One Last Job: Ein letzter Auftrag
Verbrecher für einen Abend
Nur ein letztes Mal! Wer sich zu „One Last Job: Ein letzter Auftrag“ zusammentut, hat es faustdick hinter den Ohren. Egal ob Berufsverbrecher, Cthulhu-Jünger, Revolverhelden oder verchromte Straßensamurais – alle eint, dass die Gruppe eine große Katastrophe erlebt hat. Und die wollen sie jetzt in einem allerletzten Auftrag wieder gut machen…
One Last Job von Grant Howitt ist zur RPC bei System Matters in der „kleinen Reihe“ auf Deutsch erschienen. Klein meint dabei sowohl das ungewohnte quere A5-Format als auch den Seitenumfang und die Spiel- und Vorbereitungsdauer. One Last Job ist ein sprichwörtlicher One-Shot, der an einem einzigen Spielabend eine abgeschlossene Geschichte erzählen will.
Prinzip 1: Gemeinsamer Weltenbau
Wie in vielen Indie-Titeln üblich, wird auch der letzte Auftrag nicht groß vorbereitet. Zumindest die Spielleitung (SL) sollte die luftigen 40 Seiten Regeltext gelesen haben und eine grobe Vorstellung davon haben, wie der Abend verläuft. Viel mehr ist aber nicht nötig. Setting, Szenario und Charaktere werden am Spieltisch entworfen und optional funktioniert das Spiel sogar ganz ohne SL.
Das gelingt durch einen kollektiven Weltenbau. In einem Prolog einigen sich die Spieler auf ein Setting, einen Auftrag und eine zurückliegende Katastrophe. Hier reichen wenige Sätze aus, wobei uns das Heft eine ganze Reihe an Beispielen und Ideen liefert. In diesem Schritt entscheidet die Gruppe grob wohin die Reise gehen soll und legt langsam die Stimmung fest. Das Prozedere ist simpel und kommt ohne große Anweisungen und Überraschungen daher; uns wird lediglich empfohlen Auftrag und Katastrophe in einem klaren Satz zu formulieren. Deutlich innovativer gestaltet sich der Charakterbau. Nicht nur, das all unsere Charaktere mit den gleichen Werten beginnen, auch erstellen wir die Charaktere nicht selber und verbinden diese sogar mit einer Szene.
Prinzip 2: Bestimmt die Anderen
Mit der Spielleitung beginnend, setzen die Spieler reihum einen Charakter fest, den nun wohlgemerkt ein anderer Spieler verkörpern muss. Ein Beruf, ein Name und ein oder zwei Merkmale reichen hier aus, bevor der betroffene Spieler den Charakter übernimmt und beschreibt wie er die Szene betritt. Der Charakterbau bleibt bei diesen wenigen Sätzen. Im Verlauf des Spiels werden sich aber Charaktere als „schlechteste“ und „beste“ in einer Eigenschaft herausstellen und mit Narben, Legenden und Ausrüstungen ausgestattet werden. Auch hier gilt, dass die anderen Spielerinnen diese Anekdoten ausschmücken und nicht derjenige der den Charakter selber spielt. Der Charakterspieler hat zwar ein Vetorecht, wird aber belohnt wenn sie die zumeist unangenehmen Wahrheiten über seinen Charakter annimmt. Der Charakterbau geschieht also nicht nur primär während des Spiels, sondern verläuft darüber hinaus durch die Mitspielerinnen und nicht einen selbst.
Prinzip 3: Szenen
Während sich die Spielleitung in seiner ersten Charakterwahl am gemeinsam festgelegten Auftragsziel orientiert, führen die Spieler jeweils eine Komplikation ein, der sie dann einen anderen Charakter zuordnen. So könnten Fallen auf dem Weg liegen und ein Trapper angeheuert werden. Vielleicht müssen auch die zu stehlenden Bilder sicher zurückgebracht werden, weshalb es eines Fahrers bedarf. Dadurch haben alle Charaktere einen konkreten Job und es werden sogleich Szenen festgelegt, die später ausgespielt werden. Mit wenigen Sätzen haben wir so nicht nur die nötigen Charaktere, sondern auch das Gerüst des Abends festgelegt. Der verläuft nämlich immer über 4 feste Szenen, die zu Beginn grob benannt werden und dann später jeweils in einer Planungsphase weiter umrissen werden. Nach der kurzen Charaktererschaffung verfügen wir also eigentlich schon über alles was wir für den Abend brauchen. Wird dieser Prozess gut moderiert, ist der Prolog in einer Stunde gut zu bewältigen und fühlt sich bereits als Teil des Spiels an. Wer sich das Prozedere näher anscheuen möchte, kann sich dazu unser Probeabenteuer anschauen.
Prinzip 4: System Matters
Bei „One Last Job“ ist die Devise „System Matters“ Programm. Nicht vage Überlegungen der SL, vorbereitete Rätsel oder detaillierte Kämpfe entscheiden über den Ausgang einer Szene, sondern ein klares, abstraktes Würfelsystem. Die Grundidee ist simpel und sicher auch für andere Rollenspiele inspirierend. Jeder der vier Szenen werden eine Erfolgsleiste und ein Gefahrenpool zugewiesen. Die Charaktere versuchen nun durch Aktionen genug Erfolge zu sammeln um die erste Leiste zu füllen, während der Gefahrenpool die Schwierigkeit angibt und mit der Zeit steigt. Abgebildet werden also ein generelles Gefahrenlevel und der allgemeine Fortschritt, keine einzelnen Hürden.
Wie funktioniert das nun genau?
Grundsätzlich wird die Narration regeltechnisch auf distinkte Aktionen heruntergebrochen, die entweder zum Ziel haben die Mission voranzubringen (‚Dranbleiben‘) oder eine Gefahr zu reduzieren (‚Auf Abstand halten‘). In beiden Fällen beschreibt der aktive Charakter (jeder ist pro Runde exakt einmal an der Reihe) was er tut, bzw. wie er mit einer Bedrohung umgeht. Dann würfelt er mit so vielen Zehnseitern wie eine passende Fertigkeit angibt und erhält Bonuswürfel, wenn er Anführer der Szene ist oder „Mumm“ ausgibt. Dadurch ergibt sich ein Pool von etwa ein bis sieben W10, der mit dem Gefahrenpool vergleichen wird. Dieser beträgt zu Beginn einer Szene zwei Würfel und steigt pro Runde um zwei weitere Würfel an. Sind beide Pools geworfen worden, wird der Spielerwurf mit dem höchsten Würfel des Gefahrenpools verglichen. Jeder Würfel des Spielers der höher ausfällt als der höchste Gefahrenwürfel ist ein Erfolg. Jeder Erfolg kreuzt nun beim „Dranbleiben“ ein Erfolgskästchen ab oder senkt beim „Abstand halten“ den Gefahrenpool um 1. Das ist enorm abstrakt, funktioniert aber durchaus gut. Die Unterscheidung in offensive und defensive Aktionen ist lose genug um frei interpretiert zu werden und die Erfolgsleiste gibt eine klare Erfolgsbestimmung. In den besten Szenen muss klug zwischen Gefahrenabwehr und Fortschritt abgewogen werden und im besten Fall ergibt sich mit jedem Wurf eine spannende Szene.
Letzteres gelingt durch zwei weitere Regeln. Zum ersten erhöht jede durch die Spieler gewürfelte eins den Gefahrenpool um einen weiteren Würfel. Eine Aktion kann also Aufmerksamkeit auf sich ziehen und so die Bedrohung in die Höhe treiben. Zum zweiten ist jede durch die SL gewürfelte 10 ein „Schadenspunkt“. Jede 10 reduziert die Standhaftigkeit der Charaktere um einen Punkt und wird dafür aus dem Wurf herausgenommen. So werden unauflösbare Unentschieden vermieden und da die Charaktere je nur über 3 Punkte Standhaftigkeit verfügen, kann jeder Wurf bedrohlich werden.
Grundsätzlich müssen diese Proben für die Spieler positiv ausgehen. Sobald ein Gefahrenwurf nicht überboten wird, muss die Szene abgebrochen werden und eine schwierigere Ersatzszene gespielt werden. Damit sich die Spieler nicht auf ihr Glück alleine verlassen müssen, verfügen sie über eine Handvoll Asse im Ärmel. Zuerst wäre da der Mumm, mit dem ein Würfelpool vorher um drei Würfel erhöhet werden kann und Stehvermögen zurückerlangt wird. Zum anderen können andere Spieler Anekdoten über den aktiven Charakter erzählen. Legenden früherer Abenteuer oder der Hinweis auf tolle Ausrüstung erlauben einen sofortigen Neuwurf mit zusätzlichem Würfeln und können auch später von Vorteil sein. Jeder Charakter kann aber nur je Zwei davon besitzen. Außerdem kann sich jeder Charakter bis zu zwei Narben einfangen. Die reduzieren zwar manche zukünftigen Proben, verhindern aber Schadenspunkte und geben einen auomatischen Erfolg, wenn die Gruppe ihn am meisten benötigt. Neben diesen großen Anekdoten dürfen die Spieler absichtlich Schaden einstecken oder den Gefahrenpool erhöhen um die Gefahrenwürfel zu verändern. Zuletzt können sich sogar die Spielwerte ändern, indem in einer Szene ein bester und schlechtester Charakter in einer Eigenschaft festgelegt wird. Dadurch wird der Standardwert von 2 auf 3 bzw. 1 verändert. Durch solche Veränderungen und Anekdoten kommt außerdem neuer Mumm ins Spiel, so das auch der ‚Schlechteste‘ in etwas nicht ganz leer ausgeht.
Das Würfelsystem garantiert, dass die Aktivität immer auf Seiten der Spieler liegt und Proben mit Anekdoten oder Konsequenzen aufgepeppt werden. Die Spielleitung ist im Wesentlichen als Moderatorin tätig und selber strikt an die Regeln gebunden. Ob eine Szene bewältigt wurde oder nicht, entscheidet kein guter Wille der Spielleitung oder noch so guter Plan der Spieler, sondern ein klares Würfelprinzip. Die SL hat dabei sogar noch weniger Einfluss auf den Ausgang als die Spieler selber. Während diese auf die oben beschriebenen Weisen Würfel verändern können, darf die Spielleitung pro Szene lediglich bis zu zweimal neuwürfeln indem „Elemente“ aktiviert werden und einmal Alarm schlagen um den Gefahrenpool zu erhöhen. Dadurch bleibt die Spielleitung involviert, kann sich aber weitgehend auf die Geschichte konzentrieren.
Obwohl die Regeln schnell verstanden sind und am Spieltisch gut funktionieren, ist es kein Hürdenloses System. Zuerst setzt es viel Kreativität voraus um Proben passend narrativ umzusetzen. Wenn eine kleine Tat plötzlich unerwartet gut ausfällt, kann sich das Ergebnis etwas komisch anfühlen und auch der Verlust von ‚Stehvermögen‘ will sinnvoll interpretiert werden. In unserer Proberunde hat sich das System außerdem als sehr leicht erwiesen und kleinere Fragen übriggelassen. Ersteres kann an Würfelglück und -pech gelegen haben. Es ist aber seltsam, das unsere Gruppe gar keine Narbe nehmen musste und die Gefahr nur einmal zurückgedrängt hat. Dadurch waren die Szenen bei uns etwas kurz und das Ende nicht so spannend wie es hätte sein können.
Kleinere Probleme in der Regelpräsentation sind ebenfalls etwas ärgerlich, insbesondere da die Regeln nur wenige Seiten ausmachen und dem Charakterbogen sogar als praktische Übersicht beigestellt sind. Bei aller Zugänglichkeit liegt der Teufel im Detail. Dadurch, dass andere Spieler die Geschichten des Charakters benennen, kann man schnell durcheinanderkommen, wer jetzt gerade den Mumm erhält und von der Narbe „profitiert“. Auch verstecken sich manche Regeln etwas. So ist die Angabe über die Höhe des Erfolgspools etwas versteckt und es wird nicht ganz eindeutig klar, ob es ein Maximum an Mumm gibt. Auch wann der „schlechteste“ einer Eigenschaft genau benannt wird, mussten wir uns indirekt erschließen. Das ist schade. Wer die Idee des Spiels aber einmal verstanden hat, dürfte sowas schnell meistern können. Dennoch wären ein paar Beispiele oder Sätze mehr durchaus hilfreich gewesen.
Umfang
Das Regelheft kommt mit 64 Seiten erwartet schlank daher. Etwa ein Drittel machen dabei Szenariobeschreibungen aus, welche ganze sechs unterschiedliche Settings bespielbar machen. Wer auch nur ein bisschen mit dem jeweils gewählten Szenario vertraut ist, findet hier in einigen Listen und den vorgeschlagenen Eigenschaften genug Inspiration für einen gelungenen Abend. Außerdem helfen sie, bekannte Probleme oder Szenen auf den Punkt zu bringen. Die unterschiedlichen Szenarios motivieren dazu, das Spiel immer mal wieder als Lückenfüller oder auf Cons unterzubringen.
Insgesamt entspricht das Buch ziemlich genau dem englischen Original. Genaugenommen ist die Übersetzung fast satzgetreu und verändert die Struktur der Vorlage nicht, obwohl das an manchen Stellen hilfreich gewesen wäre. Dafür haben „System Matters“ beim Layout geklotzt statt gekleckert. Ist die Vorlage noch ein recht tristes Heftchen, kommt der „Letzte Auftrag“ stilvoll illustriert in Vollfarbe und mit schickem Charakterbogen daher.
Fazit
Das wichtigste zuerst. „Ein letzter Auftrag“ hat uns einen spannenden Rollenspielabend erleben lassen. Obwohl wir allesamt keine allzu aktiven Rollenspieler (mehr) sind, ging uns das Spiel leicht von der Hand. Das Szenario hat uns schnell mit guten Ideen versorgt und es kam zu keinerlei unangenehmen Planungspausen oder Sackgassen. Mit wenig Vorbereitungszeit haben wir so in unter 4 Stunden eine etwas pulpige, aber erinnerungswürdige Runde gespielt. Das gelingt nur wenigen Spielen und ist allemal befriedigender als ein eilig zusammengeworfener Oneshot.
Wer freies und innovatives Rollenspiel mag und eine gemeinsame Geschichte erstellen und erleben will, ist beim letzten Auftrag sehr gut aufgehoben. Gegenüber anderen Indie-Titeln zeichnet sich der letzte Auftrag durch die fremdbestimmte Charaktererschaffung und das klare Szenenspiel aus. Das Spiel gibt gute Fragen und Richtlinien an die Hand, die einen gelungen Spielabend gewährleisten, auch wenn das System etwas ausschlagen kann. Alles in allem dürfte es sicher nicht unser letzter „letzter Auftrag“ gewesen sein.
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