Tiny Dungeon, Zweite Edition
Eine Besprechung von Infernal Teddy
Manchmal verliert man Leute ein wenig aus den Augen. Toa, zum Beispiel, der wie wir früher auch mal Moderator bei den Blutschwertern war. Ich hab zwischendurch Posts von ihm auf RPG.net mitbekommen, aber im Großen und Ganzen war es „aus den Augen aus dem Sinn“. Eine gemeinsame Freundin erwähnte dann vor Kurzem das Toa – Sascha Schnitzer – seinen eigenen Verlag gestartet hätte, Obscurati Publishing, und ob ich mir vorstellen könnte das erste Produkt zu rezensieren. Ich sagte ja, und habe dann nicht mehr weiter drüber nachgedacht. Zu viel zu tun und so. Bis Sascha selbst virtuell anklopfte und mir besagtes Spiel zur Besprechung anbot, Tiny Dungeon.
Obscurati stellte mir das Spiel über DrivethruRPG als PDF zur Verfügung, ein Download von insgesamt zehn Dateien: Das Regelwerk in zwei Ausführungen, der Charakterbogen, ein Sichtschirm für die Spielleitung, zwei Kartendecks und ein Abenteuer mit Beispielcharaktere. Alles zusammengenommen haben die Dateien einen Umfang von 30,2 MB. Alle Dateien sind komplett in Farbe, und das Layout is sehr lufitg und Lesefreundlich, ohne große Spielereien und der Text in einer Spalte. Die Illustrationen sind farbenfroh und… ich möchte sagen „Kindgerecht“, ohne kindlich zu sein – und ja, der Bär auf dem Cover des Regelwerks holt bei mir Pluspunkte. So weit so positiv der erste Eindruck. Leider bin ich nicht dazu gekommen eine Testrunde zu organisieren, so das diese Besprechung auf meine Leseeindrücke basieren muss.
Das Regelwerk
Nehmen wir uns als erstes das Regelwerk vor. Es handelt sich hierbei um die Übersetzung der zweiten Edition von Tiny Dungeon, einem Spiel das bisher auch im Original an mir vorbeigegangen ist. Das Buch ist 209 Seiten lang, und präsentiert sich als „minimalistisches Tischrollenspiel“. Das Spiel ist – wie der Name schon andeutet – im Fantasygenre zuhause, und präsentiert direkt zu Anfang seine Basisregeln nachdem es sehr knapp darauf eingeht was ein Tischrollenspiel ist und was man dafür benötigt. Tiny Dungeon benötigt zum Spielen pro Spieler 3w6, wobei Proben in der Regel 2w6 benötigen – wenn einer der Würfel eine Fünf oder Sechs zeigt ist die Probe ein Erfolg. Die Spielleitung kann außerdem entscheiden ob der Charakter einen Vor- oder Nachteil in einer bestimmten Situation genießt – bei einem Vorteil hat man für die Probe 3w6, bei einem Nachteil 1w6. Auf diesen Regeln fußt auch das Kampfsystem – ein Angriff mit einer vertrauten Waffe wären 2w6, mit einer Waffe die man gemeistert hat 3w6, und mit einer Waffe die man nie benutzt hat 1w6, bei einer erfolgreichen Probe verliert der Gegner einen Lebenspunkt. Es gibt darüber hinaus natürlich noch eine Reihe von weiteren Regeln, für Bewegung, Ausweichen, und so weiter, das das Regelsystem belibt auch dabei denkbar einfach. Ähnlich einfach sind auch die Magieregeln des Spiels – Zauberer arbeiten entweder mit sich verbrauchenden Spruchrollen, oder Zauber die der Zaubernde kurz beschreibt. In beiden Fällen kommt wieder die 2w6-Probe zum Einsatz.
Wenden wir uns der Charaktererschaffung zu. Dem aufmerksamen Leser ist möglicherweise aufgefallen das bisher nirgends Attribute oder Fertigkeiten Erwähnung gefunden haben. Das hat einen einfachen Grund – es gibt keine. Gehen wir kurz zusammen die Charaktererschaffung durch, es sind auch nur sechs einfasche Schritte. Als erstes sucht man sich das Vermächtnis aus – also Mesnch, Fee, Goblin und so weiter, alles was man in anderen Spielen als „Volk“ zusammenfasst. Der Bär auf dem Cover ist ein Karhu, und ja, ist spielbar (Yay!). Das Vermächtnis gibt die Anzahl an Trefferpunkten vor, und gibt eine besondere Fähigkeit: Menschen dürfen sich mehr Merkmale aussuchen, Goblins können Schaden ausweichen, und Karhu haben fiese Krallen. Der zweite Schritt ist sich drei Merkmale auszuwählen (Vier als Mensch). Merkmale sind besondere Fähigkeiten oder Berufe die dem Charakter auf bestimmte Proben Vorteil gewähren. Danahc wählt man sich eine Waffenkategorie aus mit der man vertraut ist, also leichte Waffen, schwere Waffen oder Fernkampfwaffen, und die Wahl der Waffe die man gemeistert hat ist der vierte Schritt. Danach denkt man sich eine Ausbildung aus, etwas, das der Charakter vor dem Abenteurerdarsein gemacht hat und je nahc Zustimmung der Spielleitung Vorteil gewährt. Als letztes sucht man sich eine Überzeugung aus, einen Satz der dem Charakter als Richtinie dienen kann. Zur Charaktererschaffung gehören noch zwei Optionalregeln, einmal ein Inventarsystem mit beschränkten Slots wie man es aus Computerspielen kennt, und Regeln für Gegenstände die sich nach und nach verbrauchen.
Nach der Charaktererschaffung folgt ein Kapitel mit Optionalregeln, Dingen wie Prestigeklassen (Merkmale die andere Merkmale voraussetzen und ziemlich gut sind), Tiergefährten, Magieschulen, Kampfkunstschulen, und eine handvoll optionaler Regeln für den Kampf. Alle diese Regeln erhöhen ein wenig die Komßplexität des Spiels – das dürfte für die meisten unserer Leser nicht wirklich ein Problem darstellen, aber dazu kommen wir später nochmal.
Tiny Dungeon ist ein Rollenspiel, und hat deshalb natürlich auch ein Kapitel für die Spielleitung, mit Tipps zum Leiten, einen Abenteuergenerator und einem gut Bestückten Bestarium. Der Rest des Buches – über die Hälfte! – besteht aus einer Auswahl an Kurzabenteuern zum sofort losspielen. Normalerweise bin ich kein Freund von Abenteuern im Grundregelwerk, aber in diesem Fall… passt es einfach. Insgesamt sind es 22 Abenteuer, inklusive einem vom „Bergkönig“ Moritz Mehlem himself. Abgerundet wird das Buch von einem kleinen Charakterbogen und einem ebenso kleinen Index.
Zubehör
Nach den ganzen Kurzabenteuern liegt mir außerdem Aufbruch zur Drachenspitze vor, ein 25 Seiten langes Szenario für Tiny Dungeon. Das Abenteuer ist gedacht um neue Spielende an das Spiel und an das ganze Themenkomplex Rollenspiele heranzuführen. Dementsprechend ist die Handlung auch recht simpel gehalten, die Charaktere sollen heruasfinden warum eine kleine Baronie von einem seltsamen Pesthauch heimgesucht wird. Der Plot ist gradlinig, das Abenteuer hilft der Gruppe die Regeln zu erlernen und sich mit dem Konzept Rollenspiel anzufreunden, und am Ende darf man einem großen bösen Monster auf die Nase geben. Abgerndet wird das Abenteuer durch fünf vorgefertigten Charaktere, alle mit einem anskizzierten Hintergrund damit jeder weiß woran er ist und direkt loslegen kann.
Diese Charaktere gibt es zusätzlich als eigenes PDF, sowohl in Farbe als auch in Druckerfreundlich, mit dem eigentlichen Charakter auf einer Seite und einer Reihe von Vorschlägen zur Selbstgestaltung auf der Rückseite.
Für die Spielleitung gibt es außerdem einen Sichtschirm mit drei Panelen im Portrait-Format. Die Regelzusammenfassung macht eine Seite aus, der Rest ist der Abenteuergenerator aus dem Grundregelbuch – das Highlight ist allerdings in meinen Augen das Artwork.
Zum Abschluss gibt es noch zwei Kartendecks mit je 55 Karten. Das Artefaktdeck bietet magische Gegenstände mit einer Illustration auf der einen Seite und den Regeln auf der Rückseite, das Widersacherdeck macht das gleiche mit Antagonisten. So kann man den Mitspielenden immer zeigen was man gefunden hat oder bekämpft, und kann ihnen auch gleich den Gegenstand direkt überreichen.
Fazit:
Eine Frage die mich bei Tiny Dungeons immer mal wieder beschäftigt hat war diese: Für wen ist das hier eigentlich gedacht? Es ist ein schönes kleines Spiel, kurzweilig, mit offensichtlichen Wurzeln in D&D 3.x und 5e, aber aufgesetzt auf das d6-System und mit Fate-Anleihen. Die Übersetzung ist sehr gut, es sieht auch noch gut aus mit schicker Optik. Aber für wen ist es gedacht? Erst im Gespräch mit meinem Bruder ist mir klar geworden welches Zielpublikum Tiny Dungeons hat: Rollenspielende mit Kindern, oder zumindest erfahrene Rollenspielende mit Spielern die zum ersten Mal Kontakt mit dem Hobby haben. Das Spiel verbringt relativ wenig Zeit damit zu erklären was ein Rollenspiel eigentlich ist, und auch das Kapitel für die Spielleitung geht wenig darauf ein was eine neue Spielleitung eigentlich wissen muss. Gleichzeitig ist das Regelwerk so weit runterreduziert um Spielende möglichst nicht zu überfordern. Ob das am Spieltisch tatsächlich so funktioniert kann ich noch ncihts sagen, wie schon erwähnt bin ich nicht dazu gekommen das Spiel am Tisch zu testen. Aber wenn… „all das hier“ vorbei sit fahre ich meine Geschwister besuchen, und dann nehme ich Tiny Dungeons mit, mal sehen wie es bei meinen Nichten und Neffen so ankommt.
Demnächst kommt mein Exemplar, ich bin gespannt!!!
Also ich war tatsächlich deutlich angetaner als ich erwartet hätte.