Kampf um das Königreich & Die Stadt aus Gold
Fabled Lands - Die Legenden von Harkuna 1
Die Auswahl an guten Spielbüchern wird immer besser. Allein aus dem Hause des Mantikorverlages kann man mittlerweile zwischen mehreren großen Reihen wählen, vom Klassiker Einsamer Wolf, über die jugendfreundliche Welt der 1000 Abenteuer bis hin zu den preisgekrönten Spielbüchern von Swen Harder. Das zur Spiel 2016 neu erschienene Fabled Lands hebt sich zu aller erst durch seine Ambitioniertheit ab. Nicht das die anderen Bücher nicht auch ambitioniert sind, Fabled Lands hat sich aber nicht weniger vorgenommen als eine ganze frei begehbare Welt von nahezu unbegrenztem Spielspaß anzubieten. Angelegt auf 12 Bände mit je etwa 700 Abschnitten kann die Reihe dieses Versprechen zumindest quantitativ halten und das obwohl nur die ersten sechs davon jemals erschienen sind.
Klassenwahl
Auffällig ist bereits der Einstieg. Statt das uns ein Charakter vor die Füße gelegt wird mit dem wir vorlieb nehmen müssen ob wir wollen oder nicht, können wir frei aus sechs Berufen wählen. Wir erstellen also wirklich unseren eigenen Helden der sich durch sechs verschiedenen Fertigkeiten und seine Lebenskraft auszeichnet. Diese schnelle Charakterwahl hat deutlich mehr Einfluss als man zuerst denken mag, so werden die Klassen (pardon: Berufe) im weiteren Verlauf abgefragt und es ergeben sich unterschiedliche Taktiken und Optionen. Die Charakterwahl macht aber nur die erste Individualisierung aus. Natürlich werden wir in unseren Stufen aufsteigen uns Ausrüsten und unsere Entscheidungen den weiteren Verlauf bestimmen. Charakterausbau wird hier fast so groß geschrieben wie in Destiny Quest…
Unser Abenteuer
Im Gegensatz zu den meisten Spielbüchern nimmt Sagaland den Anspruch ein individuelles Spielerlebnis zu sein wirklich ernst. Sicherlich, am Ende wird jeder Spieler gewissen Knotenpunkte treffen, die schiere Auswahl ist jedoch fast unbegrenzt. Wir bereisen Harkuna ohne feste Aufgabe und können frei entscheiden wie lange und intensiv wir uns mit den jeweiligen Reichen auseinandersetzen. Statt uns linear voranzukämpfen sind die Abschnitte zirkulär verknüpft. Wir können also regelmäßig zurückkehren und sogar frei zwischen den Bänden wechseln. Die werden zwar spürbar schwerer, kleinere Abstecher können aber schon früh gewagt werden und sind für manchen Quests sogar erforderlich; ja genau, es gibt Quests die sich über mehrere Bände erstrecken!
Wie jedes Open-World-Spiel müssen wir aber natürlich mit kleinen Zielen gefüttert werden. So enthält jeder Band mindestens eine treibende Quest und zahlreiche kleinere Nebenquests. Um deren Entwicklungen zu verwalten und auch um die Redundanz zu verringern nutzt das Buch Codewörter und Ankreuzkästchen. So treten manche Ereignisse nur auf wenn wir das erste Mal einen Abschnitt lesen und es leiten uns bestimmte Orte zu Sonderereignissen wenn wir ein Codewort ankreuzen durften. Quests schalten also gewissermaßen individualisierte Abschnitte frei und die Welt entwickelt sich dynamisch. Außer Neben- und Hauptquests können wir uns außerdem selber Ziele setzen. So können wir Schiffe und Häuser erwerben und sogar ein kleines Handelsimperium aufbauen. Manche Quests belohnen uns sogar mit permanenten Vorteilen und neuen zuvor nicht betretbaren Bereichen der Welt. Kurzum, Harkuna nahm all das vorweg was wir im letzten Jahrzehnt von Open-World Computerspielen gewohnt sind.
Damit einher geht jedoch auch eine gewisse Umständlichkeit. Statt dem Computer die Buchhaltung anzuvertrauen müssen wir selber die Kästchen ankreuzen, unsere Ausrüstung verwalten und unser Gold nachhalten. Auch führen die Codewörter, Zufallsbegegnungen und Ankreuzkästchen zu manchen Umleitungsabschnitten die wir nur aufschlagen um weitergeleitet zu werden. Das kann manchmal etwas sperrig werden, ist aber kaum vermeidbar.
Die Welt
Den beiden Bänden habe ich mich an anderer Stelle schon einmal gesondert gewidmet (1 & 2). Harkuna ist ein recht klassischer Fantasykontinent, der Genreüblich viel mit Klischees arbeitet. Die Umsetzung ist jedoch äußerst gelungen. Es gibt wirklich an jedem Ort etwas zu erleben und man kann sich sogar seinen Spielstil etwas auswählen. Das Gefühl als einsamer Held durch eine Welt unendlicher Möglichkeiten zu reisen setzt wohl kein Spielbuch besser um als die Legenden von Harkuna. Und selbst die Plots können manchmal verblüffen. Sicherlich gibt es zahlreiche Lückenfüller und kurze Quests, gerade die Hauptquests weisen aber erstaunliche Wechsel auf und können überzeugen. Hier steckt wirklich Liebe in fast jedem Detail.
Neudruck
Genau genommen ist Fabled Lands keine Neuerscheinung. Das englische Original ist seit 1995 erschienen und es gab bereits 2011 eine Neuauflage bei Mantikore. Der vorliegende Band fasst letztlich die ersten beiden Bücher zusammen, so dass die gesamte Reihe vorerst auf 3 Doppelbände ausgelegt ist. Ein kleiner Wermutstropfen ist daher, dass sich kaum etwas geändert hat. Immerhin wurden die FAQ minimal erweitert und um eine Übersicht aller 12 Bände ergänzt (das lässt auf mehr hoffen). Zudem wurde ein wirklich praktisches Tagebuch eingefügt in dem man die Kästen der jeweiligen Abschnitte abhaken kann. Letzteres ist eine sehr angenehme Verbesserung und wird hoffentlich noch zeitnah als Download folgen, dennoch hätten weitere kleinere Umorganisationen das Buch deutlich aufgewertet. So wurden die Karten und Beispielscharaktere nicht neu sortiert und selbst die Regeln finden sich doppelt. Das tut der Spielbarkeit zwar keinen Abbruch aber ist etwas schade.
Wirklich beschweren kann man sich darüber jedoch nicht. Schließlich bekommt man dafür das doppelte Material zu einem unschlagbaren Preis. Auch das einheitliche Layout der drei Bände sollte einiges im Bücherregal her machen. Nimmt man die Tatsache hinzu, dass einige der alten Bände Out of Print sind und die Bände 3-4 und 5-6 ausschließlich in diesem Design erscheinen, sollten Neueinsteiger dringend zur neuen Auflage greifen. Wer die ersten Titel schon besitzt kann die Neuauflage jedoch umgehen denn bis auf den Buchrücken wird sich im Endeffekt nicht viel im Regal ändern.
Fazit
Fabled Lands ist ein solider Neudruck der Legenden von Harkuna. Wer Spielbücher mag und sich auf ein flexibles Abenteuer in einer frei begehbaren Welt einlassen will ist hier auf jeden Fall richtig. Es bleiben die kleinen Nachteile, wie der etwas zu hohe Verwaltungsaufwand und die fehlende leitende Handlung. Noch nie konnte man aber so günstig einen Blick wagen und gleich zwei Reiche auf mehr als 1.500 Abschnitten betreten. Für Spielbuchveteranen und Open-World Fans ist es allemal einen Blick wert. Für alle anderen gibt es andere Produkte, die dann vielleicht später einmal Lust auf Harkuna machen. Ein ambitionierters und freieres Spielbucherlebnis wird man nicht finden…
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