Aeon Trinity

Eine Rezension von Infernal Teddy

Wir probieren gerade mal wieder etwas aus: diese Rezension ist das Ergebnis einer Abstimmung in Teylens Facebook-Gruppe zur Welt der Dunkelheit. Wir werden auch in Zukunft immer mal wieder fünf Bücher zur Abstimmung aufstellen, und schauen was euch, unsere Leser, interessiert.

Ich behaupte ja nach wie vor das Shadom schuld ist. Ob er jetzt wirklich dran schuld ist das ich mich mit dem sogenannten Aeonverse beschäftige weiß ich eigentlich nicht mehr, aber ich behaupte es einfach, es gibt schließlich schlimmeres, woran man schuld sein kann. Oh. Was das Aeonverse ist, fragt ihr? Also, vor langer Zeit, im Jahre 1997 veröffentlichte White Wolf ihr drittes Spiel außerhalb der Welt der Dunkelheit, ein Science Fiction RPG. Über das wie und warum lasse ich mich mal nicht aus, wer mag kann ja nach Mark Rein*Hagens Exile googlen, aber es war sollte ein Spiel mit Protagonisten als Helden sein, mit Space Opera und Cyberpunk und so, und es sollte der Auftakt einer Spieletrilogie werden, bei der alle Spiele mit „A“ beginnen sollten. Aber gerade als die limitierte Fassung von Aeon verschickt worden war drohte MTV mit einer Klage – der Name sei zu nahe an ihrer Postcyberpunk avant-garde Serie Aeon Flux, weswegen der Name geändert werden musste, und so bekamen wir ein Spiel namens Trinity. Aber wie gut kann denn ein Spiel sein, welches vom ersten Entwurf bis zur Veröffentlichung in nur zehn Monaten entstand? In diesem Fall finde ich: sehr gut. Erlaubt mir, euch zu erklären wie ich zu diesem Urteil komme.

Mir liegt Aeon bzw. Trinity in zwei der drei veröffentlichten Ausgaben vor: der limitierten Fassung und die Softcoverausgabe (NICHT die d20-Ausgabe, mit der sie das Cover gemein hat). Die limitierte Fassung ist – wie auch die reguläre Hardcoverausgabe – als Ringbuch gebunden, eine gelinde gesagt ungewöhnliche Bindung in unserem Hobby, welche aber den Vorteil hat das die Seiten flach liegen bleiben. Der Unterschied zur regulären Hardcoverausgabe ist allerdings der Einband nicht wie üblich aus stabiler Pappe, sondern aus Hartplastik, mit dem Logo des Spiels in Metallic Rot aufgemalt. Die Softcoverausgabe ist im Inneren von der Gestaltung her identisch mit den Vorgängerausgaben. Die erste Hälfte des Buches ist reine Settingbeschreibung, und komplett in Farbe gehalten, mit einem hellen, freundlichen Layout, welches ab und an etwas überlastet wirkt und je nach Kapitel variiert. Der Regelteil des Buches ist in Schwarz / Weiß, und mit einem einheitliche Layout. Wenden wir uns aber mal dem Inhalt zu.

Trinity eröffnet – wie für White Wolf üblich – mit einer Kurzgeschichte. Das Besondere an dieser ist, das es zwar die Welt von Trinity beleuchtet, der Protagonist selbst aber kein Psion ist, keiner der Protagonisten des Spiels. Außerdem ist der Autor erwähnenswert, der 2002 verstorbene George Alec Effinger, den einige unserer Leser vielleicht als frühen Cyberpunkautor kennen – Cyberpunk als Literaturgenre, nicht das Rollenspiel gleichen Namens. Das Buch springt dann direkt in den Hintergrund dieser neuen Spielwelt: wir schreiben das Jahr 2120, und die Erde hat sich nach langen Mühen von den Folgen eines katastrophalen Krieges erholt. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts tauchten Menschen auf, welche Kraft ihres Geistes die Welt auf der Quantenebende manipulieren konnten. Diese sogenannten Aberrants wurden zunächst als Superhelden gefeiert, bis ihre Kräfte sie in den Wahnsinn trieben, und sie drohten, die Welt zu versklaven. Sie konnten von der Erde vertrieben werden, und flohen in die Tiefen des Alls, aber nicht ohne die Welt fürchterlich zu verwüsten. Die Staaten der Erde begannen den Wiederaufbau, als die Aberrants aus den Tiefen des Alls wieder zuschlugen. Aber dieses Mal stellten sich ihnen Menschen entgegen, welche Subquantenenergie nutzten, psionische Energie. Das war der Beginn der psionischen Orden – der Organisationen, denen die Charaktere in der Regel angehören werden. Jeder Kontinent der Erde ist von den Ereignissen gezeichnet worden, und verkörpert gewissermaßen eine andere Spielart von near future SF. So leidet Nordamerika immer noch an den Folgen einer Explosion, welche den Großteil des Farmlands in eine Wüste verwandelt hat, und ist jetzt ein Land der Unterdrückung durch ein Bündnis der Wirtschaft mit dem Militär, ein Alptraum direkt aus den Seiten eines Cybperunk-Romans. Europa dagegen liegt in Trümmern nachdem eine Raumstation über Paris abgestürzt ist, und ähnelt einer postapokalyptischen Landschaft. China, Indien und die United African Nations sind die neuen Weltmächte. Der Mond ist eine klaustrophobe Boomtown, und wer die Final Frontier sucht wird in den ersten Kolonien außerhalb des Sonnensystems fündig. Das Spiel beschreibt aber nicht nur die Erde, sondern auch den Rest des Sonnensystems und die ersten extrasolaren Kolonien. Und zuletzt werden im Hintergrund die anderen potenziellen Antagonisten jenseits der Aberrants beschreiben, die Aliens denen mir schon begegnet sind: die biotechnolgisch fortschrittlichen Qin, welche zu Beginn des Metaplots zumindest unsere Verbündeten sind; die agressiven Chromatics, welche mit Hilfe von Licht kommunizieren, und die enigmatische Coalition, deren riesige Weltraumarche sich langsam aber unaufhaltsam auf unser Sonnensystem zubewegt. Damit schließt das erste Drittel des Buches, und die Übersicht über das Setting.

Und so kommt es, das wir erst auf Seite 154 zur Einleitung kommen. Alles, was wir zwischen der Kurzgeschichte und jetzt gelesen haben wurde aus der Sicht der Bewohner dieser Welt präsentiert, und jetzt geht es an das eigentliche Spiel. Wir erfahren hier Psions spielen werden, Menschen mit psychischen Kräften, welche die letzte Hoffnung der Menschheit darstellen, im Kampf gegen Aberrants, Aliens und schlimmeren. Aeon ist nicht das erste Spiel in dem uns White Wolf makelbehaftete, zerbrechliche Helden präsentierte, aber es eröffnet eine ganze Reihe solcher Spiele, welche mit den Scarred Lands und Exalted ihren Gipfel finden sollte. Die Einleitung als solche ist recht kurz gehalten – in was für eine Welt wir spielen werden haben wir gerade lange und breit gelesen, wir bekommen hier also nur kurz den „Was ist ein Rollenspiel?“ Text, und ein kurzes Lexicon. Danach geht es auch schon los mit dem ersten von sieben Kapiteln aus denen der Regelteil des Buchs besteht, den eigentlichen Spielregeln. Hierbei handelt es sich um eine Variante der Storyteller-Regeln, welche wir bereits schon in den Spielen der Welt der Dunkelheit kennengelernt haben, eine Variante, welche nicht nur in den Spielen der drei „Aeonverse“-Spiele verwendung fan, sondern auch in Scion und Exalted und gerne als „Storyteller 1.5“ bezeichnet wird. Hier wurde zum ersten Mal mit einem festen, unveränderlichen Zielwert gearbeitet – Sieben und höher ist immer ein Erfolg – und der Spielleiter kann die Schwierigkeit dadurch variieren das er die notwendige Anzahl an Erfolgen erhöht oder senkt. Der Würfelmechanismus ist nicht sonderlich kompliziert, und im Großen und Ganzen nichts, das man nicht schon gesehen hat.

Wir machen an dieser Stelle eine kurze Unterbrechung, und werden dann im nächsten Teil unserer Besprechung mit der Charaktererschaffung weitermachen.

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