen würden. Deckte sich ja mit der Geschichte der Wahrsagerin. Ich wollte schon immer der Spielball von höherem sein!
Die Kartoffeln jedenfalls schienen ungewöhnlich genug um ein Auge darauf zu werfen. Sie waren zu früh und offensichtlich alle von demselben Händler in die Stadt gebracht worden. Irgendwo aus dem Nordosten. Greifwin machte eine abfällige Bemerkung über dümmste Bauern und dickste Kartoffeln, aber ich sah da keinen Zusammenhang.
Auf dem Fest wurden einige Wettkämpfe angeboten, an denen sowohl Greifwin, als auch Latu teilnehmen wollten. Aber Greifwin musste feststellen, dass er am Trinkwettbewerb nicht teilnehmen konnte, da er nicht mehr genug Geld besaß. Am Bogenschießturnier konnten sich beide messen, welches etwas später stattfinden würde. Wir schlenderten noch ein wenig
durch die Straßen und hörten den verschiedenen Ausrufern zu, die irgendwelche belanglosen Sachen anpriesen. Einer suchte Menschen, die in die Wälder zogen um Räuber zu jagen, oder irgendetwas in der Art. Ich hatte nicht genau hingehört, aber die anderen schienen Interesse zu haben und gingen auf den Mann zu um ihn nach näherem zu fragen. Es war wohl so, dass im Nordosten ein ’schwarzer Mann‘ sein Unwesen treiben würde. Ein Magier. Und es waren wohl schon einige Bewohner der Landschaft verschwunden. Offensichtlich sollte eine Gruppe zusammengestellt werden, die sich der Sache annahm. Von einem Praiosgeweihten geleitet… als blieben da noch Fragen offen. Aber Leowulf meinte, dass wir es uns zumindest einmal
ansehen sollten.
Es wurde Zeit für das Turnier. Sowohl Latu als auch Greifwin, nachdem ich magisch ein wenig nachgeholfen hatte, um im Falle eines Gewinnes fünf Dukaten zu erhalten, hatten gute Chancen und erreichten die letzte offizielle Runde. Aber Greiwins Armbrust konnte die letzte Distanz nicht überbrücken und so verlor er, so dass nur noch Latu und ein Nivese um den Sieg stritten. Greifwin machte einige abfällige Bemerkungen über die Bogensehen und reißen und ich darüber, dass man das einrichten könnte. Ohne es beabsichtigt zu haben, geschah genau
dies. Sie riss. Warum? Hatte ich jetzt schon unbewusst irgendwelche Magie gewirkt? Die letzte Zeit war relativ ruhig in meinem Inneren gewesen. Ohne große Zwischenfälle, aber das jetzt? Der Nivese sah uns böse an. Er schien die Unterhaltung gehört zu haben, und Greifwin verschwand in der Menge. Muss irgendein Fuchsinstinkt sein. Latu jedenfalls gewann das Turnier.
Danach gingen wir in das Gasthaus in dem der Praiot warten sollte und ließen uns dort nieder um zu warten, bis er Zeit für uns hatte. Es schien eine weitere Gruppe interessierter zu geben mit denen er gerade sprach. Nach kurzer Zeit jedenfalls verließen sie den Raum. Eine äußerst ungewöhnliche Gruppe. Und ohne Magier. Also nicht zu gebrauchen. Ich erhob mich, aber Greifwin musste unbedingt der großen Frau auf den Hintern klopfen… und handelte sich eine entsprechende Gegenreaktion ein.
Der Mann im Raum war… auf den ersten Blick unfreundlich, aber das mag an meiner nun durchaus begründeten Ablehnung von Praioten liegen. Er fragte uns nach unseren Namen, und weshalb wir denn geeignet wären. Natürlich machte er spitzfindige Bemerkungen über mich, die ich nicht auf mir sitzen lassen konnte. Greifwin konnte bei einer Nachfrage seitens seines Berufes keinen angeben, oder wollte keinen angeben… Der Praiot entschied sich wohl für die andere Gruppe. Vermutlich weil dort kein Magier dabei war. Dumm. Wie konnte er glauben ohne
magischen Beistand gegen einen Magier zu ziehen? Aber mir sollte es letztlich egal sein. Ich reiste lieber ohne. Und reisen wollten wir dort eh hin. Das beschlossen wir danach, bei Getränken auf Kosten des Praioten. Denn irgendetwas schien in der Gegend vorzugehen. Es war dieselbe aus der die Kartoffeln stammten. Und wir hatten keine bessere Idee.
Latu verabschiedete sich von uns, er wollte seiner Göttin huldigen für den errungenen Sieg und wir machten uns, leicht angeheitert in Richtung Glücksspielhalle auf, in der die Sharisad auftreten sollte.
Das Gebäude war ein ehemaliger Efferdtempel und im Inneren voller Glücksspieltische und einer großen Bühne. Greifwin verschwand in Richtung Tische und Leowulf und ich sahen uns unschlüssig um. Eine dickliche Frau am Rande der Bühne winkte uns zu und wir begaben uns zu ihr. Sie war Traviageweihte names Mutter Linai. War es jetzt meine Bestimmung inmitten einer Schar Geweihter den Rest meines Lebens zu verbringen? Was hatte ich denn verbrochen.
Zwei ihrer Schüler waren ebenfalls anwesend. Sie plapperte zunächst einfach darauf los, aber als ich nach den Kartoffeln fragte erzählte auch sie, dass diese von einem bestimmten Händler geliefert worden sind. Und er war heute Abend in diesem Hause anwesend.
Ich erhob mich und ging hinüber um die Auskunft zu erhalten, dass er die Kartoffeln in Dragenfeld erworben hatte, dass nordöstlich lag, also tatsächlich in der Richtung in die der Praiot ziehen wollte. Wirklich ein seltsamer Zufall. Vermutlich kein Zufall. Denn wie gesagt glaube ich nicht an Zufälle.
Dann öffnete sich der Vorhang und die Sharisad trat auf. Greifwin war inzwischen zu uns gestoßen und wir genossen die sanfte Magie, die die Tänzerin wob. Bis kurz vor Ende die Traviageweihte plötzlich rot anlief und beinahe den Eindruck erweckte, dass sie in Flammen stehen würde. Ich warf einen besorgten Blick auf die beiden Schüler, die es aber für nicht allzu absonderlich hielten. Wäre auch noch schöner. Die Schuld für irgendetwas wäre hier, mit der Anzahl an Praiosdienern, bestimmt auf mich geschoben worden!
Mutter Linai schien eine Vision zu haben. Sie flüsterte etwas von Feuer und Tsa und verbrennen, aber den gesamten Zusammenhang konnte ich in meinem Zustand nicht greifen. Mit Abschluss der Vorstellung war die Vision vorbei. Die beiden Schüler beeilten sich, der Mutter zu helfen um sie zurück in den Tempel zu bringen. Wir folgten ihr in einigem Abstand, wurden aber nicht in den Tempel gelassen. Greifwin, der weniger anfällig für Alkohol heute Abend war, berichtete seine Sicht der Dinge. Aber neue Erkenntnisse gewannen wir nicht, also legten wir uns schlafen.

23 Ingerimm
Leowulf und ich machten uns auf die Pferde zu holen nachdem wir Latu vor dem Gasthaus – er hatte in der Nacht ein Reh erlegt – antrafen. Er und Greifwin wollten noch einmal zur Traviageweihten.
Schon nach kurzer Zeit trafen beide bei uns ein um uns zu berichten, dass wir erst morgen aufbrechen würden, weil wir die Traviageweihte begleiten sollten, die sich auf den Weg nach Dragenfeld machen musste. Ihre Freundin, eine Tsageweihte – es ist unnötig ’schon wieder Geweihte‘ zu erwähnen – schien von der Bevölkerung verbrannt worden zu sein. Ich glaubte das sie das gestern Abend ebenfalls gesagt hatte, aber meine Erinnerungen an den Abend waren ein bisschen nebelig. Latu und ich besorgten eine Karte der Gegend und die beiden anderen machten sich auf um andere Informationen zusammenzutragen.
Wir trafen uns in unserem Gasthaus wieder. Greifwin hatte – wirklich außerordentlich schlechte – Zeichnungen von Wagen angefertigt, die vor dem Praiostempel standen. Wagen der Akademien aus Gareth und Perricum. Weiße Akademien… großartig. Das wurde ja immer besser. Nachmittags ging ich vor die Stadt um noch ein wenig mit Nachtsturm zu üben. Er hatte inzwischen keinerlei Probleme mehr damit wenn ich den Flim Flam um seinen Kopf herum bewegte.

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