Almanach der Technologie
Pathfinder Kampagnenwelt
„Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden.“
Arthur C. Clarke
Und damit wäre eigentlich an dieser Stelle auch schon fast alles gesagt. Ähm… Almanach der Technologie ergänzt Pathfinder auf Basis von Golarion um einen wirklich ein klein wenig seltsamen Fokus. Zumindest solange es um klassische Fantasy geht, wie es normalerweise in allen D&D-Settings (ich erhöhe einfach mal Frech Pathfinder um die Ursprungskarte) der Fall wäre.
Der Punkt dabei ist aber auch, dass zumindest zeitweise immer wieder einzelne Ideen eingestreut werden, die eben nicht mit normalen, magischen Regeln sich vereinbaren lassen. (Wir nehmen zum Beispiel mal wieder den hier schon angesprochenen Adventurepath „Die Winterkönigin“, welcher ja nicht nur auf anderen Welten im Sonnensystem von Golarions spielt, sondern auch direkt mit unsere realweltlichen Geschichte „spielt“.) Mit „Numeria“ wird auf der Welt Golarion ein spezielles Reich angesiedelt, dass seid einem Ereignis, das als Sternenfall bezeichnet wird, eine Fundgrube an hoch-technologischen Schätzen geworden ist. Zeitgleich wird aber auch erklärt, warum eben diese hochentwickelte Technologie Golarion als Ganzem nicht zur Verfügung steht. Es hat sich so etwas wie eine Technologie-Religion gebildet, die ihr Wissen sorgsam hütet und zu verhindern weiß, dass entsprechende Gegenstände über die Grenzen Numerias hinaus nach ganz Golarion schwemmen. (Mit anderen Worten: Der Rest der Welt ist nach wie vor EDO. Nur Numeria ist Pathfinderpunk… oder besser Pathfinderrun.)
Dementsprechend stellt dieser Band eine in erster Linie für Spielleiter zentrale Ansammlung an optionalen Regeln zur Verfügung, die dieser seinen Spielern neben den eigentlichen Regeln im Grundregelwerk nach eigenem dafürhalten zur Verfügung stellen kann. (Allerdings: Es wird von Anfang an gesagt, dass diese Regeln nicht vollständig zugänglich gemacht werden müssen, sondern das man hier eine Auswahl treffen darf.)
In dieser Hinsicht werden hier neue Regeln an Zaubern und Talenten vorgestellt, genauso wie besondere Archetypen vereinzelter Klassen eingeführt werden, welche ihre klassischen Zugänge in technologischer Hinsicht auf bohren. (Das dafür dann noch ein paar andere Regelbände nebenbei Notwendig sind muss ich hier wohl nicht extra erwähnen, oder?)
Abgerundet wird das Ganze noch mit einer ganzen Menge bislang unbekannter Artefakte, die die Ausrüstung der Spieler auf unterschiedlicher Ebene bereichern oder verschlimmern. Das kann vom klassischen Deathray über das Stimpack mit Lebenserhaltungsystemen bis hin zu kybernetischen Implantaten gehen. Und wer jetzt gerade an „Hannibals Cyberbarbaren“ denkt, die mit Elefantenpanzern ausgestattet in die Weltenwunde eindringen, um den Abyss einzufrieren… joah, das könnte durchaus hiermit machbar sein.
Aber: Wie jedes unbekannte Ding in einer fremden Welt bietet Technologie für den Anwender natürlich einiges an Gefahren. So werden hier ebenfalls Tabellen zu Verfügung gestellt, was passiert, wenn ein Bauteil eines jeglichen Gegenstandes ausfällt. (Aufgrund der Art, wie die Technologie nach Golarion gekommen ist… und aufgrund der Tatsache, dass sie hier auch noch der Magie ausgesetzt wird, sind so ziemlich alle technologischen Gegenstände mit Mängeln behaftet. Einer davon ist eine begrenzte Anzahl an Munition.)
Fazit
Man möchte beinahe mit Berthold Brecht abschließen: „Wir stehen hier, gar sehr betroffen. Der Vorhang zu und alle Fragen offen.“ und dann kann man es letzten Endes doch nicht. Also: Da Shadowrun bereits gezeigt hat, dass Technologie und Fantasy sich zumindest im Bereich des Cyberpunks vereinen lassen (und Shadowrun ist von allen Cyberpunk-Ablegern immer noch seid Jahrzehnten ungeschlagen der Erfolgreichste) haben wir zumindest einen Punkt gefunden, an dem man hier das Brecheisen ansetzen kann. Das Problem bei der ganzen Sache ist: Shadowrun selbst ist schon für eine sehr spezielle Klientel von Eskapisten hergestellt worden. Ob die gleichen oder eine ähnliche Klientel auch wirklich Ritter mit Laserlanzen „mag“ (also anstelle einer fantastischen Zukunft ein futuristisch angehauchtes Fantelalter lieben kann) ist mir nicht so ganz klar.
Aber: Gerade weil in diesem Band von Anfang an sehr stark klar gemacht wird, dass es sich bei der Technologie in Golarion um eine andere Form von Magie handelt, kommt mir gerade eine andere Idee: Wie sähe ein Kult um göttliche Artefakte aus, in dessen Heiligtum die Charaktere der Spieler durch Zufall mehr oder minder gewollt eindringen und dann in den Besitz vermeintlich göttlich berührter Waffen kommen? Das könnte zumindest eher funktionieren, solange man den sense of wonder mit größtmöglichen Umschreibungen, anstelle konkretem Bezeichnungen aufrecht erhält.
Insofern: Ja, bitte. Auf jeden Fall. Golarion mit Technologie kann funktionieren. Aber halt wirklich unter diesem Aspekt, dass der Band eher in den Händen des SLs bleibt und nicht offen im Sichtfeld der Spieler verweilt. Wir erhalten uns hier also erst einmal ein „for eyes only“-Dokument aufrecht, dass eine Menge (wenn auch in gewisser Weise sadistischen) Spaß für den SL bereit hält. Aber halt eben unter sehr speziellen Voraussetzung. (Ja, ich bin ein SciFi-Purist.)
Solange man den Almanach der Technologie unter eben genau diesen Einschränkungen betrachtet kriegt man sicherlich ein sehr schönes Ergänzungbüchlein zur Verfügung gestellt, dass sich um seltsame Phänomene dreht. (Die eben nicht, wie alles andere, seltsame in dieser Welt, mit Magie erklärt werden können.)
Fest steht allerdings: Gerade in einer typische Fantasy-Welt, wie sie nach der tolkienschen Tradition bespielt wird, ist Technologie ein sehr problematisches Element. Und insoweit muss auch dieses Buch mit sehr viel bedacht genutzt werden, um eben immer noch den Erwartungen der Spieler entsprechen zu können. (Denn letzten Endes ist es ja das, was wir alle bei Pathfinder machen: Wir spielen Edo-Fantelalter und eben nicht Shadowrun. Weil wir genau das wollen.)
Mit freundlicher Unterstützung in Form eines Rezensionsexemplars von der Ulisses-Spiele GmbH und dem F-Shop.
Interessant. Ich habe diesen Band gerade bei Ulisses’ Schnäppchenaktion als PDF gekauft, gerade weil ich gerade den jüngsten Pathfinder AP, Iron Gods, lese. Dieser spielt ja in Numeria, wo einst ein Raumschiff abstürzte, und die technologischen Überbleibsel ausgeschlachtet werden. Im AP geht dann auch um irre AIs, Roboter und Technologie-Jünger. Hatte mir erhofft, dass mir der Almanach ein wenig mehr Einblick in die Techno-Regeln verschafft. Mal sehen.