Das Leben eines Gezeichneten – Teil 124
Rausch der Ewigkeit - Finale
22 Ingerimm
So richtig gerne willkommen hießen sie mich nicht auf der anderen Seite. Gut, eigentlich trauten sie mir nicht wirklich über den Weg, hatten aber auch offensichtlich nicht den Mut mir das ins Gesicht zu sagen. So durfte ich zwar bleiben, aber auch mehr widerwillig und eigentlich auch nur außerhalb von allem auf einer Wiese sitzend.
Eigentlich unterschieden sich die beiden Seiten gar nicht so sehr von einander. Auch hier gab es die üblichen Pöbeleien und Kleinkriege zwischen den Lagern, nur dass hier niemand irgendwelchen absolut unpassenden “das darfst du aber doch nicht tun„ Schwachsinn von sich gab, wenn es mal etwas rauer wurde.
Solange die Söldner effizient ihre Arbeit leisten, durften sie machen was sie wollten.
Näher an die komischen Dinger, die wir vom Hügel aus gesehen hatten, kam ich allerdings auch nicht heran. Sie blieben also weiterhin ein Rätsel.
Immerhin konnte ich erfahren, dass man sich mehr oder weniger darauf geeinigt hatte am nächsten Tag die Sache hier zu entscheiden, und wenn ich mir das so ansah, dann hatte diese Seite hier deutlich bessere Chancen als der Haufen auf der anderen Seite der Mauer.
Ich legte mich also hin, nicht um zu schlafen, sondern um etwas Ruhe zu bekommen, bevor es dann los gehen würde. Ich war gespannt darauf, was mich erwarten würde und ob sich mein Schicksal jetzt auf der anderen Seite dennoch erfüllen würde.
23 Ingerimm
Beide Seiten hatten Aufstellung genommen und es lag ein angenehmes Knistern in der Luft. Voll Vorfreude was wohl passieren mochte, blickte ich hinüber zum noch immer von Blitzen umzuckten Hügel, konnte aber weiterhin nichts erkennen. Unsinnig hier einfach herumzustehen. In der Ferne konnte ich sehen, wie die andere Seite versuchte die Mauer zu erstürmen und in der linken Hälfte an Boden gewann. Einige Magier hier im Hauptlager waren dabei Tonkrüge mit Zaubern zu versehen, die Karakilim über den Gegnern abwerfen sollten. Gegnern… hmm.
Ich setzte mich links des Hügels auf einen kleinen Rest Gras, dass nicht dem allgemeinen Schwund allen natürlichen Lebens hatte weichen wollen und besah mir wie einige größere Gestalten ein Loch in die Mauer rissen und Reiter, gefolgt von Fußvolk auf diese Seite drangen. Fasst meinte ich Leowulf dort zu erkennen, wie er sich in Richtung der großen Festung auf vier Beinen aufmachte. Aber sie waren alle so winzig, kaum größer als mein Fingernagel und wohl auch von vergleichbarem Wert inzwischen. Seufzend erhob ich mich und trat den Weg in Richtung Hügel an, an dem sich alles entscheiden würde.
Wie ein unsichtbarer Wind konnte ich schon vorher die pure Magie verspüren die er verströmte.
Ich kann nicht in Worte fassen welche Macht sich entlud und über die gesamte Schlacht hinweg tobte, als er inmitten der Blitze auf dem Hügel erschien – aber doch zeitgleich auf dem gesamten Schlachtfeld anwesend war. Er warf mir einen unergründlichen Blick zu, so nah, als würde er vor mir stehen, aber dennoch konnte ich seine Gestalt auf dem Hügel kaum ausmachen.
Es schien sich etwas Fragendes in den Blick zu stehlen, und ich antwortete fast ohne eigenen Willen, dass ich meine Rolle spielen muss, und er antwortete mit zugleich grollend und sanfter Stimme in die sich fast, nur beinahe etwas wie Traurigkeit gestohlen hatte, er auch, bevor er den Blick wieder der Schlacht zu wand.
Ich eilte mich nun den Hügel zu erreichen. Wer kann schon wissen wann jene Stunde schlagen wird, die diese Welt beenden und daraus eine neue erschaffen würde und ob dieses überhaupt passieren würde, ich wollte es um keinen Preis der Welt – und ich hatte schon mehr bezahlt als es mir gegeben war – verpassen.
Die kleine Gestalt weiterhin im Mittelpunkt meiner Wahrnehmung, einen Fuß vor den anderen setzend, bewegte ich mich weiter auf den Hügel zu und konnte doch nicht jenen Zeitpunkt fest machen an dem es begann größer zu werden. Schon gar nicht was es war. Zumindest zu Anfang. Ein helles Gleißen, wie einer Sonne gleich, die sich von dort her auf mich zu bewegte und mich für einen Moment inne halten ließ. Bis ich dann sah, dass ich nicht der einzige war, den dies betraf. Weitere Strahlen – denn das waren sie – reichten vom Hügel in Richtung Schlachtfeld, erleuchteten einzelne Gestalten, zu klein um zu sehen wen, aber dennoch mit einer Intensität, die nur eines Verheißen konnte: Er oder die Krone reagierte auf uns, die wir von wem auch immer Auserkoren waren sich ihm zu stellen.
Und sie kamen näher. Zumindest zwei von ihnen, die nur Leowulf und Darken sein konnten. Die anderen beiden hielten sich noch weit hinter der Mauer auf und bewegten sich nicht für mich ersichtlich.
Weiter in Richtung Hügel. Es schien Ewigkeiten zu dauern.
Dann etwa 50 Schritt entfernt, so dass ich alle Einzelheiten schon weitaus besser erkennen konnte, waren auch die anderen auf gleicher Höhe angelangt. Darken sah alles andere als erfreut aus mich zu sehen und ich hatte auch keinerlei Veranlassung dazu mich selbst zu freuen. Sein Schwert gezogen kam er in meine Richtung, offensichtlich von nur einem Wunsch beseelt – mich hier und jetzt zu erschlagen.
Aber ich hatte da noch etwas in der Hinterhand. Gefunden in den Gärten von Warunk und von mir persönlich präpariert in meiner Zeit als Iribaan Van – die Leiche von Raidri Conchobair. Und die schickte ich nun gegen Darken, gespannt darauf wer am Ende obsiegen würde. Die göttliche Waffe, oder die dämonische. Leowulfs Gesicht verzog sich, als er Raidri erkannte, aber seine armseligen Überzeugungen ließen es nicht zu, dass er sich mit Darken gemeinsam dem Feind stellte, und so musste er hilflos mit ansehen, wie Darken einen Schlag nach dem anderen einsteckte und selber nicht zum Zuge kam. So schnell es begonnen hatte, war der Kampf auch vorbei. Entschieden zu meinen Gunsten. Darken lag blutüberströmt am Boden, Raidri über ihm aufragend wie eine Sturmwolke und brach auf meinen Befehl hin ebenfalls zusammen. Ich blickte in Leowulfs Richtung, der mich ungläubig ansah, nicht begreifend, was ich bereit war zu tun um das zu bekommen was ich wollte.
Bevor er oder ich ein Wort sagen konnten, erstrahlte Siebenstreich plötzlich in hellem Glanz. Fasziniert von der Erscheinung trat ich einen Schritt näher heran, wohl wissend, dass eine Berührung mit dem Schwert ausreichen würde mich aus dieser Sphäre zu verbannen. Aus dem hellen Licht formte sich eine Gestalt zusammen, die – zwar durchscheinend – aber dennoch aussah wie Darken. Und ich Begriff, dass ich bloß Mittel zum Zweck gewesen war. Derjenige, der Siebenstreich wirklich in jene Hände gelegt hatte, in die es gehörte.
Aller Groll war aus Darkens Miene gewichen und es zog ihn, wie auch Leowulf und mich, die letzten Schritt bis zu ihm gemeinsam zurück zu legen. Und dann prallten wir vor eine Art Wand. Damit hatte ich weniger gerechnet. Ich tastete den Schild ab, aber es schien kein Durchkommen zu geben. Wütend darüber hieb ich gegen die unsichtbare Mauer. So nah am Ziel und fast weiter weg als zuvor. Auch Darken und Leowulf warfen sich mit Waffengewalt gegen die Mauer und plötzlich drang meine Hand hindurch, wie durch einen Wasserfall, ja zog mich fast hinein.
Unversehrt fand ich mich im Inneren der Kuppel wieder, mein Innerstes erfüllt von Wüten und Heulen und gleichzeitig von unerschütterlichem Wissen, dass dies die letzten Augenblicke meines Lebens waren. Er sah irritiert, ja fast ängstlich aus, als ich ihn mit festem Blick fixierte und jene Mauern ein riss, die den Wolf so lange zurückgehalten hatten. Geleitet durch das Auge rissen sich die Splitter aus meiner Haut und ließen mich tot zu Boden fallen.
Epilog
Ich stand neben mir – nicht sprichwörtlich, sondern real. Die in endlosen Schmerzen verkrümmte Gestalt meiner selbst, lag von Blut beschmiert auf dem kahlen Stein des Hügels. Nicht weit von mir entfernt lag er, nieder gestreckt von einer Waffe, Jahrtausende alt und verzerrt von einem fast noch älteren Hass. Neben mir stand jener für den ich so lange gearbeitete hatte. Es war noch nicht zu ende. Ich konnte es spüren, bevor mir der Junge dies sagte. Ich trat hinüber zu seiner Gestalt, ergriff die siebengezackte Krone und zerriss sie in einzelne Teile, bevor ich mich umdrehte und mit dem Jungen zusammen im Nichts verschwand.
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