Der Schatten des Wolfs

Einsamer Wolf Band 19

Stolz und nichtsahnend kehrt der Einsame Wolf von seinem Kräftezehrenden letzten Abenteuer nach Anskaven zurück. Doch statt als Held empfangen zu werden, wird uns nur mit Misstrauen und Verachtung begegnet. Schon im Prolog wird auch der Grund für dieses seltsame Reaktion deutlich. In der Zwischenzeit hat ein Doppelgänger in unseren Namen sein Unwesen gewirkt und Bevölkerung und Mitstreiter bedroht und getötet. Was nun folgt ist allerdings kein Versteckspiel vor der Bevölkerung, sondern ein spannendes Katz- und Mausspiel. Wir können recht schnell deutlich machen, dass wir der wahre Einsame Wolf sind und machen uns auf die Jagd nach unserem Schatten. Auf den Fährten unseres Widersachers führt es uns durch Verliese und sogar in eine fremde Welt, bevor wir schließlich auf unseren Antagonisten treffen – und auf noch viel mehr!

Durchs Labyrinth

„Der Schatten des Wolfs“ ist geprägt von der Jagd auf unser Ebenbild. Unser überaus gerissener Gegner nutzt dabei Fallen und verschiedene Gegner und zieht uns in unbekannte Gebiete. Auch wenn die soziale Interaktion etwas auf der Strecke bleibt wird der Handlungsverlauf durch zahlreiche Zwischenereignisse nicht eintönig. Manchmal verliert man durch die wenig planbaren Wegentscheidungen (häufig sind es zwei bis drei verschiedene Wege ohne Anhaltspunkte welcher richtiger sein könnte) etwas den Überblick, die Abschnitte sind aber so gestaltet, dass die Wege wieder sinnvoll zueinander führen und man vorher unterschiedliche Erfahrungen hatte und kleine Vorteile sammeln konnte. Auch wenn man oft zufällig entscheiden muss, vermag die Abschnittführung zu überzeugen. Es gibt keine unerwarteten unausweichlichen Tode, fast allen Konsequenzen kann man auf verschiedene Weisen begegnen und unsere zahlreichen Fähigkeiten werden sinnvoll genutzt. Dabei hat man kaum das Gefühl in eine Richtung gezwängt zu werden und auch wenn die ganz großen Entscheidungen fehlen, sind zumindest die Lösungswege individuell.
Wie gewohnt gehört eine gehörige Portion an Kämpfen zum Abenteuer. Die fühlen sich aber nicht nach bloßen Lückenfüllern an und sind abwechslungsreich gestaltet. Größere Kämpfe werden über mehrere Abschnitte und mit sinnigen Sonderregeln durchgeführt und die Zwischenkämpfe können entweder vermieden werden oder haben einzelne Regeleffekte die den Kampf etwas anders gestalten.
Überzeugen können auch die Rätsel. So gibt es ein relativ simples Zahlenreihenrätsel und zwei ganz neue Zahlencodes, die sich auf die Karte von Magnamund und die Regeln beziehen. Hier erhalten wir Hinweise die z.B. nach der Zahl von Inseln oder Städten auf bestimmten Routen und Ausdauerkosten von Zaubern fragen. Das ist zwar intrinsisch nicht ganz plausibel aber ein kreativer Ansatz der uns nebenbei dazu bringt uns mit der – neu aufbereiteten – Karte zu beschäftigen.
Die umfangreiche Verfolgungsjagd (der Umfang sind etwa 300 Seiten für die 350 Abschnitte) ist üppig und gelungen illustriert und überdies episch inszeniert ohne dabei albern zu wirken. Immer wieder hat man das Gefühl den Gegner fast erwischt zu haben, gerade dem Tod entronnen zu sein oder in letzter Sekunde ein Tor erreicht zu haben. An Dramaturgie und Regelanwendung kann sich so manches Spielbuch ein Vorbild nehmen!

Düstere Pfade

Auch das Zusatzabenteuer kann die hohe Qualität der Hauptstory halten. „Düstere Pfade“ ist der dritte Teil des in Band 14 und 16 begonnen Abenteuers von „Düster“. Dieser erwacht in einem Kerker und stellt kurz darauf fest dass er sich in der Kai-Abtei befindet. Nachdem wir recht ausführlich über die Lage informiert wurden werden wir gebeten einen Auftrag zu übernehmen und dafür passend ausgerüstet. Das Abenteuer ist auf den ersten Blick etwas gradliniger als der Hauptteil, hat dafür an entscheidenden Stellen aber verschiedene Optionen die sich merklich auswirken. Überhaupt ist die Abschnittführung äußerst gelungen. So werden unsere Fertigkeiten konsequent genutzt und auch eine Waffe mit ausgefallenen Regeln ist dabei. Die Handlung fügt sich zwanglos in das Magnamunduniversum ein und ist entdeckungsreich. Auch Düsters Schicksal wird eine Rolle spielen und das Ende lässt einen gespannt auf das nächste Abenteuer zurück. Obwohl es nur eine Zusatzabenteuerreihe ist, so stellt das Abenteuer für sich betrachtet schon manche eigenständige Reihe in den Schatten. Die Grundidee ist gut, die Abschnittführung modern und die Regeln haben genau den richtigen Umfang für das Abenteuer. Dass es dann auch noch tiefer in die Welt des Einsamen Wolfes einführt ist dann fast nur noch ein zusätzlicher Bonus.

Fazit

Auch nach fast 20 Bänden gehen dem Einsamen Wolf die Ideen nicht aus. Sicher, einige Motive kehren immer wieder und die fremde Welt kann etwas zu viel für manche Geschmäcker sein, in Punkto Wegführung und Regelanwendung hat sich die Reihe aber auf höchstem Niveau gehalten und sogar noch verbessert. Man merkt der Reihe mehr Erfahrung als Müdigkeit an und auch die Handlung hat einen überzeugenden Aufhänger und hält einige Überraschungen parat. Besonders gelungen ist dabei das Gefühl ein echter Held zu sein. Der permanente Machtzugewinn der mit vielen Rollenspielen einher geht wurde hier gelungen mit dem Hintergrund verknüpft und bewusst angewendet. Der Einsame Wolf ist eben ein auserwählter Held und hat sich dies mit seiner Odyssee auch allemal erarbeitet.
Der Einsame Wolf stellt die momentan umfangreichste und – meines Erachtens – handwerklich solideste Spielbuchreihe auf dem deutschsprachigen Markt dar und ist daher allemal einen Blick wert. Allerdings ist der Umfang zugleich die größte Crux. Auch wenn die Bände einzeln spielbar sind sollte man mindestens mit Band 13 beginnen um die Faszination der Reihe wirklich genießen zu können.

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