Gedanken zu Eisenbahnfahrten
Infernal Teddy über das Spielleiten
Wie die geneigten Leser dieses Blogs vermutlich längst mitbekommen haben bin ich in der Regel (Sprich: fast immer) Spielleiter. Ich leite ja gerne, man könnte fast sagen mein Hobby ist nicht Rollenspielen, sondern Spielleiten. Und weil ich nicht in der Lage bin abzuschalten und mal nicht über irgendwas zu grübeln mache ich mir natürlich auch Gedanken über das was ich da tue. Lasst uns also mal wieder das leidige Thema „Railroad vs. Sandbox“ angehen, ich bin mir sicher, da haben wir noch nicht genug dazu gehört, oder?
Eigentlich ist die Diskussion zu diesen beiden Spielstilen neben „Gesinnungen“ und „Haben Zwergenfrauen Bärte?“ einer der ältesten Themen über die sich im Hobby überhaupt gestritten wird. Auf der einen Seite hat man die Verfechter der „Ploteisenbahn“, bei der es eine vorgefertigte Geschichte gibt, entweder die sich der Spielleiter selbst ausgedacht hat oder welche in veröffentlichter Form vorliegt, und deren Liebhaber „die Geschichte“ erleben wollen, auf der anderen Seite sind die „Sandkastenspieler“, welche maximale Freiheit in ihren Entscheidungen haben möchten, und bei denen der Spielleiter sich rein auf die Simulation der Welt beschränken muss. Beide Seiten der Diskussion neigen oft dazu, die jeweils andere Position möglichst extrem darzustellen um sie negativ hervorzuheben. So werden die Anhänger der Sandbox nicht müde zu betonen, das bei der „Ploteisenbahn“, dem „railroading“, die Spieler nur sehr wenig Wahlmöglichkeiten haben, sondern sich das Abenteuer nur auf den engen, vom Spielleiter vorgegebenen Vorgaben bewegen kann, bis hin zu einer völligen Entmündigung der Spielerschaft, welche dazu verkommt, dem Spielleiter beim Erzählen seines Romans zuhören zu müssen. Die „Railroader“ dagegen halten ihren Kontrahenten entgegen, dass es bei einer Sandbox keine schlüssige Handlung geben kann, keine Erzählstruktur, sondern nur eine Aneinanderreihung von zufälligen Ereignisse, welche bestenfalls vage miteinander in Verbindung steht, und schlimmstenfalls eine sinnlose Aneinanderreihung von Zufallsbegegnungen ohne innere Logik darstellt.
Vor kurzem hatten Caninus und ich dazu auch eine kleine Diskussion, bei der mir aufgefallen ist das es vielleicht gerade diese festgefahrenen Begriffe und Definitionen sind, welche die Diskussion um Spielstile so erstarren lassen haben. Vielleicht ist der Fehler, dass wir alle mittlerweile sofort die Schotten dicht machen wenn die alten Kampfbegriffe ausgepackt werden um unsere jeweiligen Spielstile zu beschreiben. Vielleicht ist es Zeit, einen Schritt zurück zu machen, und zu schauen was sich denn wirklich hinter diesen begriffen verbirgt. Fangen wir mit „Railroading“ an, dem Begriff, der von beiden am deutlichsten negativ besetzt ist. Was meinen wir denn mit „Railroading“? In seiner extremsten Form ist eine Railroad, eine Ploteisenbahn, ein Abenteuer oder eine Kampagne bei der jegliche Entscheidung seitens der Spieler bereits im Vorfeld durch das geschriebene Abenteuer des Spielleiters zunichte gemacht wurde. Oft handelt es sich dabei um Fertigabenteuer, in denen die Spieler sich nur entlang der vorgegeben Handlung bewegen können, und bei denen es fast keine Ausweichmöglichkeiten oder Optionen gibt – und die wenigen Optionen die es gibt sind eigentlich keine. Das ist zumindest der schlimmst mögliche Fall. Der bestmögliche Fall ist ein Abenteuer, bei dem die Spieler eine spannende Geschichte miterleben dürfen.
Die andere Seite der Gleichung ist die Sandbox. In der extremsten Form ist die Sandbox natürlich eine völlig ziel- und fokuslose Ansammlung von Zufallsbegegnungen und auf Tabellen ausgewürfelten Locations, ohne inneren Zusammenhang oder Logik. In der optimalen Ausführung ist die Sandbox ein Abenteuer oder eine Kampagne bei der sämtliche Ziele und jegliche Handlung durch die Aktionen der Spieler festgelegt und bestimmt wird, so dass die Spieler größtmögliche Freiheit haben. Als Spielleiter neige ich persönlich eher zu dieser Spielweise.
Aber meiner Meinung nach sind die Begriffe eigentlich falsch.
Nein, nicht unbedingt falsch, aber vielleicht ist es Zeit, die alten Kampfbegriffe einzumotten. Wir verwenden die Begriffe, um die Spielstile unserer Gegenüber anzugreifen. Aber sie beschreiben die beiden dominanten Spielstile, die es in unserem Hobby gibt. Ich würde es gerne sehen, wenn wir dafür andere, weniger geladene Begriffe finden könnten. In meinen Augen ist der wichtigste Unterschied zwischen den beiden Stilen die Frage, von wem der Handlungsimpuls ausgeht, wer die Handlung und deren Richtung bestimmt. Wir müssten also Begriffe finden, um zwischen Spielerbestimmung und Spielleiterbestimmung zu unterscheiden. Nicht als Kampfbegriffe, sondern als einen Weg über diese Spielweisen sprechen zu können, ohne gleich wieder in die alten Kämpfe zu verfallen. Ich denke, ich werde in den nächsten Tagen meine Gedanken hierzu noch ein wenig ausführen.
Hmmm – Weltsimulation anstatt Sandbox? Oder besser noch Weltspiel? Gefällt mir. Ich traue mich nicht an Synonyme für das Andere, da wäre ich etwas voreingenommen.