Hinter dem Schattentor

Greystar 3

Dass Spielbücher die Stärke des Mantikore-Verlags darstellen, sieht man schon auf den ersten Blick. Eine modernes Cover, eine schicke Farbkarte und zahlreiche Illustrationen von Hauke  Kock laden im vorliegenden Dritten Band der Greystar-Reihe direkt zum Spielen ein. Zusammen mit sauberem Lektorat und angenehmen Textsatz ergibt sich ein Spielbucherlebnis bei dem Abenteueraufbau und Illustrationen einen angenehmen Ton zwischen Retro-Feeling und zeitgemäßem Anspruch treffen. Da beide enthaltenen Abenteuer von einem Künstler illustriert wurden, gelingt darüber hinaus ein einheitlicher Stil. Aber worum geht es inhaltlich?

Hinter dem Schattentor

Was Silberstern da hinter dem Schattentor erwartet hätte er sich kaum zu träumen gewagt. Nach immerhin zweibändiger Suche [1] [2] nach dem mysteriösen Portal, tritt Silberstern zusammen mit seiner Begleiterin Tanith nun endlich auf die andere Seite. Schnell wird klar, dass dort ganz eigene Gesetze und Konflikte herrschen. Und die können bereits in den ersten Abschnitten ein jähes Ende finden. Es braucht einige Zeit, bis wir uns zwischen fremdartiger Architektur und mysteriösen Bewohnern der Schattenwelt zurechtfinden. Und so ganz heimisch dürften wir hier nie werden. Seltsame Rätsel wollen gelöst werden und dann geraten wir auf der Suche nach dem Mondstein auch noch mitten in einen für uns unüberschaubaren Konflikt zwischen zwei – hier nicht vorweggenommenen – Gruppierungen. Und das nur um zu erfahren, dass wir irgendwo im „Nichts“ gelandet sind.

Der dritte Band führt die eh schon mystisch-mysteriöser angehauchte Greystar-Reihe in eine neue Dimension und treibt die mythologische ebene noch etwas weiter. Sicher: im Endeffekt haben wir es auch hier mit zu bekämpfenden Kreaturen, Rätseln und klassischen Konflikten zu tun, der Ton ist aber deutlich mystischer geworden. Wie Silberstern so schön sagt: „Solch ein Ort kann einen Menschen in den Wahsinn treiben.“

Man muss diesen etwas verrückten Stil schätzen, um das gewohnt umfangreiche Abenteuer wirklich zu genießen. Wer den Band nach den ersten beiden Abenteuern aufschlägt, sollte das aber bereits gewohnt sein. Wer ein Spielbuch mit etwas komplexeren Regeln und einem Fokus auf Magie sucht, wird auch im dritten Band der Reihe nicht enttäuscht und sollte sich die Reihe definitiv anschauen. „Hinter dem Schattentor“ führt die Reihe dabei würdig fort, mit dem dritten Band 3 beginnen, ergibt hingegen keinen Sinn.

Die Ketten von Ghol-Tabras

Wie die Einsame-Wolf Reihe (zumindest ab Band 2), kommen auch die Greystar-Bände mit einem Zusatzabenteuer daher. Diese Bonusabenteuer bespielen die gleiche Welt und meist ein ähnliches Szenario aus einer anderen Perspektive und halten zunehmend mit dem Hauptabenteuer mit. Den 350 Abschnitten des „Schattentores“, stehen dann auch immerhin 175 Abschnitte der „Ketten von Ghol-Tabras“ entgegen, die damit knapp die Hälfte des Bandes ausmachen. Das von Alexander Kühnert und Vincent Lazzari geschriebene Abenteuer greift ausnahmsweise nicht das Thema der Schattenreiche auf, sondern führt uns in ein piratisch durchtriebenes Setting. Wir verkörpern Havaroez, einen Freibeuter von Shadaki, der zusammen mit seinen Begleitern einen Auftrag annimmt um die grausame Herrschaft des Hexenkönigs abzuschütteln. Dazu schlagen wir uns auf die Seite der Freiheitskämpfer, die sich um „Sado vom Langen Messer“ gruppiert haben. Die Namensgebung ist vielleicht das größte Manko des Abenteuers, in dem wir etwa das Schiff „Holzstab“ kontrollieren und „Hugi“ an unserer Seite wissen. Davon ab ergibt sich jedoch ein erstaunlich umfangreiches und äußerst hochwertiges Abenteuer, das sich vor der Haupthandlung nicht verstecken muss. Wir finden eine gut verzahnte  Handlung um eine Rettungs- und Sabotageaufgabe vor, die sogar Raum für etwas Stadterkundung lässt. Das mundan-piratische Setting ist überzeugend gestaltet und die Grundentscheidungen werden das Abenteuer über immer wieder gelungen erinnert.

Spielerisch geht es hier äußerst kämpferisch zu, wobei das Grundgerüst etwas simpler ausfällt als im Hauptteil. Statt auf Stabzauber und Willenskraft zu setzen, nehmen wir die Säbel in die Hand und kämpfen lediglich  mit Kampfkraft und Ausdauer. Die beiden Werte werden dabei zu Spielbeginn über eine einzige Zufallszahl bestimmt, die beide Werte ausgleicht.  Hohe Werte begünstigen unsere Ausdauer, senken aber unsere Kampfkraft. Simple wie genial. Nach dem  Eintrag der zwei Grundwerte, wählen wir 8 von 11 Freibeuterfähigkeiten aus, die dank des umfangreichen Abenteuers auch angemessen zum Einsatz kommen. Oft fungieren sie als Schlagwörter um zu anderen Abschnitten zu führen. Eilt uns ein „Großer Ruf“ voraus, kann der unsere Feinde einschüchtern, aber auch zu unserem Nachteil geraten. Manche Fertigkeiten verändern hingegen „nur“ unsere Kampfkraft. Insgesamt ist den beiden Autoren damit ein mehr als solides Abenteuer gelungen, das auch für sich stehen kann.

Gesamteindruck

Bei Teilen einer Buchreihe ist ein Fazit immer etwas schwer zu geben. Wer die Reihe begonnen hat und mit Freude spielt, kann auch bedenkenlos zum dritten Band greifen. Die Handlung wird gelungen fortgeführt und leitet mit einem spannenden Endkonflikt in den abschließenden vierten Band über. Sollte einem der „magische“ Ton in den Vorgängern nicht so recht zusagen, wird man auch hier nicht glücklich, da der Stil hier noch einmal angezogen wird. Auf der anderen Seite kann das betont weltliche Bonusabenteuer umso mehr überzeugen. Mit immerhin 175 Abschnitten auf ca. 200 Seiten kann es fast selber ein Kaufgrund darstellen. Das volle Potential entfaltet der Band aber nur als Teil der ganzen Reihe.

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