Warum Superhelden?
Gedanken zur modernen Mythologie von Infernal Teddy
Hallo und willkommen bei unserem zweiten Beitrag zur Blogtour zu Marion G. Harmons Superheldenroman Karriere: Superheldin, welcher dieser Tage bei Feder & Schwert erscheint.
Eine Frage die sich mir gelegentlich stellt wenn wir hier bei Neue Abenteuer über Superhelden unterhalten ist: Warum faszinieren uns Superhelden so sehr? Was macht kostümierte Helden und Schurken für uns so faszinierend das wir daraus eine riesige Geldmaschine daraus gemacht haben? Die Frage ist für mich nicht nur wegen der Blogtour besonders präsent – Caninus und ich schauen uns gerade nach und nach durch das Marvel Cinematic Universe (Was unter anderem daran liegt das ich seid dem ersten Thor-Film keine Superheldenfilme mehr gesehen habe…), und da kommen natürlich immer wieder Diskussionen auf. Einerseits gehen diese Fragen natürlich in Richtung des Gesehenen, ob es Parallelen zu den Comics gibt, oder wie bestimmte Charaktere in anderen Inkarnationen sind, aber auch Fragen, welche sich auf die im Titel gestellte Frage runterreduzieren lassen: warum faszinieren uns Superhelden?
Comics haben natürlich nicht mit Superheldengeschichten begonnen, aber schaut man zurück zur Geburt des modernen Comics, so stößt man unweigerlich auf die kostümierten Helden, welche eine einfache Aufgabe erfüllten: Propaganda. Die meisten ursprünglichen Superhelden, wie Captain America, Superman, oder andere „Überlebende“ der ersten Welle waren Propagandawerkzeuge, um entweder die Kriegsmoral der USA hochzuhalten, oder um Kriegsanleihen zu verkaufen (Etwas, das meiner Meinung nach herrlich liebenswürdig in Captain America: The First Avenger auf die Schippe genommen wurde). Erst später begannen die Verlage so etwas wie einen Hintergrund für ihre Helden zu entwickeln, mit einer Vergangenheit, mit Freunden und Feinden, und nochmal später auch mit Verbindungen zu anderen Superhelden. Und mit diesen „Querverbindungen“ zu anderen Helden und Schurken, mit der Bildung eigener „Universen“ kommt der Schritt, welcher in meinen Augen mehr als jeder Andere dazu beiträgt zu erklären warum wir fast 80 Jahre nach der ersten Ausgabe von Action Comics immer noch Comics über Leute in Strampelanzügen lesen.
Eine Moderne Mythologie
Superhelden-Comics, vor allem die Geschichten aus dem Marvel-Universum (Mit dem ich mich zugegebenermaßen besser auskenne als mit DC…), werden gerne mit Seifenopern verglichen, endlosen Geschichten mit endlosen Verknüpfungen zuwischen einer endlosen Zahl an Charakteren. Und da ist durchaus was dran. Aber ich glaube, Superhelden sind aus einem anderen Grund populär geworden, und damit meine ich nicht irgendwelche Machtphantasien oder bloßen Eskapismus. Superhelden bieten uns etwas, das uns als Kultur abhanden gekommen ist. Wir leben in einer (mehr oder weniger) rationalen, säkularen Kultur, in der es keinen Platz mehr gibt für klassische, religös motivierte Mythologie gibt, aber wir scheinen irgendwo in uns drinnen ein Bedürfnis nach Geschichten zu haben. Und wenn ich sage „Geschichten“, dann meine ich große, überlebensgroße Geschichten von Leuten, welche wie wir sind, welche unsere Probleme haben oder nachvollziehen können, und dennoch stellenweise weit über uns stehen, zu denen wir aufblicken können. In diese Bresche springen unsere Superhelden. Superhelden sind das, was für unsere Vorfahren die Götter waren, oder die Sagenhelden, die Heiligen, und so weiter, und so fort.
Wir verfolgen die Abenteuer und Erlebnisse unserer Superhelden mit der selben Aufmerksamkeit mit der unsere Vorfahren den Geschichten der Heden und Götter verfolgt haben – nur das Medium hat sich geändert.
Nur Unterhaltung?
Aber was ist mit dem Vorwurf, Superhelden seien nur seichte Unterhaltung, reiner Eskapismus? Der Vorwurf basiert in der Regel auf Vorurteile, welche auf die herkunft der Comics basieren: Propagandamaterial, schlecht gezeichnete Bildergeschichten auf billigem Papier. Aber spätestens seid den Achtzigern haben Autoren wie Neil Gaiman (Sandman, Books of Magic) oder Alan Moore (The Killing Joke, Whatever Happened to the Man of Tomorrow?) gezeigt das man auch im Rahmen von Superheldencomics bedeutende Geschichten erzählen kann (Einer meiner Favoriten diesbezüglich ist übrigens Kingdom Come, 1996, von Mark Waid und Alex Ross). Und spätestens seid Iron Man, 2008, sind Superheldengeschichten so weit im Mainstream angekommen das es schwer geworden ist sich vorzustellen wie die Welt war als nicht jedes Jahr ein neuer Blockbuster von Marvel oder DC in die Kinos gekommen ist – auch wenn das moderne Superheldenkino ohne Tim Burtons Batman, 1989, Alex Proyas‘ The Crow, 1994, und Stephen Norringtons Blade, 1998, nicht möglich gewesen wäre. Also, ja. Superhelden sind „nur“ Unterhaltung. Das bedeutet aber nicht, das sie uns nicht etwas zu erzählen hätten.
Warum also Superhelden?
Superhelden sind Spiegel. Sie sind, wie wir gerne wären, mit Fähigkeiten die wir gerne hätten, mit der Bereitschaft auch dann das Richtige zu tun, wenn es Unangenehm oder Gefährlich wird – so wie wir es auch gerne tun würden. Aber gleichzeitig sind sie menschlich wie wir, und fehlbar und verwundbar, und eben doch nur… Menschen. Ähnlich wie es die griechischen, keltischen oder nordischen Götter waren sind auch unsere neuen Helden nur Menschen auf überlebensgroß gezeichnet. Deswegen lieben wir sie – weil sie wir sind, wenn wir nur könnten, wie wir wollten.
Hier die bisherigen Stationen der Blogtour:
- 15.12.: Kurzinterview mit Marion G. Harmon bei Neue Abenteuer
- 16.12.: Vorstellung der Sentinels bei Powerschnute
- 18.12.: Interview mit Kathrin von F&S bei Nerds gegen Stephan
Morgen geht es weiter bei Booknapping
Wie schon gesagt, zur Blogtour gibt es ein Gewinnspiel, welches von Feder & Schwert organisiert wird. Zu gewinnen gibt es:
Hauptgewinn: 1 Print-Exemplar von Karriere: Superheldin + Goodies (Button, Lesezeichen) + 1 Charakterzeichnung eines selbst ausgedachten Superhelden nach eigenen Vorgaben (von der Künstlerin Melanie Philippi/Phantagrafie)
2. + 3. Preis: je 1 Print-Exemplar von Karriere: Superheldin + Goodies (Button, Lesezeichen)
4. + 5. Preis: Jeweils ein E-Book von Karriere: Superheldin
Um am Gewinnspiel teilnehmen zu können müsst ihr nur einen Kommentar hier unter den Post setzen, um damit einen „Los“ zu bekommen. Die Teilnahmebedingungen sind wie folgend:
Teilnahmebedingungen:
Das Gewinnspiel startet am 14.12. mit dem ersten Blogpost und endet am 21.12. 23:59 Uhr.
Die Gewinner werden am 22.12. per Losverfahren bestimmt und bekanntgegeben. Je mehr Lose ein Teilnehmer gesammelt hat, desto mehr Gewinnchancen landen für ihn im Lostopf.
Alle Teilnehmer erklären sich damit einverstanden, im Falle eines Gewinns namentlich genannt zu werden.
Teilnahmeberechtigt sind alle, die nach den Vorgaben in den jeweiligen Blogbeiträgen kommentiert haben.
Die Gewinne werden, wenn entsprechende Adressangaben vorliegen, per Post oder E-Mail noch am 22.12. verschickt. Ausnahme ist die Charakterzeichnung, für welche der Gewinner innerhalb von drei Wochen eine Beschreibung einreicht, die von der Künstlerin anschließend umgesetzt und verschickt wird.
Persönliche Angaben wie Namen, E-Mail- und Postadressen der Teilnehmer werden von Feder & Schwert nicht gespeichert und ausschließlich dazu verwendet, die Gewinne zuzustellen.
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Danke Teddy für die tollen Beobachtungen, deine Ansicht deckt sich eigentlich genau mit meiner Sichtweise. Superhelden sind die griechischen Sagengestalten von Heute.
Schöner Text. Ich lese Superhelden Comics seit ca. 1975, viel hat sich seither getan. Umso mehr freue ich mich auf diese Romane, hier mischen sich Kindheitserinnerungen mit ROllenspiel und moderner Literatur. Toller Mix.
„weil sie wir sind, wenn wir nur könnten, wie wir wollten.“ genau das trifft es sehr gut. In vielen Varianten wird in den Geschichten auch immer wieder darauf eingegangen, wie jemand ohne (mit verlorenen) Kräfte trotzdem ein Held sein kann. Als Kind habe ich schon immer versucht meiner Mutter zu erklären, dass es gute Vorbilder sind. Denn eigentlich sagen Superhelden uns, tue Gutes.
„Superhelden sind das, was für unsere Vorfahren die Götter waren, oder die Sagenhelden, die Heiligen, und so weiter, und so fort.“
Das verfolge ich als Theorie schon länger und das stimmt (gerade im Hinblick auf die antike griechische und römische oder auch die keltische Sagenwelt; in gewisser Hinsicht auch die Artus-Sagenwelt) in noch weiteren Aspekten als nur dem hier genannten:
– Die antiken Sagen haben ein „Shared Universe“, ihre Protagonisten tauchen als Nebenfiguren auch in den Geschichten anderer Heroen auf und es gibt Team-Ups und gewissermaßen „Events“: Man könnte die Ilias so als eines der ersten richtig großen Crossover-Events bezeichnen („Neu, das aktuelle Heft mit TROJAN WAR-Tie In“).
– Die Helden und Götter haben einen gleichbleibenden „Wesenskern“, der sie ausmacht, aber daraüber hinaus ist ihr Aussehen, ihre genauen Fähigkeiten und „Superkräfte“ von dem genauen Autoren oder Überlieferungsstrang ab, ähnlich wie bei Superhelden von dem jeweiligen Zeichner/Autoren-Gespann.
– Die Kombination aus überlebensgroßen Helden, die überlebensgroße Taten vollbringen (und somit menschliche Machtträume befriedigen), aber gleichzeitig so menschlich sind, dass sie als Identifikationsfigur dienen und im Kern dann doch wieder ähnliche Grundprobleme verhandeln wie wir, wird ja schon im Artikel angesprochen und ist sicher eines der hervorstechendesten Merkmale.
– Die Selbstverständlichkeit mit der man sich (mittlerweile) darauf verlassen kann, dass fast jeder zumindest rudimentär weiß, wer Hulk, Batman, Spider Man oder Wolverine sind, war auch mal bei antiken Gestalten wie Herkules (lustigerweise ja auch im Comic), Achilles, Thor (huch, nochmal…) und Galahad so.
Hey!
Danke für diesen informativen, spannenden Beitrag und der Auseinandersetzung mit der Thematik. :)
„Also, ja. Superhelden sind „nur“ Unterhaltung. Das bedeutet aber nicht, das sie uns nicht etwas zu erzählen hätten.“ – genau das finde ich sehr passend. Und eigentlich spricht doch auch überhaupt nichts gegen reine Unterhaltung, finde ich. Ich freue mich, wenn die Kids „wenigstens“ Comics lesen. Das ist doch eine tolle Möglichkeit.
Den Ansatz, dass sie heldenhaft und zugleich menschlich wie wir sind finde ich wichtig. Sie sind nicht perfekt, alle besitzen irgendwelche Schwächen, Macken, Laster. Und das macht es umso greifbarer, sodass sie trotz Heldenhaftigkeit, Superkräfte und Co. zur Identifikationsfigur werden.
„Deswegen lieben wir sie – weil sie wir sind, wenn wir nur könnten, wie wir wollten.“ – super cool und treffend!
Liebe Grüße,
Nicci
Finds oft nur schade, dass die Superhelden, die nicht in die Mainstream-Sparte rutschen, so untergehn oder eben erst durch Serien berühmt werden. Dabei gibt es da so viele mit Potenzial!
Das mit der modernen Mythologie sehe ich genauso. Batman, Superman etc. ersetzen Herakles, Jason, Achilles usw. Sehr spannendes Thema!
Ich habe da mal irgendwo eine Magister- oder Doktorarbeit zu gefunden. Muss mal sehen, wo ich die hingetan habem