Arcadia

Roman von Felix A. Münter, rezensiert von Orakel

Es ist jetzt nicht mal ein halbes Jahr her, dass der erste Band von „The Rising“ und damit das Romandebüt von Felix A. Münter erschienen ist. Normalerweise ging ich zumindest bis jetzt immer davon aus, dass „der Jungautor von Welt“ danach erst einmal eine depressive Sinnkrise kriegt und anschließend zwei Jahre mit Recherche verbraucht, ehe er den nächsten Versuch startet. (Just kidding.)

Im Fall von Arcadia hat sich dieses vermeintliche Klischee dann wohl nicht bewahrheitet. (Zumal wir hier nach The Rising auf gleich einen Wechsel des Genres zu verzeichnen haben. Anstelle der Postapocalypse ist diese Geschichte hier ein Mix aus Horror mit SciFi-Elementen.)
Doch worum geht es jetzt?

„Protagonist“ der Handlung ist Neil White, freiberuflicher Journalist (oder etwas, dass sich noch so gerade als Journalist schimpfen kann), der von einem Milliardär mit fragwürdigem Leumund auf eine Expedition in die Antarktis als Chronist angestellt wurde. Ziel ist ein Meteorit, der im ewigen Eis gefunden wurde, der größte, der jemals auf der Erde entdeckt worden ist. Man muss hierbei hinzufügen, dass die titelgebende „Arcadia“ ein Eisbrecher ist, der eine erste Expedition darstellte, welche bereits dem Schwesternschiff „Nimrod“ vorausgeeilt war. Sobald man dieses Muttern-Schwester-entfernte-Verwandte Schiff erreich hat, beginnt der Ärger, welcher die erste Expedition erreicht hatte, erst so richtig zu beginnen.

Ein kurzer Einwurf zum Cover: Abgebildet ist eine Person in Artis-Montur, welche bei eindeutig nächtlichen Lichtverhältnissen so gerade eben als Mensch von den Konturen her wahrzunehmen ist. Zentrales Mano dabei: Ihre Augen glühen und geben der ganzen Szene einen leicht gruseligen Touch.

Wie baut sich der Roman auf: Technisch betrachtet ist der Ich-Erzähler Neil White mit seiner Innenwelt der zentrale Dreh und Angelpunkt. Angefangen auf der Nimrod schließt er so gut wie keine Kontakte zum Rest seiner Reisegruppe, sondern beginnt eher zynisch über das ganze Geschehen zu reflektieren und sich dabei die meiste Zeit dem Leser mehr und mehr als reiner Garant für Unsympathie darzustellen. (Es gibt ein spezifisches Schimpfwort, dass den Mann hervorragend Charakterisiert. Ich werde dieses aber in dieser Rezension nicht verwenden.) Aufgebrochen wird dies in dem Augenblick, wo Neil sich mit einer Mitarbeiterin des wissenschaftlichen Teils der Expedition (Maria) zu amüsieren beginnt. Noch später (sobald sie auf dem Kontinent das Basislager erreichen) wird noch das Handlungstrio noch um den Russen Jyrki ergänzt. Dieses Trio erforscht dann an Land das Schicksal der Arcadia-Expedition, wobei bestimmte Rollen sich sehr schnell verteilen. (Ob diese jetzt positiv oder negativ zu bewehrten sind, sei jedem selbst überlassen.) Wobei man sagen muss: Getragen wird einiges durch die Bodenständigkeit, welche der Russe Jyrki die meiste Zeit mit sich bringt. Er ist als Mann fürs Grobe zuweilen im Verlauf der Geschichte eine Art Deus ex Machina, der durch Körperkraft Dinge ausgleichen kann (oder auch Dinge überhaupt erst in seinem Besitz mit sich führt), die für den entsprechenden Verlauf des Überlebens von Nöten sind.
Überleben ist dabei der zentrale Punkt bei der Sache: Plotmäßig nutzt Arcadia nämlich eine spezielle Variante des „feindliche Außerirdische“-Trope, das über die Jahrzehnte durchaus auf verschiedene Weisen Interpretiert wurde. (Ich selbst denke dabei jetzt gerade an einige sehr spezifische X-Files-Folgen aus den 90ern, aber ich glaube, dass ein solche Trope durchaus schon früher und noch älter sein dürfte.) Ich will bei so etwas nicht zu sehr ins Detail gehen, denn ich denke, dass entsprechende Leserschaft sich die genaue Überraschung des Aliens aufheben wollen.
Von daher ist hierbei natürlich nicht der Alien-Aspekt der interessante Teil der Geschichte. (Zumal das Spiel mit Aspekten des Horror-Genres einen ganz anderen Fokus setzt: Interessant ist nicht die Frage, was verursacht den Schrecken der Todesangst, welcher ja immer das tragende Element des Horrors als Genre ist. Vielmehr ist die Frage: Wie reagieren die Protagonisten der Geschichte darauf und was Qualifiziert sie am Ende zum „Final Girl“, um jetzt einen Begriff des Slasher-Subgenre zu missbrauchen.) Und das ist am Ende gerade in dem Zusammenspiel der Dreien zu beobachten. White bringt den notwendigen Zynismus mit sich, Maria spielt als weiblicher Teil den Panik-Modus und Jyrki ist der Mann fürs Grobe. Insgesamt wird eine Menge spekuliert und es kommt immer wieder zu neuen Szenen mit dem entsprechenden Alien-Organismus, die immer mehr und mehr die totale Überforderung der Drei unterstreichen, weil scheinbar jedes reguläre Mittel versagt. (Und die wenigen Möglichkeiten, die wirken, sind äußerst begrenzt vorhanden.)
Insofern baut sich langsam eine gewisse Spirale aus milder Paranoia und steigender Gewaltbereitschaft auf, in der immer wieder die direkte Gefahr im Nacken beschrieben wird, der aber gewisse, neue Aspekte folgen, da dem „Haupttrio“ immer wieder vor Augen geführt wird, wie knapp sie letzten Endes der Gefahr nur ausgewichen sind.
Wenn wir das hier bemühte Schema weiterhin mit dem Film vergleichen wollen, ist der hier genutzte Effekt mit dem Stilmittel des so genannten „Jump-Scares“. Es wird mehr mit dem schrecken der plötzlichen Überraschung gespielt, als das ein permanentes, ansteigendes Gefühl des langsam erwachsenden Unwohlseins aufgebaut wird. Das ist dabei nicht unbedingt schlecht: Vielmehr passt es in der hier bemühten Thematik und den hier aufgebauten Tropes durchaus.
Hinzu kommt noch der sehr gut lesbare, flüssige Schreibstil des Autors, der die Geschichte abrundet.

Fazit

Wer eine Neuerfindung des Rades erwartet, wird hier natürlich nicht fündig werden. Die zentralere Frage bei solchen Geschichten ist eher, ob sie in dem Bereich, in dem sie stattfindet zum einen Unterhalten kann, zum anderen eventuell sogar etwas neues hinzufügt. Die zweite Frage müssen andere beantworten, die sich mit dem entsprechenden Trope der hiesigen Geschichte (ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich meine, mal den Begriff „Bodysnatcher“ in diesem Zusammenhang gehört zu haben) besser auskennen. Grundsätzlich aber schafft die Geschichte das Unterhaltungskriterium auf jeden Fall. Auch wenn man sich dabei der Tatsache stellen muss, dass der Protagonist eher einer von der Sorte ist, die man aufgrund seiner inneren Einstellung nur all zu gerne leiden sieht. (Respektive in diesem Fall: Leiden liest.)

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