Kolonien – Welt unter Dampf
Infernal Teddy bespricht eine Anthologie
Steampunk.
Mit diesem Genre verbindet man in aller Regel Victoriana, oder im „deutschen Sonderweg“ den Dampfbiedermeier. Aber im Gegensatz zum Cyberpunk ist der Steampunk – ähnlich wie der Transhumanismus – ein sehr positives Genre, welches in der Regel seinen Blick auf eine verklärte Sicht dessen wirft, was die Technologie dieses Zeitalters hätte erreichen können. Es wird dabei nur zu gerne die dunkle Seite des Viktorianischen Zeitalters unter den Teppich gekehrt, vor allem der Rassismus des Zeitalters und der Kolonialismus der europäischen Imperien (Und auch zu einem gewissen Teil der USA, aber das ist ein anderes Thema). Warum ich das aufbringe? Nun, wie es der Zufall so haben will liegt gerade eine Anthologie aus dem Amrûn Verlag von André Skora und Marco Ansing auf meinem Schreibtisch das sich gerade mit diesem Thema beschäftigt.
Kolonien – Welt unter Dampf ist ein Taschenbuch mit 276 Seiten und insgesamt dreizehn Kurzgeschichten aus dem deutschen Sprachraum. Das Cover ist eine nette Computerillustration, welche weder besonders in Erinnerung bleibt noch besonders stört. Was mir gefallen hat ist das die Weltkarte auf der Rückseite mit Punkten markiert wo die Geschichten angesiedelt sind. Im Inneren gibt es keine Überraschungen, aber ich habe eine Schwäche für besondere Schriftarten, und da hat mir die Gestaltung der Titel gefallen.
Blickt man ins Inhaltsverzeichnis findet man – oder finde zumindest ich – eine angenehme Mischung aus bekannten und unbekannten Namen die hier ihr Werk zum Besten geben. Statt jede Geschichte einzeln zu beleuchten möchte ich an dieser Stelle fünf Erzählungen herausgreifen die mir ganz besonders gefallen haben, um sie als Beispiele für die ganze Anthologie zu präsentieren:
Der Brief des Lordprotektors von Ann-Kathrin Karschnick
Diese nur zehn Seiten lange Geschichte berichtet von den Machenschaften eines Lordprotektors der Kolonie in New South Wales. Es beginnt damit das der Protektor überlegt wie er in seinem Bericht den Tod mehrerer Männer gegenüber der Krone vertuschen kann um nicht als inkompetent dazustehen, doch im Laufe der Geschichte stellt sich heraus was genau er da vertuscht – und was er selbst damit zu tun hat.
Der Harvester von Chris Schlicht.
Direkt im Anschluss gibt es eine… traumhaft ist nicht ganz das richtige Wort, aber dennoch: eine eher traumhafte Geschichte über einen Mann der auf seinem Dampfzweirad im Auftrag des Königs eine vollautomatische Erntemaschine verfolgt die in Afrika Rohstoffe abbauen soll, und die sich selbst immer weiter verbessert. Nach und nach muss sich der Protagonist aber die Frage stellen welche Folgen diese Maschine für die Menschen haben soll.
Shogun von Guido Krain
Hier wird das Thema etwas umgedreht – Japans Shogun greift auf den dampfbetriebenen Geist eines seiner Vorfahren zurück, Tokugawa Ieyasu, Einiger Japans, um zu verhindern das Commodore Perry und die Amerikaner das Land für den Westen öffnen. Dabei greifen die spirituellen Japaner auf die Aberglauben der Invasoren zurück, in einer Umkehrung des üblichen Szenarios.
Die flüsternde Sonne von Kristina Lohfeldt
Mehrere Fäden verknüpfen sich in dieser Geschichte zu einem Strang, und die Schicksale verschiedener Menschen verbinden sich als eine Wissenschaftlerin alles aufs Spiel setzt um eine neue Energiequelle zu erschließen, und dabei etwas verliert das sie nicht wiederbekommt, aber dadurch verändert sich das Schicksal eines Stammes in Afrika – und eines Skeptikers in London.
Der Metall-Drache Chinas von Marco Ansing
Als letztes möchte noch diese Erzählung aufgreifen, welche im Stil eines phantastischen Zeitungsberichts gehalten ist, wie man es in letzter Zeit beispielsweise bei der Grünen Fee zu lesen bekommen hat. In diesem Fall bringt sich unser Reporter in eine gefährliche Situation als er an Stelle des deutschen Botschafters an einer Vorführung Chinas teilnehmen soll, bei der das Reich in der Mitte seine neue Verteidigung präsentieren will.
Fazit:
Alles in allem ist Kolonien – Welt unter Dampf eine sehr interessante Anthologie, weil sie die finsteren Seiten des Kolonialismus aus der Sicht des Steampunks untersucht, eine Sichtweise die in dieser Form selten vorkommt – die Welt des Steampunks ist dafür in der Regel zu sauber, zu optimistisch. Die ausgewählten Geschichten präsentieren sehr „schön“ warum jedes Licht seine Schatten wirft, und es gibt keine Geschichte in diesem Band die man nicht empfehlen könnte. Es ist schön zu sehen das sich jemand daran erinnert hat das der Viktorianismus eben nicht ein goldenes Zeitalter war.
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