Dragon Kings
Eine Setting-Rezension von Infernal Teddy
Auf der RPC 2015 habe ich Timothy Brown die Hand geschüttelt. Ich bin kein Fanboy oder so, aber ich habe die Gelegenheit genutzt, ihm für seine Arbeit an Dark Sun zu danken, einer meiner Lieblingssettings für AD&D. Leider habe ich nicht viel innerhalb des Settings spielen können – den meisten Leuten mit denen ich gespielt habe war das Setting zu abgedreht, aber es war gerade dieses abgedrehte das ich geliebt und geschätzt habe. Warum ich das hier erwähne? Weil wir heute über Dragon Kings reden, das neue Setting welches über Kickstarter finanziert wurde, und jetzt von Ulisses übersetzt wurde. In der ursprünglichen Fassung wurde Dragon Kings systemfrei angeboten, aber Ulisses hat in der deutschen Fassung direkt die Regeln um das Buch mit Pathfinder zu nutzen integriert. Ob das eine gute Idee war, und ob das Setting seinem Anspruch gerecht wird, der spirituelle Nachfolger von Dark Sun zu sein, das werden wir versuchen nachfolgend zu klären. Schauen wir also, was uns Dragon Kings anzubieten hat.
Das PDF, welches uns freundlicherweise von Ulisses Spiele zur Verfügung gestellt wurde, ist 38,4 MB groß, und 196 Seiten lang. Das Buch ist komplett in Farbe, und das Layout ist angenehm fürs Auge, und trägt mit seinen Hintergründen durchaus dazu bei, die gewünschte Stimmung des Settings zu portieren. Das großartige Cover wurde von Gerald Brom kreiert, welcher bereits bei Dark Sun die Optik des Settings entscheidend mitprägte. Das Cover ähnelt auch dem Cover des Dark Sun-Quellenbuches Dragon Kings, und soll auf diese Weise auch entsprechend Erinnerungen bei den Fans der postapokalyptsichen Fantasywelt erwecken. Auch die übrigen Illustrationen, unter anderem von Tom Baxa, ebenfalls eine Ikone des alten Settings, sind entsprechend hochwertig – optisch weiß Dragon Kings also zu gefallen. Und wie sieht es mit den inneren Werten aus?
Nach dem umfangreichen Inhaltsverzeichnis geht es direkt los mit dem ersten Kapitel – eine Einleitung sucht man hier vergeblich. Wir bekommen im – sehr kurzen – ersten Kapitel einen groben Überblick über die Geschichte der Welt Khitus, das Setting welches Dragon Kings beschreibt, und damit auch darüber, wer die Drachenkönige sind. Diese uralten und mächtigen Wesen, von denen heute keiner mehr sagen kann, was sie waren, bevor sie die Gestalt von Drachen annahmen, aber sie machten sich zu den Hütern und Verwaltern der Welt, und führten die Zivilisationen von Khitus zu ungeahnten Höhen. Man ließ die Götter hinter sich, da man nicht mehr glaubte, die Götter zu benötigen, und erschuf große Wunder. Doch nach und nach verschwanden die Drachenkönige, und die Völker der Welt mussten lernen, ohne ihre Lehrmeister auszukommen. Zivilisationen zerbrachen, zerfall breitete sich aus, und die Welt wurde zu einem schlechteren Ort. Es ist, als würde die Welt ohne die Drachenkönige zerfallen – neue Drachenkönige müssen also her. Vielleicht sogar die Spielercharaktere? Das zweite kapitel stellt uns einige der wichtigsten Machtgruppen von Khitus vor, unterteilt nach ihren verschiedenen Agenden. So bekommen wir Informationen über Gruppe, welche sich mit Geld und Finanzen beschäftigen, Religionen, magische Gruppen, und so weiter. Zu jeder Agenda erhalten wir eine Reihe von Organisationen, und jeder Organisation erhalten wir genügend Informationen um sie im Spiel zu verwenden, zum Teil mit typischen Mitgliedern, Gerüchten und ähnlichem Material. Abgerundet wird dieser Abschnitt durch eine Übersicht über die jüngsten Gruppierungen, welche eine Bedrohung des Gleichgewichts dieser Welt darstellen.
Im dritten Kapitel werden uns dann zunächst die Völker und Kulturen Khitus‘ vorgestellt, die vorgesehenen Spielerrassen. Neben verschiedenen Menschenvölkern finden wir hier auch Echsenartige, Elfanten-Zentauren, und – wohl als Hommage an meine geliebten Thri-Kreen – auch ein Volk von Insektenartigen. Von den Illustrationen her sehen die Krikis eher aus wie Käfer, weniger wie Ameisen, aber ich nehme was ich bekommen kann… Die Rassen werden zunächst vorgestellt mit Hintergrund, Beschreibungen des Aussehens und der Kultur, Gerüchten über die Beschriebenen, ihre Sozialstrukturen – und dann auch ihre Pathfinder-Werte. Die Anpassungen des Settings auf Pathfinder finden sich überall im Buch an passender Stelle eingepflegt, aber darauf kommen wir später noch zu sprechen. Auf jeden Fall erfährt man hier sehr viel auch über Khitus, ohne das man in erschöpfenden Details erschlagen wird, es zeichnet sich ein deutliches und für Spieler und Spielleiter brauchbares Bild der Welt ab. Die Zivilisation von Khitus spielt sich aber stark in den Städten ab, womit sich das vierte kapitel beschäftigt. Hier finden sich viele der wichtigsten Siedlungen von Khitus beschrieben, wenn auch nicht unbedingt in erschöpfenden Details – sollte also Tim Brown und bzw. oder Ulisses aus Dragon Kings eine fortlaufende Reihe machen wollen, Regionalbänder zu den einzelnen Städten würden sehr wahrscheinlich gut laufen. Das Kapitel endet mit einer Karte der in diesem Buch beschriebenen Region von Khitus, die den Eindruck erweckt, keine genaue karte sein zu wollen, sondern mehr einen Eindruck oder eine Stimmung der jeweiligen Regionen vermitteln zu wollen. Die Aufteilung der Region erinnert auch wieder an der ursprünglichen Karte von Dark Sun, mit Grünen Wäldern hinter Bergen im Nordwesten, und zunehmdende Wüste im Südosten (Übertreiben gesagt).
Wie man von Stadt zu Stadt reist, und welche natürlichen gefahren einem unterwegs dorthin begegnen können ist das Thema des fünften Kapitels – schließlich ist Khitus nicht einfach eine Wüstenwelt, sondern eine Welt in der die ganze Ökologie zusammenbricht, was sich auch auf die Gefahren überträgt. Flora und Fauna sind hier ebenso Thema wie Salzpfannen und Dünen. Hier findet sich auch eine Erklärung dafür, warum hier Eisen so selten ist wie seinerzeit auf Athas – es gibt hier ein magisches „Virus“, welches Eisen und Stahl zerfrisst, bis auf eine seltene und kaum herstellbare Legierung, dem Schwarzstahl. Auch Karawanen werden hier kurz beleuchtet, ebenso interessante Locations die von Wanderern angelaufen werden können, rästelhafte Orte die sich keiner erklären kann. Gefahren anderer Art präsentieren sich dann in den beiden darauf folgenden Kapitel, in den wir zum einen einige Wesenheiten vorgestellt bekommen, welche vielleicht, vielleicht aber auch nicht, zurückgebliebene Drachenkönige sind, welche sich vom bisherigen Pfad gelöst haben, und sich jetzt eher als allmächtige Tyrannen präsentieren; zum anderen erhalten wir hier ein relativ umfangreiches Bestarium mit zum Teil sehr seltsamen Crittern, welche die zerfallende Welt von Khitus bevölkern – auch hier wieder mit Pathfinder-Werten versehen.
Bei einer Fantasywelt darf die Magie eigentlich nicht fehlen, und das ist auch bei Khitus der Fall. Dragon Kings stellt die Magie der Welt als etwas lebendes da, welches eine Art Bewusstsein hat – mit der Folge das es jedes Mal, wenn jemand zaubert, es auch eine Chance gibt das es zum Zauberzorn kommt, und zwar um so heftiger, je mächtiger die Magie war. Das können kleine Heimsuchungen sein, die nur den Zaubernden selbst betreffen, oder gar Katastrophen, welche eine ganze Region heimsuchen. Ein geübter und gewiefter Magier kann den Zauberzorn vielleicht gegen einen Rivalen verwenden, aber dennoch ist die Magie auf Khitus keine ungefährliche Profession. Es wird auch noch auf göttliche Magie eingegangen, und als interessantes Konzept die harmonische Musik beschrieben, Magie welche auf Musik basiert. Auch die Götter von Khitus werden – kurz – beleuchtet. Die verschiedenen Götter hatten die Welt aufgegeben, nachdem die Drachenkönige die Menschen davon überzeugt hatten, das sie die Götter nicht bräuchten, doch jetzt kehren eben diese Götter langsam wieder nach Khitus zurück. Jeder der Götter wird kurz angerissen, zusammen mit einer ebenso kurzen Beschreibung ihrer Priester. Es ist nicht viel was wir hier an Informationen erhalten, und die neun Götter wirken eher wie Totems oder Stammesgeister, vielleicht wie Archetypen, und weniger wie klassische Rollenspielgötter. Interessanter ist da der Textkasten der auf die Möglichkeit eingeht, Götter und Pantheone zurück in diese Welt zu rufen. Das letzte kapitel, Khitus im Wandel, ist so etwas wie ein Spielleiterkapitel. Hier werden die Kernkonflikte des Settings beleuchtet, und wie man diese für seine Kampagne nutzen kann, ebenso den Zerfall der Welt, und die immer stärker werdenden Krikis, welche möglicherweise kurz davor stehen, die Welt zu übernehmen. Abgerundet wird der Band durch zwei Anhänge. Der erste beschreibt die „Kräfte des Geistes“ – Psionik also – und wie man sie nutzen kann, wenn man keine offiziellen Regeln dafür hat. Der zweite Anhang ist ein lexicon der innerweltlichen Begriffe, die in Dragon Kings vorkommen. Ein Index fehlt leider vollständig.
Fazit:
Timothy Brown ist es mit Dragon Kings gelungen, den Konzepten und Themen, welche zu Dark Sun geführt haben, neues Leben einzuflößen, das ganze zu modernisieren, und ein Setting zu schreiben das den Geist der älteren Welt atmet. Khitus ist kein Athas, zugegeben, und an vielen Stellen ähnelt das Setting eher der 2nd Edition von Dark Sun, weniger der ursprünglichen Vision, aber auf der anderen Seite profitiert die Welt ganz klar davon, sich nicht an irgendwelche Vorgaben oder Erwartungen halten zu müssen, die ein System vorgibt. Ich bin mittlerweile gerade bei Fantasywelten ein wenig der vielen Quellenbücher müde, aber hier haben wir eine Welt bei der ich ehrlich sagen muss, ich würde mich freuen, mehr dazu lesen zu können. Gibt es schwächen? Nun, ich hätte mich schon über eine richtige Posterkarte der Welt gefreut – und über eine bessere Karte, eine bei der die Locations nicht so aufgesetzt wie bei einem Freizeitpark wirken. Gut, die Posterkarte gibt es natürlich mit der Printfassung von Dragon Kings, und ich hätte mir auch eine gerollte Karte auf der RPC kaufen können… Und auch über die feste Integration der Pathfinder-Regeln kann man geteilter Meinung sein. Ich verstehe, warum Ulisses das hier gemacht hat, und aus Verlagssicht macht es auch ganz klar sinn, aber Ich verstehe auch die Kritik der Fans, welche nur das Setting haben wollten. Die Regeln allerdings nicht in ein einzelnes Kapitel reinzuzwängen, sondern da wo sie im text hingehören macht für mich sinn.
Was bleibt ist eine spannende Alternative zu Golarion für die Pathfinder-Spieler, bzw. für jeden der über die integrierten Regeln hinwegsehen kann, und eine Welt die sehr weit weg ist von Tolkien oder Martin.
Mit freundlicher Unterstützung in Form eines Rezensionsexemplars von der Ulisses-Spiele GmbH und dem F-Shop.
Thri-Kreen waren auch meine Lieblingsrasse bei Dark Sun.