Das Leben eines Gezeichneten – Teil 109

Shafirs Schwur - Teil 4

25 Travia
Als die ersten Strahlen der Praiosscheibe durch die Straßen drangen, fiel mir erst auf, wie lange ich schon am Brunnen gesessen hatte und noch immer war nichts weiter passiert, außer das es mir noch schlechter ging. Die Stadt erwachte in recht geschäftigem Treiben und Kinder spielten mit einem Ball in der Nähe des Brunnens. Irgendwie hatte ich es ja kommen sehen, denn der Ball traf mich natürlich und flog hinter mir in den Brunnen. Da ich eh schon schlechte Laune hatte und dies nun wirklich nicht zu einer Besserung beitrug, wirkte ich eine schwarzen Schrecken auf das erste Kind was näher heran kam und war recht zufrieden mit dem Ergebnis. Leider traten in dem Moment die anderen auf den Plan und fragten die restlichen Kinder, was denn passiert sei, die einfach antworteten, dass ihr Ball in den Brunnen gefallen wäre. Adaque wollte natürlich sofort runter klettern und ihn herausholen, musste aber unten feststellen, dass er in eine schmale Spalte gerollt war, an die sie nicht dran kam. Leowulf erzählte mir unterdessen, dass die Besprechung gestern ergeben hätte, dass wir hier warten müssten, bis die Geweihten ein passendes Geschenk für Shafir besorgt hätten, zu dem nämlich die Prinzessin wollte um dort das Siegel abzugeben, damit niemand Unsinn damit anstellen konnte.
Gerade als Adaque wieder oben angelangt war, trat eine neue Welle auf und ich wirkte schnell einen Odem um zu sehen woher. Scheinbar war unser Standort hier der Startpunkt oder etwas unter uns und vielleicht sollte ich mir doch den Spalt einmal ansehen.
Ich kletterte also auch runter in den Brunnen und besah mir den Spalt genauer. Er war nicht sehr tief, aber tief genug um stecken zu bleiben, aber ich hatte ja noch einige Möglichkeiten um das zu ändern und so wirkte ich einen Hartes Schmelze auf den Rand und verbreiterte ihn so gut es ging, bevor ich versuchte mich durchzuzwängen.
Es gelang auch mit einigen Mühen auch wenn die Kopfschmerzen inzwischen fast die Umgebungsgeräusche tilgten. Im Gang lag der Ball – ich hatte den Stab angezündet um etwas sehen zu können – in einer merkwürdig schwarzen Pfütze, die an meinem Finger kleben blieb, als ich Darken den Ball in den Brunnenschacht zurückwarf. Der Gang verlief noch wenige Schritt weiter und endete in einer großen Lache schwarzer Flüssigkeit.
Adaque und Odius waren hinter mir her in den Gang getreten und als ich mich wieder zur Flüssigkeit umdrehte hatte sich ein Gesicht aus ihr geformt und sagte etwas was ich nicht verstand, aber als irgendwie echsisch empfand. Ich versuchte es auf altechsisch und hatte Erfolg. Das Wesen sagte, es sei der Wächter von allem was es sehen könnte und hätte ein Auge. Auf meine Frage bezüglich der Wellen wollte es jedoch keine Antwort geben, aber ich durfte etwas von ihm verlangen und als ich sagte, dass er mich dafür würde beraten müssen, zog sich das Gesicht zunächst zurück. Ein Odem und Analys offenbarte mir nichts über die Flüssigkeit außer das es sich um eine Art magisches Gefäß handelte.
Adaque war dafür ihn nach einem Geschenk für Shafir zu fragen, aber ich hielt das für absolut lächerlich und hätte lieber einen Blick ins Auge, was auch immer das war, geworfen. Ich rief also den Wächter zurück, aber leider kam mir Adaque zuvor und sagte etwas auf der ursprünglichen Sprache, die der Wächter gesprochen hatte – vermutlich so ein Geweihtenkrams – und sorgte mit irgendetwas dafür das er ziemlich verärgert wurde und versuchte uns zu greifen und als das nicht gelang, die Decke einstürzen zu lassen. Widerwillig lief ich aus der Höhle wieder hinaus in den Brunnenschacht in dem mich ein ausgewachsener Löwe erwartete, von dem ich nun mal überhaupt nicht sagen konnte, wie der da hingekommen war. Ich versuchte ihn zu Seite zu scheuchen, er reagierte darauf nicht, aber es gelang mir sicher wieder nach oben zu kommen. Darken erklärte oben – nachdem sich die schwarze Flüssigkeit in lauter fliegende Kleinstwesen verteilt hatte und so leider alle Untersuchungsmaterie zu meinem Ärger verschwunden war – das der Löwe Leowulf sei, aber warum er sich da in einen verwandelt hatte, wusste er auch nicht sicher.
Ich beschloss also auf den Löwen aufzupassen, während die anderen versuchen sollten, herauszufinden was das für ein Zeug war. Später am Abend besorgte ich etwas Fleisch und warf es hinunter – der Brunnen war durch den Einsturz wieder mit Wasser gefüllt, so dass der Löwe mit dem Bauch im Wasser hing – und Leowulf verschlang es genüsslich. Dann setzte mich mich wieder vor den Brunnen und wartete. Etwa zur ersten Stunde nach Einbruch der Dunkelheit kamen drei Hesindegeweihte vorbei, die aber nicht zu mir, sondern zum Brunnen wollten und als sie den Löwen unten im Dämmerlicht sahen, schnell wieder abzogen mit der Bemerkung, dass sie morgen wiederkomme würden.

26 Travia
Gerade als das erste Licht in den Brunnenschacht fiel, kam Leo aus diesem hinaus geklettert und beschwerte sich zunächst über die ganze Sache. Als dann aber Darken und die anderen ebenfalls hinzukamen und meinten, gestern auf der zweiten Ratsbesprechung sei beschlossen worden zunächst zu bleiben und nachzuforschen um was es sich dabei handeln könne, und das wir mal auf dem Boronsanger weit außerhalb der Stadt nachsehen sollten, besserte sich Leowulfs Laune.
Vor der Stadt sah ich trotz der inzwischen noch schlimmeren Kopfschmerzen, drei Westwinddrachen und in einem nahen Baum etwas später, erblickte ich einen kleine Funkeldrachen, der gierig auf uns hinabblickte. Die anderen wollten sich zunächst nicht darum kümmern, aber ich hielt es für eine merkwürdige Sachen, plötzlich so viele Drachen auf einmal zu sehen und versuchte den kleine mit einem bisschen Fleisch, das noch in meiner Tasche von der Leomahlzeit gestern Abend war, anzulocken. Er ließ sich nicht darauf ein, aber meinte, dass uns vielleicht ja die Frau auf der anderen Seite des Hügels interessieren könnte.
Wir beeilten uns etwas, aber als ich den Kamm erreichte, war schon nichts mehr außer einer Staubwolke zu entdecken. Der Friedhof selbst wurde von einigen Koramsbestien bewacht, die nicht mal zurückwichen als wir näher kam, wie sie es wohl für gewöhnlich taten. Leo und Darken mussten erst recht eindeutige Bewegungen machen um sie ein paar Schritt zu verscheuchen. Auf dem Anger selbst liefen weitere dieser Tiere umher und überall waren Unmengen von Krähen und Raben zu entdecken. Außerdem hatte wohl jemand dafür gesorgt, dass dieses Fleckchen Erden nicht mehr geweiht war und ich begann genau danach zu suchen, als ich einen Schrei hörte. Etwas weiter wurde ein Mädchen von drei Ghoulen angegriffen, aber da sich Leo und Darken schon auf machten um sich darum zu kümmern suchte ich weiter und wurde auch fündig. Ein großes Heptagramm in den Boden geritzt zeigte mir eine Beschwörung aus der Domäne Tjakools, die gerade abgeschlossen gewesen sein muss, als wir über den Hügel kamen. Selbst die Kerzen standen noch da und waren einfach zu Schade zum hier lassen, also sammelte ich sie stillschweigend ein. Der genaue Dämon sagte mir leider nichts, aber vermutlich hatte es etwas mit den Ghoulen oder Krähen oder Koramsbestien zu tun.

Ich warf nochmals einen skeptischen Blick auf das Heptagramm in einigen Schritt Entfernung, dass nun ohne Kerzen nicht mehr ganz so auffällig war, wie zuvor, aber für mich immer noch aus der Masse an Vögeln herausragt, wie eine lila Katze.
„Sollten wir sie zu einem Heiler bringen?“ fragte ich eigentlich eher desinteressiert die anderen.
„Wir werden erst einmal hier erste Hilfe leisten“, beschloss Darken. „`Könntet ihr noch das Heptagramm wegwischen?“
Ich schaute nochmal zum Heptagramm, „Ich werd mal sehen was sich da machen lässt,“ und trat wieder näher heran.
Leowulf bahnte sich ohne Rücksicht auf die Aasfresser einen Weg auf die Hügelkuppe und blickte über die zahllosen Leichen und Leichenfresser. Das
makabere Bild eines angenagten untoten Heeres, dicht gefolgt von Vogelschwärmen und Rudeln von Khoramsbestien.
„`Boron…“ raunte er leise einem verwitterten Grabstein mit Boronsrad entgegen, „…verzeih, dass ich die Ruhe der Toten störe.“
Erst leise und dann immer lauter rief Leowulf die Herrin der Stürme an ihm einen Sturm zu schicken der alles fortweht und zerschmettert, was die Gräber ihres göttlichen Bruders besudelte.
Darken näherte sich derweil der jungen Frau und begann, sie auf Verletzungen zu untersuchen. „Ganz ruhig, Mädchen“, murmelte er, „sie sind tot.“
Ich versuchte mit meinen Stiefeln die Erde wieder zusammen zu schieben, aber als das nicht so recht zu funktionieren scheint, ritzte ich mit dem Ende meines Stabes einfach kreuz und quer Muster über das Heptagramm, die mir gerade einfielen.
Die junge Frau öffnete die Augen und sofort schien Panik in ihr auszubrechen, denn sie wich zurück und versuchte Deckung hinter einem Grabstein zu erlangen.
„Bitte…Nicht.. Bitte…. Nicht!“
Ich verzog spöttisch das Gesicht, als ich die Reaktion sah, schaute dann aber mit einem beunruhigten Blick nach oben auf die sich langsam zusammenziehenden Wolken und rief zu Darken herüber: „Wir sollten sehen das wir hier verschwinden!“
Darken hielt die junge Frau an der Schulter fest. „Nur mal ruhig, Mädchen“, brummte er. „Die grünen Jungs sind fort, die tun euch nichts mehr.“ Er wand sich kurz zu mir. „Das dauert nicht lange“. Dann widmete er seine Aufmerksamkeit wieder der jungen Frau. „Ich muss die Wunde säubern, sonst werdet ihr noch zu so einem Biest wie diese da“, er deutete mit dem Daumen hinüber zu den schleimigen Ghoulleichen, „also haltet jetzt still, dann können wir diesen ungemütlichen Ort auch schnell verlassen.“
Mit angstvollen Augen auf mich gerichtet ließ sie die Prozedur der Wundversorgung über sich ergehen.
„Wer seid ihr? Und warum hat mich diese Frau?… Ich.. Wir….“ brachte sie noch über die Lippen bevor sie die Augen verdrehte, und bewusstlos in Darkens Arme fiel.
Keine gute Kondition…
„Ich geh dann schonmal vor, helfen kann ich vermutlich eh nicht.“
Langsam fing der Himmel an sich zu verdüstern und von der Ferne war Donnergrollen zu hören.

Wir gingen zurück zur Stadt und stießen auf dem Rückweg auf ein frisch ausgehobenes Grab in dem ein toter Achaz lag. Er war wohl durch einen Zauber gestorben, denn ich konnte auch nachdem ich in die durchaus 3 Schritt tiefe Grube geklettert war, keine äußeren Verletzungen erkennen, wohl aber das er mit seltsam verkrümmter Haltung dort lag. Ob er vor oder nachdem wir auf dem Hinweg hier vorbei gekommen waren, gestorben war, ließ sich leider auch so ohne weiteres nicht sagen. Der Achaz war wohl ein Schamane und er trug einen jener Beutel in denen die Achazmagier ihre Edelsteine aufbewahrten, den ich natürlich direkt an mich nahm, bevor noch irgendein Unheil damit passierte.
Ich kletterte wieder aus dem Loch hinaus und wir gingen weiter zurück zu Stadt, das Gewitter war nun schon in der Ferne deutlich sichtbar. Die Kopfschmerzen wurden wieder etwas schlimmer, falls das überhaupt noch möglich war und ich überlegte ernsthaft im Sichenhaus mal nachzufragen, da wir dort eh wegen der Frau hin wollten. Dann begab ich mich wieder in Richtung Tor um auf Leowulfs Rückkehr zu warten und die anderen wollten im Tempel Bescheid geben, was auf dem Boronsanger gefunden worden war. Die Kopfschmerzen wurden tatsächlich schlimmer und ich machte die Interessante Entdeckung, das es weniger weh tat, meine Kopf gegen eine Mauer zu rammen, als es nicht zu tun.
Nachdem ich mich mit Leowulf und wir uns dann mit den anderen getroffen hatten, wollten wir den See aufsuchen um dort mal nach dem Rechten zu sehen. Am Burgtor wollten sie uns zunächst nicht einlassen, aber der Graf erteilte uns dann einen Schrieb der uns dann doch Tür und Tor öffnete. Am See war alles ruhig und auch als ich die Wassertemperatur maß, stellte ich nichts außergewöhnliches fest. Allerdings war etwa in der Mitte des Sees eine Art Leuchten zu sehen, das mir merkwürdig vorkam und so ruderten wir bis zu der Stelle hinaus, ich band mir eine Seil – na ließ mir ein Seil umbinden – und versenkte mich paralysiert im See. Leider verbargen Wasserpflanzen von dort das bisschen Sicht was einem bleibt, wenn man die Augen nicht mehr bewegen kann und außer das es sich um eine Art Schwamm handeln musste, konnte ich nichts weiter sehen.
Dann erwischte mich eine weitere jener Wellen und ich musste mir Mühe geben nicht sofort das Bewusstsein zu verlieren. Als ich wieder oben war musste ich zunächst furchtbar husten und ich hatte nicht den Eindruck, dass das etwas gutes zu bedeuten hatte, konnte aber aufgrund mangelndem Licht nicht erkennen was die Flüssigkeit war, die über meine Hand lief.
Da es mir nicht sonderlich gut ging – eine Untertreibung sondergleichen – war ich durchaus froh über den Vorschlag doch heute Nacht in der Burg zu verbringen, so dass ich wenigstens mal wieder eine Schlafstätte hatte, die nicht aus einer Steinfläche in meinem Rücken bestand.

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