Auf Beutehatz
Destiny Quest 1 - Die Legion der Schatten
Destiny Quest macht schon auf den ersten Blick einiges her. Mit fast 1000 Abschnitten auf mehr als 650 Seiten ist es ein echter Hingucker im Bücherregal. Dafür, dass dieser Eindruck erhalten bleibt, sorgt neben dem tollen Cover-Artwork das schlichte aber schicke Layout und ein pathetisches zweiseitiges Einleitungsartwork. Dass das Buch ansonsten unillustriert ist, tut dem Buch keinen Abbruch. Wieso das nicht weiter auffällt, erklärt sich durch das hübsche Layout und äußerst gelungene Spielprinzip.
Auf Schatzjagd in und um Zehntburg herum
Die Welt in der Destiny Quest spielt ist schnell erklärt. Wir spielen einen Menschen (Krieger, Schurke, Magier) der durch eine Fantasywelt – hier das Königreich Valeron – streift. Unsere Geschichte ist ebenso unüberraschend wie die Welt. Wir leiden unter Gedächtnisschwund und finden ein seltsames magisches Tattoo an unserem Körper – also fast so wie in Feuer des Mondes oder dem Reiter der Schwarzen Sonne. Unsere Aufgabe ist aber diesmal zuerst nicht in eine epische Quest eingebettet. Vielmehr sollen wir uns frei als Söldner verdingen, mit dem losen Ziel einen Magierlehrmeister aufzusuchen. Die Welt die wir durchstreifen ist angenehm Klischeehaft. Statt uns auf zahlreiche neue märchenhafte Monster und Gestalten einzulassen, dürfen wir es mit Trollen, Riesen, Hexen und Hobgoblins aufnehmen. Auch sonst fühlt man sich als Fantasyfreund gleich heimisch. Es geht etwas peppiger zu als in vielen anderen Fantasywelten, was dem Spielbuchformat sehr gut tut und eine angenehme Abwechslung zu den oft düsteren Spielbuchwelten ist. Es macht nachgerade Spaß die verschiedenen Orte zu erkunden, auch wenn man vielleicht etwas an Tiefe vermissen kann. Wer sich auf leichtere Kost einstellen kann, sonnenbeschienene Weiden mag und auch mit ein bisschen Humor leben kann, dürfte sich im Königreich gut aufgehoben fühlen.
Das Erkunden macht ähnlich wie in Harkuna einen großen Teil des Spiels aus, geht aber deutlich kontrollierter vonstatten. Statt uns von Abschnitt zu Abschnitt vorzuarbeiten, dürfen wir flexibel über 3 Karten – je eine pro Akt – direkt in Questen springen und verlieren so nie die Kontrolle über unser Abenteuer. Dadurch geht zwar etwas Immersion verloren, doch dafür spielt es sich deutlich komfortabel und konnten nervige Umleitungsabschnitte weitestgehend vermieden werden.
Worum aber geht es genau? Wir sind ein Held im klassischen Sinne, der Quests löst und dies meist mit Waffengewalt. Als Belohnung erhalten wir Geld und Ausrüstung, wobei letztere sehr Differenziert ist. Bis zu Kopfbedeckung, Stiefeln und Ring, dürfen wir uns gezielt einkleiden, wobei alle Kleidungsstücke Boni auf unsere 5 Werte (alle Kampfrelevatn: Flinkheit, Kraft, Magie, Rüstung und Leben) geben. Um trotzdem eine breite Spannweite zu erzielen, kommen viele der Gegenstände mit (ebenfalls kampfrelevanten) Sondereffekten daher. Unsere Waffen können Säureschaden verursachen, Rückschlageffekte auslösen, den Gegner einspinnen und vieles mehr. Die Beschreibung der ca. 150(!) Sondereffekte ist in einem praktischen Glossar festgehalten und ermöglicht die Darstellung von Gegenständen durch wenige Zahlen und Schlagworte. Was etwas wahnsinnig klingen mag, entfaltet seinen Reiz sehr schnell. Dadurch, dass die Gegenstände nicht bloß Zahlenwerte verändern, muss man sich gut zwischen Effekten entscheiden und ist versucht die Gegenstände direkt austesten zu wollen. Die Sammelleidenschaft wird mehr als erfolgreich angesprochen und belohnt.
Die Quests
Das vorliegende erste Buch enthält etwa 50 Quests in drei Akten, die sich etwas mit modernen Action- oder MMO Rollenspielen erklären lassen. Wir können im vorhinein erkennen ob es sich um leichte, normale, schwere oder sehr schwere Quests handelt und finden daneben noch besondere Monsterquests und je einen Endgegner. Verbunden ist das alles durch eine lose Rahmenquest, die zwischen den Akten zum tragen kommt. Schaffen wir eine Quest nicht dürfen wir problemlos wieder hin springen (sogar in den gescheiterten Abschnitt) und es nochmal versuchen. Dadurch fühlt sich Destiny Quest durchaus lockerer an als andere Vertreter der Zunft, das Spiel kann trotzdem seine schweren Momente haben.
Die Quests selber variieren deutlich im Umfang. Insgesamt sind die meisten durch eine Reihe kleinerer Kämpfe zu bewältigen. Komplex vernetzte Abschnittsfolgen gibt es (leider) nur selten. Dies wird aber durch einen gelungenen Schreibstil kompensiert. Die Quests sind alle schön beschrieben und mit netten Nebeninformationen und manchmal etwas Humor gefüllt. Obwohl die Quests auch untereinander kaum vernetzt sind (es gibt kaum Schlagworte und die einzelnen Quests „erinnern“ sich daher fast nicht aneinander) entsteht das Gefühl einer lebendigen Welt. So wird immer wieder auf große Ereignisse verwiesen, die so wiederkehren und eine Bewältigung eines so übergreifenden Problems spannender machen. Der Wirt erzählt uns von den nervigen Monstern der Monsterquests, verschiedene bauern beschweren sich über einen Hitzefluch etc. Das führt dazu, dass die einzelnen Quests in eine lebendig wirkende Welt eingebettet wirken.
Das (Kampf)system
Kämpfe sind in Destiny Quest zentraler als in anderen Spielbuchreihen. Während man in anderen Büchern die Kämpfe relativ problemlos überspringen kann, wenn man bloß die Handlung haben möchte, geht einem in Destiny Quest fast alles verloren wenn man über das Kämpfen und Sammeln hinweggehen will. Dementsprechend ist auch das Probensystem etwas dominanter als in anderen Spielbuchwelten.
Das Grundprinzip ist in Destiny Quest immer gleich. Es werden zwei sechsseitige Würfel geworfen, ein Attributswert addiert und mit einer Schwierigkeit verglichen. Durch die Normalverteilung macht sich auch ein schwacher Bonus oder Malus bemerkbar, wirklich ausgefallen fühlt sich das System dadurch aber selbstverständlich nicht an. Auch das Kampfsystem folgt diesem Prinzip und wirkt auf den ersten Blick etwas umständlich. Sowohl der Spieler als auch der Gegner würfeln 2W6 und addieren ihre Flinkheit. Der Gewinner fügt einen W6 Schaden zu, wozu Kraft oder Magie addiert und Rüstung abgezogen werden. Die Differenz wird vom Leben abgezogen und der Kampf geht weiter bis einer Tod ist oder bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Dynamik kommt durch die zahlreichen Fähigkeiten von Spielern und Monstern hinzu. So dürfen wir teilweise neu würfeln, fügen auch Schaden zu wenn wir getroffen werden oder jede 1 hat einen besonderen Effekt. Die Sondereffekte der Spieler funktionieren recht gut, für Gegnereffekte muss manchmal ein zusätzlicher W6 zu Rundenbeginn gewürfelt werden, was die Phasen etwas in die Länge zieht.
Tatsächlich ist das Kampfsystem etwas vergeudetes Potential. Die mindestens drei Würfe je Kampfrunde ermöglichen zwar verschiedene Effekte, können aber in einen Würfel- und Schreibmarathon ausarten. Die Reduktion auf einen Trefferwurf hätte das Spiel sicher beschleunigt und ein innovativer Kampfmechanismus das Buch deutlich aufgewertet. Gerade weil einige Kämpfe recht eindeutig aussehen und man prinzipiell jeden Kampf jederzeit neu starten kann, kommt schnell das Bedürfnis auf, manche Kämpfe zu überspringen. Trotz solcher Kritik funktioniert das System durchaus solide. Wer kein Problem damit hat viel zu würfeln und auch die Gegner zu würfeln sollte kein Problem mit dem System haben, wer so etwas nicht mag kann mit etwas Fingerspitzengefühl nachhelfen, z.B. indem die Gegnerverteidigungen einfach um eine feste 7 erhöht werden statt zu würfeln oder kleinere Kämpfe übersprungen werden.
Fazit
Die bereits gezogene Parallele zu PC-Spielen, beschreibt den Geist von Destiny Quest meines Erachtens am besten. Durch das schnelle teleportieren, die zahllosen Belohnungen und die Regel das man nach jedem Kampf wieder vollständig geheilt wird, kommt etwas das Gefühl von Instant-Erfolgen auf. Das muss jedoch kein Nachteil sein. Ich finde den Speicher-Kompromiss des Reiters der Schwarzen Sonne besser, die Teleportmöglichkeiten und das Heilen sind aber allemal näher an der Spielrealität als die Aufforderung bei jedem Tod von vorne zu beginnen. Auch die zahllosen effektvollen Gegenstände und die klare Reisestruktur tun dem Buch sehr gut. Kann man mit einem offenen Questprinzip und dem Fokus auf Kampf und Belohnung etwas anfangen ist Destiny Quest ein perfektes Spielbuch. Was es machen möchte, setzt es gut um und die Regelimplementierung und Questbeschreibungen sind gut umgesetzt. Auch die Möglichkeit „mal zwischendurch“ ein bisschen zu „Leveln“ schafft kein Spielbuch so gut wie Destiny Quest. Es ist mehr als angenehm, dass einige Spielbuchkonventionen abgelegt wurden und ist allein durch den riesigen Umfang sein Geld allemal wert. Wer Spielbücher mag oder einen Blick wagen will ohne gleich in eine epische Spielbuchreihe einzusteigen sollte dringend einsteigen. Neben dem Reiter der Schwarzen Sonne gibt es gerade meines Erachtens keine bessere Wahl.
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